Meinung, die Luther theilte. "Dem Anscheine nach," so schrieb er, "befindet sich der Markgraf in größerer Gefahr, als Minckwitz, denn dieser hat seine Burg befestigt und ist bereit den Angriff des Markgrafen auszuhalten. Er selbst soll jedoch außer Landes gereist sein und will vielleicht, während der Markgraf belagert, allerlei anderes in's Werk setzen. Und wer weiß, ob nicht Gott damit anfängt, den Markgrafen heimzusuchen wegen seiner scham- losen Pläne, deren er so viele hegt und so ohne Ende. Ich bitte Gott um Frieden, und hätte dem Markgrafen alles andre als den Krieg gerathen. Alle Leute sagen, die Burg des Minckwitz sei nicht einzunehmen, wenn die Soldaten sie treu vertheidigen wollen."
Dieser Ansicht schien sich schließlich der Kurfürst selber zuzu- neigen, denn anstatt das erwähnte stattliche Heer, dessen Zusammen- ziehung ihm 50,000 Gulden gekostet hatte, gegen Sonnenwalde marschiren zu lassen, ließ er es nach 14tägigem Zusammensein wieder auseinandergehn und entschloß sich, zu Minckwitzens Be- strafung, einen andern, ungefährlicheren Weg einzuschlagen. Er reichte nämlich Klage gegen ihn als Landfriedensbrecher beim Reichs- kammergericht zu Wetzlar ein und hatte denn auch die Genugthuung die Reichsacht über denselben ausgesprochen zu sehn.
Der Verklagte war nun vogelfrei, dem Anschein und dem Wortlaute nach ein todter Mann. Aber über bloße Worte kam es nicht recht hinaus.
Der Bischof Georg von Blumenthal dringt in den Kurfürsten Joachim auf energisches Einschreiten gegen Nickel Minckwitz.
Nickel Minckwitz, während die Reichsacht über ihn verhängt war, trieb sich in deutschen Landen umher und suchte bald hier bald dort Sicherheit vor den Nachstellungen des Kurfürsten und des Bischofs von Lebus. Im Jahre 1532 durchzog er Nieder- sachsen und Holstein. Eine Zeitlang hielt er sich bei dieser Ge- legenheit in Lübeck auf, dessen Magistrat ihn aber auf ein von Cölln an der Spree her erhaltenes Warnungsschreiben "einem bekannten Aechter keinen Aufenthalt gestatten zu wollen" zu schleuniger Ab- reise veranlaßte. Minckwitz begab sich nun ins Mecklenburgische, woselbst ihn Eggert von Quitzow auf Vogtshagen und die Parken-
Meinung, die Luther theilte. „Dem Anſcheine nach,“ ſo ſchrieb er, „befindet ſich der Markgraf in größerer Gefahr, als Minckwitz, denn dieſer hat ſeine Burg befeſtigt und iſt bereit den Angriff des Markgrafen auszuhalten. Er ſelbſt ſoll jedoch außer Landes gereiſt ſein und will vielleicht, während der Markgraf belagert, allerlei anderes in’s Werk ſetzen. Und wer weiß, ob nicht Gott damit anfängt, den Markgrafen heimzuſuchen wegen ſeiner ſcham- loſen Pläne, deren er ſo viele hegt und ſo ohne Ende. Ich bitte Gott um Frieden, und hätte dem Markgrafen alles andre als den Krieg gerathen. Alle Leute ſagen, die Burg des Minckwitz ſei nicht einzunehmen, wenn die Soldaten ſie treu vertheidigen wollen.“
Dieſer Anſicht ſchien ſich ſchließlich der Kurfürſt ſelber zuzu- neigen, denn anſtatt das erwähnte ſtattliche Heer, deſſen Zuſammen- ziehung ihm 50,000 Gulden gekoſtet hatte, gegen Sonnenwalde marſchiren zu laſſen, ließ er es nach 14tägigem Zuſammenſein wieder auseinandergehn und entſchloß ſich, zu Minckwitzens Be- ſtrafung, einen andern, ungefährlicheren Weg einzuſchlagen. Er reichte nämlich Klage gegen ihn als Landfriedensbrecher beim Reichs- kammergericht zu Wetzlar ein und hatte denn auch die Genugthuung die Reichsacht über denſelben ausgeſprochen zu ſehn.
