gebadeten in das Schadow'sche Haus zurück. Der Alte ging einen Augenblick musternd und schmunzelnd um seine Lieblingsge- stalten herum und sagte dann ruhig zu dem erwartungsvoll Da- stehenden: "Ja, de Pickeln sind weg, aber de Pelle ooch." Wenige hätten gleich ihm die Beherrschung gehabt, mit einer humoristischen Bemerkung von einer so werthvollen und allgemein als muster- giltig angesehenen Arbeit Abschied zu nehmen.
Ein solches, von einem leichten Humor getragenes Abschied- nehmen war nun freilich nicht immer seine Sache. Mußt' es sein, wie in dem vorerzählten Falle, so fand er sich darin; aber freiwillig -- nein. Auch hierfür ein Beispiel.
Einer seiner Schüler, der spätere Professor F., hatte sich durch Ausführung einer ihm im Interesse Schadow's übertragenen Ar- beit die ganz besondere Zufriedenheit des Alten erworben, so daß dieser in guter Laune sagte: "Nu höre, F., nu könntest Du Dir woll eijentlich so zu sagen ne Gnade bei mir ausbitten. Na, sage mal, was möchtst Du denn woll."
"Ja, Herr Direktor ..."
"Na, genire Dir nich. Sage man janz dreiste .."
"Ja, Herr Direktor, wenn Sie denn wirklich so viel Güte für mich haben wollen, dann möcht ich Sie wohl um die beiden kleinen Modellfiguren bitten die da oben stehen."
"Um welche denn?"
"Um den alten Dessauer und den alten Zieten."
"J süh!. Höre F., Du bist nich dumm. Aber ich werde Dir doch lieber fünfundzwanzig Dhaler geben."
Und so geschah es.
Er war auch ein Repräsentant der berliner Ironie, der trost- losesten aller Blüthen, die der Geist dieser Landestheile je ge- trieben hat. Aber er war ein Repräsentant derselben auf seine Weise. Man hat, wenn solche Abschweifung an dieser Stelle gestattet ist, dies ironische Wesen auf den märkischen Sand, auf die Dürre des Bodens, auf den Voltairianismus König Friedrich's II. oder auch auf die eigenthümliche Mischung der ursprünglichen berliner Be- völkerung mit französischen und jüdischen Elementen zurückführen wollen, -- aber, wie ich glaube, mit Unrecht. Alles das mag eine bestimmte Form geschaffen haben, nicht die Sache selbst. Die Sache
gebadeten in das Schadow’ſche Haus zurück. Der Alte ging einen Augenblick muſternd und ſchmunzelnd um ſeine Lieblingsge- ſtalten herum und ſagte dann ruhig zu dem erwartungsvoll Da- ſtehenden: „Ja, de Pickeln ſind weg, aber de Pelle ooch.“ Wenige hätten gleich ihm die Beherrſchung gehabt, mit einer humoriſtiſchen Bemerkung von einer ſo werthvollen und allgemein als muſter- giltig angeſehenen Arbeit Abſchied zu nehmen.
Ein ſolches, von einem leichten Humor getragenes Abſchied- nehmen war nun freilich nicht immer ſeine Sache. Mußt’ es ſein, wie in dem vorerzählten Falle, ſo fand er ſich darin; aber freiwillig — nein. Auch hierfür ein Beiſpiel.
Einer ſeiner Schüler, der ſpätere Profeſſor F., hatte ſich durch Ausführung einer ihm im Intereſſe Schadow’s übertragenen Ar- beit die ganz beſondere Zufriedenheit des Alten erworben, ſo daß dieſer in guter Laune ſagte: „Nu höre, F., nu könnteſt Du Dir woll eijentlich ſo zu ſagen ne Gnade bei mir ausbitten. Na, ſage mal, was möchtſt Du denn woll.“
„Ja, Herr Direktor …“
„Na, genire Dir nich. Sage man janz dreiſte ..“
„Ja, Herr Direktor, wenn Sie denn wirklich ſo viel Güte für mich haben wollen, dann möcht ich Sie wohl um die beiden kleinen Modellfiguren bitten die da oben ſtehen.“
„Um welche denn?“
„Um den alten Deſſauer und den alten Zieten.“
„J ſüh!. Höre F., Du biſt nich dumm. Aber ich werde Dir doch lieber fünfundzwanzig Dhaler geben.“
Und ſo geſchah es.
