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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest
einen andern Plan gemacht, und im selben Augen¬
blicke, wo sein Schlitten die Bohlenbrücke passierte,
bog er, statt den Außenweg zu wählen, in einen
schmaleren Weg ein, der mitten durch die dichte
Waldmasse hindurch führte. Effi schrak zusammen.
Bis dahin waren Luft und Licht um sie her gewesen,
aber jetzt war es damit vorbei, und die dunklen
Kronen wölbten sich über ihr. Ein Zittern überkam
sie, und sie schob die Finger fest in einander, um sich
einen Halt zu geben. Gedanken und Bilder jagten
sich und eines dieser Bilder war das Mütterchen in
dem Gedichte, das die "Gottesmauer" hieß, und wie
das Mütterchen, so betete auch sie jetzt, daß Gott
eine Mauer um sie her bauen möge. Zwei, drei
Male kam es auch über ihre Lippen, aber mit einem¬
mal fühlte sie, daß es tote Worte waren. Sie
fürchtete sich und war doch zugleich wie in einem
Zauberbann und wollte auch nicht heraus.

"Effi," klang es jetzt leis an ihr Ohr, und sie
hörte, daß seine Stimme zitterte. Dann nahm er
ihre Hand und löste die Finger, die sie noch immer
geschlossen hielt, und überdeckte sie mit heißen Küssen.
Es war ihr, als wandle sie eine Ohnmacht an.

Als sie die Augen wieder öffnete, war man
aus dem Walde heraus, und in geringer Entfernung
vor sich hörte sie das Geläut der vorauf eilenden

Effi Brieſt
einen andern Plan gemacht, und im ſelben Augen¬
blicke, wo ſein Schlitten die Bohlenbrücke paſſierte,
bog er, ſtatt den Außenweg zu wählen, in einen
ſchmaleren Weg ein, der mitten durch die dichte
Waldmaſſe hindurch führte. Effi ſchrak zuſammen.
Bis dahin waren Luft und Licht um ſie her geweſen,
aber jetzt war es damit vorbei, und die dunklen
Kronen wölbten ſich über ihr. Ein Zittern überkam
ſie, und ſie ſchob die Finger feſt in einander, um ſich
einen Halt zu geben. Gedanken und Bilder jagten
ſich und eines dieſer Bilder war das Mütterchen in
dem Gedichte, das die „Gottesmauer“ hieß, und wie
das Mütterchen, ſo betete auch ſie jetzt, daß Gott
eine Mauer um ſie her bauen möge. Zwei, drei
Male kam es auch über ihre Lippen, aber mit einem¬
mal fühlte ſie, daß es tote Worte waren. Sie
fürchtete ſich und war doch zugleich wie in einem
Zauberbann und wollte auch nicht heraus.

„Effi,“ klang es jetzt leis an ihr Ohr, und ſie
hörte, daß ſeine Stimme zitterte. Dann nahm er
ihre Hand und löſte die Finger, die ſie noch immer
geſchloſſen hielt, und überdeckte ſie mit heißen Küſſen.
Es war ihr, als wandle ſie eine Ohnmacht an.

Als ſie die Augen wieder öffnete, war man
aus dem Walde heraus, und in geringer Entfernung
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[280/0289] Effi Brieſt einen andern Plan gemacht, und im ſelben Augen¬ blicke, wo ſein Schlitten die Bohlenbrücke paſſierte, bog er, ſtatt den Außenweg zu wählen, in einen ſchmaleren Weg ein, der mitten durch die dichte Waldmaſſe hindurch führte. Effi ſchrak zuſammen. Bis dahin waren Luft und Licht um ſie her geweſen, aber jetzt war es damit vorbei, und die dunklen Kronen wölbten ſich über ihr. Ein Zittern überkam ſie, und ſie ſchob die Finger feſt in einander, um ſich einen Halt zu geben. Gedanken und Bilder jagten ſich und eines dieſer Bilder war das Mütterchen in dem Gedichte, das die „Gottesmauer“ hieß, und wie das Mütterchen, ſo betete auch ſie jetzt, daß Gott eine Mauer um ſie her bauen möge. Zwei, drei Male kam es auch über ihre Lippen, aber mit einem¬ mal fühlte ſie, daß es tote Worte waren. Sie fürchtete ſich und war doch zugleich wie in einem Zauberbann und wollte auch nicht heraus. „Effi,“ klang es jetzt leis an ihr Ohr, und ſie hörte, daß ſeine Stimme zitterte. Dann nahm er ihre Hand und löſte die Finger, die ſie noch immer geſchloſſen hielt, und überdeckte ſie mit heißen Küſſen. Es war ihr, als wandle ſie eine Ohnmacht an. Als ſie die Augen wieder öffnete, war man aus dem Walde heraus, und in geringer Entfernung vor ſich hörte ſie das Geläut der vorauf eilenden

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 280. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/289>, abgerufen am 26.11.2024.