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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
heranzuholen und so fort. Alle wurden gerettet,
und Effi hätte sich, als sie nach einer halben Stunde
mit ihrem Manne wieder heim ging, in die Dünen
werfen und sich ausweinen mögen. Ein schönes
Gefühl hatte wieder Platz in ihrem Herzen gefunden,
und es beglückte sie unendlich, daß es so war.

Das war am dritten gewesen. Schon am
fünften kam ihr eine neue Aufregung, freilich ganz
anderer Art. Innstetten hatte Gieshübler, der
natürlich auch Stadtrat und Magistratsmitglied war,
beim Herauskommen aus dem Rathause getroffen
und im Gespräche mit ihm erfahren, daß seitens des
Kriegsministeriums angefragt worden sei, wie sich
die Stadtbehörden eventuell zur Garnisonsfrage zu
stellen gedächten? Bei nötigem Entgegenkommen,
also bei Bereitwilligkeit zu Stall- und Kasernen¬
bauten, könnten ihnen zwei Schwadronen Husaren
zugesagt werden. "Nun, Effi, was sagst Du dazu?"
-- Effi war wie benommen. All' das unschuldige
Glück ihrer Kinderjahre stand mit einemmal wieder
vor ihrer Seele, und im Augenblick war es ihr, als
ob rote Husaren -- denn es waren auch rote wie
daheim in Hohen-Cremmen -- so recht eigentlich
die Hüter von Paradies und Unschuld seien. Und
dabei schwieg sie noch immer.

"Du sagst ja nichts, Effi."

Effi Brieſt
heranzuholen und ſo fort. Alle wurden gerettet,
und Effi hätte ſich, als ſie nach einer halben Stunde
mit ihrem Manne wieder heim ging, in die Dünen
werfen und ſich ausweinen mögen. Ein ſchönes
Gefühl hatte wieder Platz in ihrem Herzen gefunden,
und es beglückte ſie unendlich, daß es ſo war.

Das war am dritten geweſen. Schon am
fünften kam ihr eine neue Aufregung, freilich ganz
anderer Art. Innſtetten hatte Gieshübler, der
natürlich auch Stadtrat und Magiſtratsmitglied war,
beim Herauskommen aus dem Rathauſe getroffen
und im Geſpräche mit ihm erfahren, daß ſeitens des
Kriegsminiſteriums angefragt worden ſei, wie ſich
die Stadtbehörden eventuell zur Garniſonsfrage zu
ſtellen gedächten? Bei nötigem Entgegenkommen,
alſo bei Bereitwilligkeit zu Stall- und Kaſernen¬
bauten, könnten ihnen zwei Schwadronen Huſaren
zugeſagt werden. „Nun, Effi, was ſagſt Du dazu?“
— Effi war wie benommen. All' das unſchuldige
Glück ihrer Kinderjahre ſtand mit einemmal wieder
vor ihrer Seele, und im Augenblick war es ihr, als
ob rote Huſaren — denn es waren auch rote wie
daheim in Hohen-Cremmen — ſo recht eigentlich
die Hüter von Paradies und Unſchuld ſeien. Und
dabei ſchwieg ſie noch immer.

„Du ſagſt ja nichts, Effi.“

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[292/0301] Effi Brieſt heranzuholen und ſo fort. Alle wurden gerettet, und Effi hätte ſich, als ſie nach einer halben Stunde mit ihrem Manne wieder heim ging, in die Dünen werfen und ſich ausweinen mögen. Ein ſchönes Gefühl hatte wieder Platz in ihrem Herzen gefunden, und es beglückte ſie unendlich, daß es ſo war. Das war am dritten geweſen. Schon am fünften kam ihr eine neue Aufregung, freilich ganz anderer Art. Innſtetten hatte Gieshübler, der natürlich auch Stadtrat und Magiſtratsmitglied war, beim Herauskommen aus dem Rathauſe getroffen und im Geſpräche mit ihm erfahren, daß ſeitens des Kriegsminiſteriums angefragt worden ſei, wie ſich die Stadtbehörden eventuell zur Garniſonsfrage zu ſtellen gedächten? Bei nötigem Entgegenkommen, alſo bei Bereitwilligkeit zu Stall- und Kaſernen¬ bauten, könnten ihnen zwei Schwadronen Huſaren zugeſagt werden. „Nun, Effi, was ſagſt Du dazu?“ — Effi war wie benommen. All' das unſchuldige Glück ihrer Kinderjahre ſtand mit einemmal wieder vor ihrer Seele, und im Augenblick war es ihr, als ob rote Huſaren — denn es waren auch rote wie daheim in Hohen-Cremmen — ſo recht eigentlich die Hüter von Paradies und Unſchuld ſeien. Und dabei ſchwieg ſie noch immer. „Du ſagſt ja nichts, Effi.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/301>, abgerufen am 27.11.2024.