Gegend! In Saarow is nichts, das kenn' ich, und hier in Pies- kow is garnichts."
"Aber die Leute werden hier doch einen Stall haben?"
"Is schon richtig. Aber keinen Pferdestall. Alles, was sie haben, is 'ne Zieg' un wenn's hoch kommt 'ne Kuh. Und wer ein paar Pferde hat, na, der hat auch ein bischen Acker, und krügert nich und hat nich Lust zu dienern und zu katzenbuckeln und einem groben Knecht einen doppelten Bittern einzuschenken."
"Ich versteh. Aber wissen Sie, mich friert hier trotz aller Sonne. Kommen Sie, Moll, wir wollen es drin versuchen. Es wird doch wohl warm sein."
Und so traten wir in die Krugstube.
Drinnen war es auch wirklich warm. Aber außer der dicken Luft rührte sich nichts, trotzdem sich drei Menschen in der Stube befanden. Auf einer Ofenbank, die Füße weit vorgestreckt, saß eine Frau von vierzig oder mehr und hatte beide Hände hoch unter ihre Schürze gelegt, als verberge sie was. Es war aber nur Angewohnheit. Ihr zur Seite räckelte sich ihre vierzehnjährige Tochter, ein hübsches, schlank aufgeschossenes Ding, und beschäftigte sich damit, einen blauen Wollfaden um ihren Zeigefinger herum und dann wieder abzuwickeln. Am erfreulichsten war das jüngste Mitglied der Familie, das auf einer Hutsche ritt und einem höl- zernen Pferde das wenige von Haaren auszog, womit des Bild- ners Hand es an Hals und Hintertheil ausgestattet hatte.
Mein "Guten-Tag" war nicht unfreundlich aber doch gleich- gültig beantwortet worden, und es schien in der That nicht als ob wir weiter kommen sollten. Endlich faßt' ich mir ein Herz und sagte: "Die Sonne will auch gar kein Ende nehmen. Ich glaube Regen wäre gut."
"J, Sünn is ook goot."
"Oh gewiß. Aber alles zu seiner Zeit. Wir haben die Sonne nun schon vier Wochen, und nichts kommt 'raus und eigentlich müßte doch alles schon in Blüthe stehn."
"Joa. Man blot in Pieskow nich."
"Aber das klingt ja, liebe Frau, wie wenn hier überhaupt nichts blühte."
"Na, binoah is et ook so."
Gegend! In Saarow is nichts, das kenn’ ich, und hier in Pies- kow is garnichts.“
„Aber die Leute werden hier doch einen Stall haben?“
„Is ſchon richtig. Aber keinen Pferdeſtall. Alles, was ſie haben, is ’ne Zieg’ un wenn’s hoch kommt ’ne Kuh. Und wer ein paar Pferde hat, na, der hat auch ein bischen Acker, und krügert nich und hat nich Luſt zu dienern und zu katzenbuckeln und einem groben Knecht einen doppelten Bittern einzuſchenken.“
„Ich verſteh. Aber wiſſen Sie, mich friert hier trotz aller Sonne. Kommen Sie, Moll, wir wollen es drin verſuchen. Es wird doch wohl warm ſein.“
Und ſo traten wir in die Krugſtube.
Drinnen war es auch wirklich warm. Aber außer der dicken Luft rührte ſich nichts, trotzdem ſich drei Menſchen in der Stube befanden. Auf einer Ofenbank, die Füße weit vorgeſtreckt, ſaß eine Frau von vierzig oder mehr und hatte beide Hände hoch unter ihre Schürze gelegt, als verberge ſie was. Es war aber nur Angewohnheit. Ihr zur Seite räckelte ſich ihre vierzehnjährige Tochter, ein hübſches, ſchlank aufgeſchoſſenes Ding, und beſchäftigte ſich damit, einen blauen Wollfaden um ihren Zeigefinger herum und dann wieder abzuwickeln. Am erfreulichſten war das jüngſte Mitglied der Familie, das auf einer Hutſche ritt und einem höl- zernen Pferde das wenige von Haaren auszog, womit des Bild- ners Hand es an Hals und Hintertheil ausgeſtattet hatte.
