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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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nicht allgemein anerkannt ist, warum dies nicht sagen? Jeder
große Mann hat seine Freunde und seine Verunglimpfer, und ge-
rade darin, daß er es nicht darauf anlegte, Jedermann zu gefallen,
liegt seine Größe. So etwas muß daher bei einem solchen Tode
gesagt werden. Und wenn die bezweifelte Stelle, ungeachtet dessen,
was ich zu ihrer Rechtfertigung anführe, nicht gedruckt werden
soll, so bitte ich den ganzen Aufsatz zu unterdrücken. v. Gneisenau."


Man mag sich zu dieser Controverse*) stellen wie man will,
Eines erhellt daraus: ein Vorhandensein von Antagonismen und
Gereiztheiten, über deren Ursachen ich mich an dieser Stelle nicht
weiter verbreiten mag. Es war eben eine "Gegenströmung" da,
das war unzweifelhaft, und diese dauerte fort, als einige Jahre
später von Seiten der Scharnhorst-Freunde der Plan angeregt
wurde, seine irdischen Ueberreste von Prag her nach Berlin zu
schaffen und ihm daselbst ein Denkmal zu setzen. "Anfangs," so
schreibt Minutoli, "flossen die Beiträge reichlich; aber die Wahr-
heit erfordert, einzugestehen, daß sich beim Einsammeln auch Theil-
nahmlosigkeit, Engherzigkeit, ja sogar Mißgunst zu erkennen gab."

Im Sommer 1819 hatten diese Sammlungen begonnen, in-
dessen erst fünfzehn Jahre später, am 2. Mai 1834, wurde das

*) In dem Punkte, daß man im Cabinet eine gewisse Bestrittenheit
der Scharnhorstschen Verdienste wegleugnen wollte, hatte man gewiß Unrecht,
aber darin andererseits gewiß Recht, daß es mindestens "unopportun" war,
in solcher Zeit auf solche Meinungsverschiedenheiten oder auch Schlimmeres
hinzuweisen. -- (Einen eigenthümlichen Eindruck macht es außerdem, aus dem
Briefwechsel zwischen den streitenden Parteien zu ersehen, daß die beiden Räthe
J. und v. B. auch stilistische Vedenken hatten und damit nicht hinter dem
Berge hielten. So wollte man das gesperrt gedruckte Wort "stetig", weil es
nicht deutsch sei, gern weg haben und proponirte statt seiner das Wort "an-
haltend." Aber Gneisenau wollte auch von einer derartigen, blos sprachlichen
Aenderung nichts wissen und antwortete: "Stetig" will mehr sagen als "an-
haltend"; jenes bezeichnet das Bewußtsein des Wollens und des Zweckes. Es
ist das englische "steady" und ist absichtlich gewählt". Zuletzt wurde die
Sache Hardenberg selbst zur Entscheidung vorgelegt und dieser schrieb sehr fein
an den Rand: "Das Wort "stetig" kann als eine neue Creation wohl gut
sein. Ich kenn' es aber noch nicht als deutsch.")

nicht allgemein anerkannt iſt, warum dies nicht ſagen? Jeder
große Mann hat ſeine Freunde und ſeine Verunglimpfer, und ge-
rade darin, daß er es nicht darauf anlegte, Jedermann zu gefallen,
liegt ſeine Größe. So etwas muß daher bei einem ſolchen Tode
geſagt werden. Und wenn die bezweifelte Stelle, ungeachtet deſſen,
was ich zu ihrer Rechtfertigung anführe, nicht gedruckt werden
ſoll, ſo bitte ich den ganzen Aufſatz zu unterdrücken. v. Gneiſenau.“


Man mag ſich zu dieſer Controverſe*) ſtellen wie man will,
Eines erhellt daraus: ein Vorhandenſein von Antagonismen und
Gereiztheiten, über deren Urſachen ich mich an dieſer Stelle nicht
weiter verbreiten mag. Es war eben eine „Gegenſtrömung“ da,
das war unzweifelhaft, und dieſe dauerte fort, als einige Jahre
ſpäter von Seiten der Scharnhorſt-Freunde der Plan angeregt
wurde, ſeine irdiſchen Ueberreſte von Prag her nach Berlin zu
ſchaffen und ihm daſelbſt ein Denkmal zu ſetzen. „Anfangs,“ ſo
ſchreibt Minutoli, „floſſen die Beiträge reichlich; aber die Wahr-
heit erfordert, einzugeſtehen, daß ſich beim Einſammeln auch Theil-
nahmloſigkeit, Engherzigkeit, ja ſogar Mißgunſt zu erkennen gab.“

Im Sommer 1819 hatten dieſe Sammlungen begonnen, in-
deſſen erſt fünfzehn Jahre ſpäter, am 2. Mai 1834, wurde das

