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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Schritt eröffnet hatte. Zunächst schien das feinliche Feuer im
Vortheil bleiben zu sollen: mehrere preußische Geschütze waren
demontirt und eine zerschossene Batterie mußte zurückgenommen
werden; als aber um eben diese Zeit die schwedische reitende Bat-
terie von Cardell in die diesseitige Geschützfront einrückte, gab
Oberst von Holtzendorff Befehl bis auf 1200 Schritt zu avan-
ciren. Alle Batterien jagten vor und im selben Augenblicke fast,
wo sich die Wirkung dieses Vorgehens erkennen ließ, ließ General
v. Bülow die bis dahin in Deckung zurückgehaltenen Brigaden
Krafft und Thümen im Sturmschritte gegen Dorf und Kirche
vorbrechen.

Ein erbitterter Kamf entspann sich. Das 1. Bataillon Kol-
berg griff Großbeeren in der Front an, während rechts daneben
Major v. Gagern an der Spitze des 5. Reserve-Regiments auf
die den Kirchhofshügel vertheidigenden Sachsen eindrang und das
hier stehende Regiment v. Low zersprengte.*) Neue Bataillone,
die Reynier aus der hinter dem Dorfe haltenden Division Lecocq
in die Front zog, stellten das Gefecht zwar wieder her, und ein
Vorbrechen sächsischer Ulanen parirte sogar siegreich einen dies-
seitigen Reiterangriff. Aber dies war auch der letzte glückliche
Moment auf gegnerischer Seite. Denn in demselben Augenblicke
fast, wo sich die sächsische Kavallerie dieses Erfolges rühmen durfte,
wurde die gesammte feindliche Position von zwei Seiten her um-
faßt, indem die gerade jetzt den Lilobach passirende Vorhut der
Borstell'schen Brigade Großbeeren von Osten her, die Brigade
Prinz von Hessen-Homburg aber die mehr nach Westen hin
gelegene Hügelposition zwischen der Windmühle und dem Vorwerk
Neu-Beeren erstürmte. Durch diese Bewegung von links und
rechts her, war die ganze in Front stehende Division Sahr abge-
schnitten und hatte nur noch für ihren Rückzug zu kämpfen.

*) Bei diesem Kampfe ging die alte Kirche von Groß-Beeren in Flammen
auf und wurd' erst in den 20er Jahren durch eine neue, nach einem Schin-
kelschen Plan erbaute, ersetzt. In Nähe derselben erhebt sich auch das guß-
eiserne Monument, das zu direkter Erinnerung an den 23. August 1813
errichtet wurde. Es trägt die Inschrift: "Die gefallenen Helden ehrt dankbar
König und Vaterland."

Schritt eröffnet hatte. Zunächſt ſchien das feinliche Feuer im
Vortheil bleiben zu ſollen: mehrere preußiſche Geſchütze waren
demontirt und eine zerſchoſſene Batterie mußte zurückgenommen
werden; als aber um eben dieſe Zeit die ſchwediſche reitende Bat-
terie von Cardell in die dieſſeitige Geſchützfront einrückte, gab
Oberſt von Holtzendorff Befehl bis auf 1200 Schritt zu avan-
ciren. Alle Batterien jagten vor und im ſelben Augenblicke faſt,
wo ſich die Wirkung dieſes Vorgehens erkennen ließ, ließ General
v. Bülow die bis dahin in Deckung zurückgehaltenen Brigaden
Krafft und Thümen im Sturmſchritte gegen Dorf und Kirche
vorbrechen.