Der Verklagte war nun vogelfrei, dem Anſchein und dem Wortlaute nach ein todter Mann. Aber über bloße Worte kam es nicht recht hinaus.
Der Biſchof Georg von Blumenthal dringt in den Kurfürſten Joachim auf energiſches Einſchreiten gegen Nickel Minckwitz.
Nickel Minckwitz, während die Reichsacht über ihn verhängt war, trieb ſich in deutſchen Landen umher und ſuchte bald hier bald dort Sicherheit vor den Nachſtellungen des Kurfürſten und des Biſchofs von Lebus. Im Jahre 1532 durchzog er Nieder- ſachſen und Holſtein. Eine Zeitlang hielt er ſich bei dieſer Ge- legenheit in Lübeck auf, deſſen Magiſtrat ihn aber auf ein von Cölln an der Spree her erhaltenes Warnungsſchreiben „einem bekannten Aechter keinen Aufenthalt geſtatten zu wollen“ zu ſchleuniger Ab- reiſe veranlaßte. Minckwitz begab ſich nun ins Mecklenburgiſche, woſelbſt ihn Eggert von Quitzow auf Vogtshagen und die Parken-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0066"n="50"/>
Meinung, die Luther theilte. „Dem Anſcheine nach,“ſo ſchrieb<lb/>
er, „befindet ſich der Markgraf in größerer Gefahr, als Minckwitz,<lb/>
denn dieſer hat ſeine Burg befeſtigt und iſt bereit den Angriff<lb/>
des Markgrafen auszuhalten. Er ſelbſt ſoll jedoch außer Landes<lb/>
gereiſt ſein und will vielleicht, während der Markgraf belagert,<lb/>
allerlei anderes in’s Werk ſetzen. Und wer weiß, ob nicht Gott<lb/>
damit anfängt, den Markgrafen heimzuſuchen wegen ſeiner ſcham-<lb/>
loſen Pläne, deren er ſo viele hegt und ſo ohne Ende. Ich bitte<lb/>
Gott um Frieden, und hätte dem Markgrafen alles andre als den<lb/>
Krieg gerathen. Alle Leute ſagen, die Burg des Minckwitz ſei<lb/>
nicht einzunehmen, wenn die Soldaten ſie treu vertheidigen wollen.“</p><lb/><p>Dieſer Anſicht ſchien ſich ſchließlich der Kurfürſt ſelber zuzu-<lb/>
neigen, denn anſtatt das erwähnte ſtattliche Heer, deſſen Zuſammen-<lb/>
ziehung ihm 50,000 Gulden gekoſtet hatte, gegen Sonnenwalde<lb/>
marſchiren zu laſſen, ließ er es nach 14tägigem Zuſammenſein<lb/>
wieder auseinandergehn und entſchloß ſich, zu Minckwitzens Be-<lb/>ſtrafung, einen andern, ungefährlicheren Weg einzuſchlagen. Er<lb/>
reichte nämlich Klage gegen ihn als Landfriedensbrecher beim Reichs-<lb/>
kammergericht zu Wetzlar ein und hatte denn auch die Genugthuung<lb/>
die Reichsacht über denſelben ausgeſprochen zu ſehn.</p><lb/><p>Der Verklagte war nun vogelfrei, dem Anſchein und dem<lb/>
Wortlaute nach ein todter Mann. Aber über bloße Worte kam<lb/>
es nicht recht hinaus.</p></div><lb/><divn="4"><head><hirendition="#g">Der Biſchof Georg von Blumenthal dringt in den<lb/>
Kurfürſten Joachim auf energiſches Einſchreiten gegen<lb/>
Nickel Minckwitz</hi>.</head><lb/><p>Nickel Minckwitz, während die Reichsacht über ihn verhängt<lb/>
war, trieb ſich in deutſchen Landen umher und ſuchte bald hier<lb/>
bald dort Sicherheit vor den Nachſtellungen des Kurfürſten und<lb/>