Er war auch ein Repräſentant der berliner Ironie, der troſt- loſeſten aller Blüthen, die der Geiſt dieſer Landestheile je ge- trieben hat. Aber er war ein Repräſentant derſelben auf ſeine Weiſe. Man hat, wenn ſolche Abſchweifung an dieſer Stelle geſtattet iſt, dies ironiſche Weſen auf den märkiſchen Sand, auf die Dürre des Bodens, auf den Voltairianismus König Friedrich’s II. oder auch auf die eigenthümliche Miſchung der urſprünglichen berliner Be- völkerung mit franzöſiſchen und jüdiſchen Elementen zurückführen wollen, — aber, wie ich glaube, mit Unrecht. Alles das mag eine beſtimmte Form geſchaffen haben, nicht die Sache ſelbſt. Die Sache
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gebadeten in das Schadow’ſche Haus zurück. Der Alte ging
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ſtalten herum und ſagte dann ruhig zu dem erwartungsvoll Da-
ſtehenden: „Ja, de Pickeln ſind weg, aber de Pelle ooch.“ Wenige
hätten gleich ihm die Beherrſchung gehabt, mit einer humoriſtiſchen
Bemerkung von einer ſo werthvollen und allgemein als muſter-
giltig angeſehenen Arbeit Abſchied zu nehmen.
Ein ſolches, von einem leichten Humor getragenes Abſchied-
nehmen war nun freilich nicht immer ſeine Sache. Mußt’ es
ſein, wie in dem vorerzählten Falle, ſo fand er ſich darin; aber
freiwillig — nein. Auch hierfür ein Beiſpiel.
Einer ſeiner Schüler, der ſpätere Profeſſor F., hatte ſich durch
Ausführung einer ihm im Intereſſe Schadow’s übertragenen Ar-
beit die ganz beſondere Zufriedenheit des Alten erworben, ſo daß
dieſer in guter Laune ſagte: „Nu höre, F., nu könnteſt Du Dir
woll eijentlich ſo zu ſagen ne Gnade bei mir ausbitten. Na, ſage
mal, was möchtſt Du denn woll.“
„Ja, Herr Direktor …“
„Na, genire Dir nich. Sage man janz dreiſte ..“
„Ja, Herr Direktor, wenn Sie denn wirklich ſo viel Güte
für mich haben wollen, dann möcht ich Sie wohl um die beiden
kleinen Modellfiguren bitten die da oben ſtehen.“
„Um welche denn?“
„Um den alten Deſſauer und den alten Zieten.“
„J ſüh!. Höre F., Du biſt nich dumm. Aber ich werde
Dir doch lieber fünfundzwanzig Dhaler geben.“
Und ſo geſchah es.
Er war auch ein Repräſentant der berliner Ironie, der troſt-
loſeſten aller Blüthen, die der Geiſt dieſer Landestheile je ge-
trieben hat. Aber er war ein Repräſentant derſelben auf ſeine Weiſe.
Man hat, wenn ſolche Abſchweifung an dieſer Stelle geſtattet iſt,
dies ironiſche Weſen auf den märkiſchen Sand, auf die Dürre des
Bodens, auf den Voltairianismus König Friedrich’s II. oder auch
auf die eigenthümliche Miſchung der urſprünglichen berliner Be-
völkerung mit franzöſiſchen und jüdiſchen Elementen zurückführen
wollen, — aber, wie ich glaube, mit Unrecht. Alles das mag eine
beſtimmte Form geſchaffen haben, nicht die Sache ſelbſt. Die Sache
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/362>, abgerufen am 03.07.2024.
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