*) In dem Punkte, daß man im Cabinet eine gewiſſe Beſtrittenheit
der Scharnhorſtſchen Verdienſte wegleugnen wollte, hatte man gewiß Unrecht,
aber darin andererſeits gewiß Recht, daß es mindeſtens „unopportun“ war,
in ſolcher Zeit auf ſolche Meinungsverſchiedenheiten oder auch Schlimmeres
hinzuweiſen. — (Einen eigenthümlichen Eindruck macht es außerdem, aus dem
Briefwechſel zwiſchen den ſtreitenden Parteien zu erſehen, daß die beiden Räthe
J. und v. B. auch ſtiliſtiſche Vedenken hatten und damit nicht hinter dem
Berge hielten. So wollte man das geſperrt gedruckte Wort „ſtetig“, weil es
nicht deutſch ſei, gern weg haben und proponirte ſtatt ſeiner das Wort „an-
haltend.“ Aber Gneiſenau wollte auch von einer derartigen, blos ſprachlichen
Aenderung nichts wiſſen und antwortete: „Stetig“ will mehr ſagen als „an-
haltend“; jenes bezeichnet das Bewußtſein des Wollens und des Zweckes. Es
iſt das engliſche „steady“ und iſt abſichtlich gewählt“. Zuletzt wurde die
Sache Hardenberg ſelbſt zur Entſcheidung vorgelegt und dieſer ſchrieb ſehr fein
an den Rand: „Das Wort „ſtetig“ kann als eine neue Creation wohl gut
ſein. Ich kenn’ es aber noch nicht als deutſch.“)
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[410/0426] nicht allgemein anerkannt iſt, warum dies nicht ſagen? Jeder große Mann hat ſeine Freunde und ſeine Verunglimpfer, und ge- rade darin, daß er es nicht darauf anlegte, Jedermann zu gefallen, liegt ſeine Größe. So etwas muß daher bei einem ſolchen Tode geſagt werden. Und wenn die bezweifelte Stelle, ungeachtet deſſen, was ich zu ihrer Rechtfertigung anführe, nicht gedruckt werden ſoll, ſo bitte ich den ganzen Aufſatz zu unterdrücken. v. Gneiſenau.“ Man mag ſich zu dieſer Controverſe *) ſtellen wie man will, Eines erhellt daraus: ein Vorhandenſein von Antagonismen und Gereiztheiten, über deren Urſachen ich mich an dieſer Stelle nicht weiter verbreiten mag. Es war eben eine „Gegenſtrömung“ da, das war unzweifelhaft, und dieſe dauerte fort, als einige Jahre ſpäter von Seiten der Scharnhorſt-Freunde der Plan angeregt wurde, ſeine irdiſchen Ueberreſte von Prag her nach Berlin zu ſchaffen und ihm daſelbſt ein Denkmal zu ſetzen. „Anfangs,“ ſo ſchreibt Minutoli, „floſſen die Beiträge reichlich; aber die Wahr- heit erfordert, einzugeſtehen, daß ſich beim Einſammeln auch Theil- nahmloſigkeit, Engherzigkeit, ja ſogar Mißgunſt zu erkennen gab.“ Im Sommer 1819 hatten dieſe Sammlungen begonnen, in- deſſen erſt fünfzehn Jahre ſpäter, am 2. Mai 1834, wurde das *) In dem Punkte, daß man im Cabinet eine gewiſſe Beſtrittenheit der Scharnhorſtſchen Verdienſte wegleugnen wollte, hatte man gewiß Unrecht, aber darin andererſeits gewiß Recht, daß es mindeſtens „unopportun“ war, in ſolcher Zeit auf ſolche Meinungsverſchiedenheiten oder auch Schlimmeres hinzuweiſen. — (Einen eigenthümlichen Eindruck macht es außerdem, aus dem Briefwechſel zwiſchen den ſtreitenden Parteien zu erſehen, daß die beiden Räthe J. und v. B. auch ſtiliſtiſche Vedenken hatten und damit nicht hinter dem Berge hielten. So wollte man das geſperrt gedruckte Wort „ſtetig“, weil es nicht deutſch ſei, gern weg haben und proponirte ſtatt ſeiner das Wort „an- haltend.“ Aber Gneiſenau wollte auch von einer derartigen, blos ſprachlichen Aenderung nichts wiſſen und antwortete: „Stetig“ will mehr ſagen als „an- haltend“; jenes bezeichnet das Bewußtſein des Wollens und des Zweckes. Es iſt das engliſche „steady“ und iſt abſichtlich gewählt“. Zuletzt wurde die Sache Hardenberg ſelbſt zur Entſcheidung vorgelegt und dieſer ſchrieb ſehr fein an den Rand: „Das Wort „ſtetig“ kann als eine neue Creation wohl gut ſein. Ich kenn’ es aber noch nicht als deutſch.“)

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/426>, abgerufen am 22.11.2024.