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Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896.

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Effi Briest

In diesem Augenblicke kam ein englisches Roast¬
beef, von dem Sidonie ziemlich ausgiebig nahm, ohne
Lindequist's Lächeln dabei zu bemerken. Und weil
sie's nicht bemerkte, so durfte es auch nicht Wunder
nehmen, daß sie mit vieler Unbefangenheit fortfuhr:
"Es kann übrigens alles, was Sie hier sehen, nicht
wohl anders sein; alles ist schief und verfahren von
Anfang an. Ring, Ring -- wenn ich nicht irre,
hat es drüben in Schweden oder da herum 'mal
einen Sagenkönig dieses Namens gegeben. Nun
sehen Sie, benimmt er sich nicht, als ob er von dem
abstamme, und seine Mutter, die ich noch gekannt
habe, war eine Plättfrau in Cöslin."

"Ich kann darin nichts schlimmes finden."

"Schlimmes finden? Ich auch nicht. Und
jedenfalls giebt es schlimmeres. Aber so viel muß
ich doch von Ihnen, als einem geweihten Diener der
Kirche, gewärtigen dürfen, daß Sie die gesellschaft¬
lichen Ordnungen gelten lassen. Ein Oberförster ist
ein bißchen mehr als ein Förster, und ein Förster
hat nicht solche Weinkühler und solch' Silberzeug;
das alles ist ungehörig und zieht dann solche Kinder
groß, wie dies Fräulein Cora."

Sidonie, jedesmal bereit, irgend 'was Schreck¬
liches zu prophezeien, wenn sie, vom Geist über¬
kommen, die Schalen ihres Zornes ausschüttete, würde

Effi Brieſt

In dieſem Augenblicke kam ein engliſches Roaſt¬
beef, von dem Sidonie ziemlich ausgiebig nahm, ohne
Lindequiſt's Lächeln dabei zu bemerken. Und weil
ſie's nicht bemerkte, ſo durfte es auch nicht Wunder
nehmen, daß ſie mit vieler Unbefangenheit fortfuhr:
„Es kann übrigens alles, was Sie hier ſehen, nicht
wohl anders ſein; alles iſt ſchief und verfahren von
Anfang an. Ring, Ring — wenn ich nicht irre,
hat es drüben in Schweden oder da herum 'mal
einen Sagenkönig dieſes Namens gegeben. Nun
ſehen Sie, benimmt er ſich nicht, als ob er von dem
abſtamme, und ſeine Mutter, die ich noch gekannt
habe, war eine Plättfrau in Cöslin.“

„Ich kann darin nichts ſchlimmes finden.“

„Schlimmes finden? Ich auch nicht. Und
jedenfalls giebt es ſchlimmeres. Aber ſo viel muß
ich doch von Ihnen, als einem geweihten Diener der
Kirche, gewärtigen dürfen, daß Sie die geſellſchaft¬
lichen Ordnungen gelten laſſen. Ein Oberförſter iſt
ein bißchen mehr als ein Förſter, und ein Förſter
hat nicht ſolche Weinkühler und ſolch' Silberzeug;
das alles iſt ungehörig und zieht dann ſolche Kinder
groß, wie dies Fräulein Cora.“

Sidonie, jedesmal bereit, irgend 'was Schreck¬
liches zu prophezeien, wenn ſie, vom Geiſt über¬
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[266/0275] Effi Brieſt In dieſem Augenblicke kam ein engliſches Roaſt¬ beef, von dem Sidonie ziemlich ausgiebig nahm, ohne Lindequiſt's Lächeln dabei zu bemerken. Und weil ſie's nicht bemerkte, ſo durfte es auch nicht Wunder nehmen, daß ſie mit vieler Unbefangenheit fortfuhr: „Es kann übrigens alles, was Sie hier ſehen, nicht wohl anders ſein; alles iſt ſchief und verfahren von Anfang an. Ring, Ring — wenn ich nicht irre, hat es drüben in Schweden oder da herum 'mal einen Sagenkönig dieſes Namens gegeben. Nun ſehen Sie, benimmt er ſich nicht, als ob er von dem abſtamme, und ſeine Mutter, die ich noch gekannt habe, war eine Plättfrau in Cöslin.“ „Ich kann darin nichts ſchlimmes finden.“ „Schlimmes finden? Ich auch nicht. Und jedenfalls giebt es ſchlimmeres. Aber ſo viel muß ich doch von Ihnen, als einem geweihten Diener der Kirche, gewärtigen dürfen, daß Sie die geſellſchaft¬ lichen Ordnungen gelten laſſen. Ein Oberförſter iſt ein bißchen mehr als ein Förſter, und ein Förſter hat nicht ſolche Weinkühler und ſolch' Silberzeug; das alles iſt ungehörig und zieht dann ſolche Kinder groß, wie dies Fräulein Cora.“ Sidonie, jedesmal bereit, irgend 'was Schreck¬ liches zu prophezeien, wenn ſie, vom Geiſt über¬ kommen, die Schalen ihres Zornes ausſchüttete, würde

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Effi Briest. Berlin, 1896, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_briest_1896/275>, abgerufen am 26.11.2024.