des Biſchofs von Lebus. Im Jahre 1532 durchzog er Nieder-<lb/>ſachſen und Holſtein. Eine Zeitlang hielt er ſich bei dieſer Ge-<lb/>
legenheit in Lübeck auf, deſſen Magiſtrat ihn aber auf ein von<lb/>
Cölln an der Spree her erhaltenes Warnungsſchreiben „einem bekannten<lb/>
Aechter keinen Aufenthalt geſtatten zu wollen“ zu ſchleuniger Ab-<lb/>
reiſe veranlaßte. Minckwitz begab ſich nun ins Mecklenburgiſche,<lb/>
woſelbſt ihn Eggert von Quitzow auf Vogtshagen und die Parken-<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[50/0066]
Meinung, die Luther theilte. „Dem Anſcheine nach,“ ſo ſchrieb
er, „befindet ſich der Markgraf in größerer Gefahr, als Minckwitz,
denn dieſer hat ſeine Burg befeſtigt und iſt bereit den Angriff
des Markgrafen auszuhalten. Er ſelbſt ſoll jedoch außer Landes
gereiſt ſein und will vielleicht, während der Markgraf belagert,
allerlei anderes in’s Werk ſetzen. Und wer weiß, ob nicht Gott
damit anfängt, den Markgrafen heimzuſuchen wegen ſeiner ſcham-
loſen Pläne, deren er ſo viele hegt und ſo ohne Ende. Ich bitte
Gott um Frieden, und hätte dem Markgrafen alles andre als den
Krieg gerathen. Alle Leute ſagen, die Burg des Minckwitz ſei
nicht einzunehmen, wenn die Soldaten ſie treu vertheidigen wollen.“
Dieſer Anſicht ſchien ſich ſchließlich der Kurfürſt ſelber zuzu-
neigen, denn anſtatt das erwähnte ſtattliche Heer, deſſen Zuſammen-
ziehung ihm 50,000 Gulden gekoſtet hatte, gegen Sonnenwalde
marſchiren zu laſſen, ließ er es nach 14tägigem Zuſammenſein
wieder auseinandergehn und entſchloß ſich, zu Minckwitzens Be-
ſtrafung, einen andern, ungefährlicheren Weg einzuſchlagen. Er
reichte nämlich Klage gegen ihn als Landfriedensbrecher beim Reichs-
kammergericht zu Wetzlar ein und hatte denn auch die Genugthuung
die Reichsacht über denſelben ausgeſprochen zu ſehn.
Der Verklagte war nun vogelfrei, dem Anſchein und dem
Wortlaute nach ein todter Mann. Aber über bloße Worte kam
es nicht recht hinaus.
Der Biſchof Georg von Blumenthal dringt in den
Kurfürſten Joachim auf energiſches Einſchreiten gegen
Nickel Minckwitz.
Nickel Minckwitz, während die Reichsacht über ihn verhängt
war, trieb ſich in deutſchen Landen umher und ſuchte bald hier
bald dort Sicherheit vor den Nachſtellungen des Kurfürſten und
des Biſchofs von Lebus. Im Jahre 1532 durchzog er Nieder-
ſachſen und Holſtein. Eine Zeitlang hielt er ſich bei dieſer Ge-
legenheit in Lübeck auf, deſſen Magiſtrat ihn aber auf ein von
Cölln an der Spree her erhaltenes Warnungsſchreiben „einem bekannten
Aechter keinen Aufenthalt geſtatten zu wollen“ zu ſchleuniger Ab-
reiſe veranlaßte. Minckwitz begab ſich nun ins Mecklenburgiſche,
woſelbſt ihn Eggert von Quitzow auf Vogtshagen und die Parken-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/66>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.