Mein „Guten-Tag“ war nicht unfreundlich aber doch gleich- gültig beantwortet worden, und es ſchien in der That nicht als ob wir weiter kommen ſollten. Endlich faßt’ ich mir ein Herz und ſagte: „Die Sonne will auch gar kein Ende nehmen. Ich glaube Regen wäre gut.“
„J, Sünn is ook goot.“
„Oh gewiß. Aber alles zu ſeiner Zeit. Wir haben die Sonne nun ſchon vier Wochen, und nichts kommt ’raus und eigentlich müßte doch alles ſchon in Blüthe ſtehn.“
„Joa. Man blot in Pieskow nich.“
„Aber das klingt ja, liebe Frau, wie wenn hier überhaupt nichts blühte.“
„Na, binoah is et ook ſo.“
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0048"n="32"/>
Gegend! In Saarow is nichts, das kenn’ ich, und hier in Pies-<lb/>
kow is garnichts.“</p><lb/><p>„Aber die Leute werden hier doch einen Stall haben?“</p><lb/><p>„Is ſchon richtig. Aber keinen Pferdeſtall. Alles, was ſie<lb/>
haben, is ’ne Zieg’ un wenn’s hoch kommt ’ne Kuh. Und wer<lb/>
ein paar Pferde hat, na, der hat auch ein bischen Acker, und<lb/>
krügert nich und hat nich Luſt zu dienern und zu katzenbuckeln<lb/>
und einem groben Knecht einen doppelten Bittern einzuſchenken.“</p><lb/><p>„Ich verſteh. Aber wiſſen Sie, mich friert hier trotz aller<lb/>
Sonne. Kommen Sie, Moll, wir wollen es drin verſuchen. Es<lb/>
wird doch wohl warm ſein.“</p><lb/><p>Und ſo traten wir in die Krugſtube.</p><lb/><p>Drinnen war es auch wirklich warm. Aber außer der dicken<lb/>
Luft rührte ſich nichts, trotzdem ſich drei Menſchen in der Stube<lb/>
befanden. Auf einer Ofenbank, die Füße weit vorgeſtreckt, ſaß<lb/>
eine Frau von vierzig oder mehr und hatte beide Hände hoch<lb/>
unter ihre Schürze gelegt, als verberge ſie was. Es war aber<lb/>
nur Angewohnheit. Ihr zur Seite räckelte ſich ihre vierzehnjährige<lb/>
Tochter, ein hübſches, ſchlank aufgeſchoſſenes Ding, und beſchäftigte<lb/>ſich damit, einen blauen Wollfaden um ihren Zeigefinger herum<lb/>
und dann wieder abzuwickeln. Am erfreulichſten war das jüngſte<lb/>
Mitglied der Familie, das auf einer Hutſche ritt und einem höl-<lb/>
zernen Pferde das wenige von Haaren auszog, womit des Bild-<lb/>
ners Hand es an Hals und Hintertheil ausgeſtattet hatte.</p><lb/><p>Mein „Guten-Tag“ war nicht unfreundlich aber doch gleich-<lb/>
gültig beantwortet worden, und es ſchien in der That nicht als<lb/>
ob wir weiter kommen ſollten. Endlich faßt’ ich mir ein Herz<lb/>
und ſagte: „Die Sonne will auch gar kein Ende nehmen. Ich<lb/>
glaube Regen wäre gut.“</p><lb/><p>„J, Sünn is ook goot.“</p><lb/><p>„Oh gewiß. Aber alles zu ſeiner Zeit. Wir haben die Sonne<lb/>
nun ſchon vier Wochen, und nichts kommt ’raus und eigentlich<lb/>
müßte doch alles ſchon in Blüthe ſtehn.“</p><lb/><p>„Joa. Man blot in Pieskow nich.“</p><lb/><p>„Aber das klingt ja, liebe Frau, wie wenn hier überhaupt<lb/>
nichts blühte.“</p><lb/><p>„Na, binoah is et ook ſo.“</p><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[32/0048]
Gegend! In Saarow is nichts, das kenn’ ich, und hier in Pies-
kow is garnichts.“
„Aber die Leute werden hier doch einen Stall haben?“
„Is ſchon richtig. Aber keinen Pferdeſtall. Alles, was ſie
haben, is ’ne Zieg’ un wenn’s hoch kommt ’ne Kuh. Und wer
ein paar Pferde hat, na, der hat auch ein bischen Acker, und
krügert nich und hat nich Luſt zu dienern und zu katzenbuckeln
und einem groben Knecht einen doppelten Bittern einzuſchenken.“
„Ich verſteh. Aber wiſſen Sie, mich friert hier trotz aller
Sonne. Kommen Sie, Moll, wir wollen es drin verſuchen. Es
wird doch wohl warm ſein.“
Und ſo traten wir in die Krugſtube.
Drinnen war es auch wirklich warm. Aber außer der dicken
Luft rührte ſich nichts, trotzdem ſich drei Menſchen in der Stube
befanden. Auf einer Ofenbank, die Füße weit vorgeſtreckt, ſaß
eine Frau von vierzig oder mehr und hatte beide Hände hoch
unter ihre Schürze gelegt, als verberge ſie was. Es war aber
nur Angewohnheit. Ihr zur Seite räckelte ſich ihre vierzehnjährige
Tochter, ein hübſches, ſchlank aufgeſchoſſenes Ding, und beſchäftigte
ſich damit, einen blauen Wollfaden um ihren Zeigefinger herum
und dann wieder abzuwickeln. Am erfreulichſten war das jüngſte
Mitglied der Familie, das auf einer Hutſche ritt und einem höl-
zernen Pferde das wenige von Haaren auszog, womit des Bild-
ners Hand es an Hals und Hintertheil ausgeſtattet hatte.
Mein „Guten-Tag“ war nicht unfreundlich aber doch gleich-
gültig beantwortet worden, und es ſchien in der That nicht als
ob wir weiter kommen ſollten. Endlich faßt’ ich mir ein Herz
und ſagte: „Die Sonne will auch gar kein Ende nehmen. Ich
glaube Regen wäre gut.“
„J, Sünn is ook goot.“
„Oh gewiß. Aber alles zu ſeiner Zeit. Wir haben die Sonne
nun ſchon vier Wochen, und nichts kommt ’raus und eigentlich
müßte doch alles ſchon in Blüthe ſtehn.“
„Joa. Man blot in Pieskow nich.“
„Aber das klingt ja, liebe Frau, wie wenn hier überhaupt
nichts blühte.“
„Na, binoah is et ook ſo.“
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/48>, abgerufen am 03.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.