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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

Effi sah vor sich hin und schwieg.

"Es scheint, wir sind gleicher Meinung. Im
übrigen, wie Du schon sagtest, ich bin selber schuld;
von einem faux pas mag ich nicht sprechen, das
ist in diesem Zusammenhange kein gutes Wort. Also
selber schuld, und es soll nicht wieder vorkommen,
so weit ich's hindern kann. Aber auch Du, wenn
ich Dir raten darf, sei auf Deiner Hut. Er ist ein
Mann der Rücksichtslosigkeiten und hat so seine An¬
sichten über junge Frauen. Ich kenne ihn von früher."

"Ich werde mir Deine Worte gesagt sein lassen.
Nur so viel, ich glaube, Du verkennst ihn."

"Ich verkenne ihn nicht."

"Oder mich," sagte sie mit einer Kraftanstrengung
und versuchte seinem Blicke zu begegnen.

"Auch Dich nicht, meine liebe Effi. Du bist
eine reizende kleine Frau, aber Festigkeit ist nicht
eben Deine Spezialität."

Er erhob sich, um zu gehen. Als er bis an
die Thür gegangen war, trat Friedrich ein, um ein
Gieshübler'sches Billet abzugeben, das natürlich an
die gnädige Frau gerichtet war.

Effi nahm es. "Eine Geheimkorrespondenz mit
Gieshübler," sagte sie; "Stoff zu neuer Eifersucht
für meinen gestrengen Herrn. Oder nicht?"

"Nein, nicht ganz, meine liebe Effi. Ich be¬

Effi Brieſt

Effi ſah vor ſich hin und ſchwieg.

„Es ſcheint, wir ſind gleicher Meinung. Im
übrigen, wie Du ſchon ſagteſt, ich bin ſelber ſchuld;
von einem faux pas mag ich nicht ſprechen, das
iſt in dieſem Zuſammenhange kein gutes Wort. Alſo
ſelber ſchuld, und es ſoll nicht wieder vorkommen,
ſo weit ich's hindern kann. Aber auch Du, wenn
ich Dir raten darf, ſei auf Deiner Hut. Er iſt ein
Mann der Rückſichtsloſigkeiten und hat ſo ſeine An¬
ſichten über junge Frauen. Ich kenne ihn von früher.“

„Ich werde mir Deine Worte geſagt ſein laſſen.
Nur ſo viel, ich glaube, Du verkennſt ihn.“

„Ich verkenne ihn nicht.“

„Oder mich,“ ſagte ſie mit einer Kraftanſtrengung
und verſuchte ſeinem Blicke zu begegnen.

„Auch Dich nicht, meine liebe Effi. Du biſt
eine reizende kleine Frau, aber Feſtigkeit iſt nicht
eben Deine Spezialität.“

Er erhob ſich, um zu gehen. Als er bis an
die Thür gegangen war, trat Friedrich ein, um ein
Gieshübler'ſches Billet abzugeben, das natürlich an
die gnädige Frau gerichtet war.

Effi nahm es. „Eine Geheimkorreſpondenz mit
Gieshübler,“ ſagte ſie; „Stoff zu neuer Eiferſucht
für meinen geſtrengen Herrn. Oder nicht?“

„Nein, nicht ganz, meine liebe Effi. Ich be¬

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[284/0293] Effi Brieſt Effi ſah vor ſich hin und ſchwieg. „Es ſcheint, wir ſind gleicher Meinung. Im übrigen, wie Du ſchon ſagteſt, ich bin ſelber ſchuld; von einem faux pas mag ich nicht ſprechen, das iſt in dieſem Zuſammenhange kein gutes Wort. Alſo ſelber ſchuld, und es ſoll nicht wieder vorkommen, ſo weit ich's hindern kann. Aber auch Du, wenn ich Dir raten darf, ſei auf Deiner Hut. Er iſt ein Mann der Rückſichtsloſigkeiten und hat ſo ſeine An¬ ſichten über junge Frauen. Ich kenne ihn von früher.“ „Ich werde mir Deine Worte geſagt ſein laſſen. Nur ſo viel, ich glaube, Du verkennſt ihn.“ „Ich verkenne ihn nicht.“ „Oder mich,“ ſagte ſie mit einer Kraftanſtrengung und verſuchte ſeinem Blicke zu begegnen. „Auch Dich nicht, meine liebe Effi. Du biſt eine reizende kleine Frau, aber Feſtigkeit iſt nicht eben Deine Spezialität.“ Er erhob ſich, um zu gehen. Als er bis an die Thür gegangen war, trat Friedrich ein, um ein Gieshübler'ſches Billet abzugeben, das natürlich an die gnädige Frau gerichtet war. Effi nahm es. „Eine Geheimkorreſpondenz mit Gieshübler,“ ſagte ſie; „Stoff zu neuer Eiferſucht für meinen geſtrengen Herrn. Oder nicht?“ „Nein, nicht ganz, meine liebe Effi. Ich be¬

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/293>, abgerufen am 26.11.2024.