Ein erbitterter Kamf entſpann ſich. Das 1. Bataillon Kol-
berg griff Großbeeren in der Front an, während rechts daneben
Major v. Gagern an der Spitze des 5. Reſerve-Regiments auf
die den Kirchhofshügel vertheidigenden Sachſen eindrang und das
hier ſtehende Regiment v. Low zerſprengte.*) Neue Bataillone,
die Reynier aus der hinter dem Dorfe haltenden Diviſion Lecocq
in die Front zog, ſtellten das Gefecht zwar wieder her, und ein
Vorbrechen ſächſiſcher Ulanen parirte ſogar ſiegreich einen dies-
ſeitigen Reiterangriff. Aber dies war auch der letzte glückliche
Moment auf gegneriſcher Seite. Denn in demſelben Augenblicke
faſt, wo ſich die ſächſiſche Kavallerie dieſes Erfolges rühmen durfte,
wurde die geſammte feindliche Poſition von zwei Seiten her um-
faßt, indem die gerade jetzt den Lilobach paſſirende Vorhut der
Borſtell’ſchen Brigade Großbeeren von Oſten her, die Brigade
Prinz von Heſſen-Homburg aber die mehr nach Weſten hin
gelegene Hügelpoſition zwiſchen der Windmühle und dem Vorwerk
Neu-Beeren erſtürmte. Durch dieſe Bewegung von links und
rechts her, war die ganze in Front ſtehende Diviſion Sahr abge-
ſchnitten und hatte nur noch für ihren Rückzug zu kämpfen.

*) Bei dieſem Kampfe ging die alte Kirche von Groß-Beeren in Flammen
auf und wurd’ erſt in den 20er Jahren durch eine neue, nach einem Schin-
kelſchen Plan erbaute, erſetzt. In Nähe derſelben erhebt ſich auch das guß-
eiſerne Monument, das zu direkter Erinnerung an den 23. Auguſt 1813
errichtet wurde. Es trägt die Inſchrift: „Die gefallenen Helden ehrt dankbar
König und Vaterland.“
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[298/0314] Schritt eröffnet hatte. Zunächſt ſchien das feinliche Feuer im Vortheil bleiben zu ſollen: mehrere preußiſche Geſchütze waren demontirt und eine zerſchoſſene Batterie mußte zurückgenommen werden; als aber um eben dieſe Zeit die ſchwediſche reitende Bat- terie von Cardell in die dieſſeitige Geſchützfront einrückte, gab Oberſt von Holtzendorff Befehl bis auf 1200 Schritt zu avan- ciren. Alle Batterien jagten vor und im ſelben Augenblicke faſt, wo ſich die Wirkung dieſes Vorgehens erkennen ließ, ließ General v. Bülow die bis dahin in Deckung zurückgehaltenen Brigaden Krafft und Thümen im Sturmſchritte gegen Dorf und Kirche vorbrechen. Ein erbitterter Kamf entſpann ſich. Das 1. Bataillon Kol- berg griff Großbeeren in der Front an, während rechts daneben Major v. Gagern an der Spitze des 5. Reſerve-Regiments auf die den Kirchhofshügel vertheidigenden Sachſen eindrang und das hier ſtehende Regiment v. Low zerſprengte. *) Neue Bataillone, die Reynier aus der hinter dem Dorfe haltenden Diviſion Lecocq in die Front zog, ſtellten das Gefecht zwar wieder her, und ein Vorbrechen ſächſiſcher Ulanen parirte ſogar ſiegreich einen dies- ſeitigen Reiterangriff. Aber dies war auch der letzte glückliche Moment auf gegneriſcher Seite. Denn in demſelben Augenblicke faſt, wo ſich die ſächſiſche Kavallerie dieſes Erfolges rühmen durfte, wurde die geſammte feindliche Poſition von zwei Seiten her um- faßt, indem die gerade jetzt den Lilobach paſſirende Vorhut der Borſtell’ſchen Brigade Großbeeren von Oſten her, die Brigade Prinz von Heſſen-Homburg aber die mehr nach Weſten hin gelegene Hügelpoſition zwiſchen der Windmühle und dem Vorwerk Neu-Beeren erſtürmte. Durch dieſe Bewegung von links und rechts her, war die ganze in Front ſtehende Diviſion Sahr abge- ſchnitten und hatte nur noch für ihren Rückzug zu kämpfen. *) Bei dieſem Kampfe ging die alte Kirche von Groß-Beeren in Flammen auf und wurd’ erſt in den 20er Jahren durch eine neue, nach einem Schin- kelſchen Plan erbaute, erſetzt. In Nähe derſelben erhebt ſich auch das guß- eiſerne Monument, das zu direkter Erinnerung an den 23. Auguſt 1813 errichtet wurde. Es trägt die Inſchrift: „Die gefallenen Helden ehrt dankbar König und Vaterland.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/314>, abgerufen am 24.11.2024.