Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.darum hin", und der fromme P. Gerhardt, der wohl wissen Nun ruhen alle Wälder, jenes Musterstück einfachen Ausdrucks und lyrischer Stimmung, dasVieh, Menschen, Städt' und Felder, Es schläft die ganze Welt -- durch einzelne daran anknüpfende Spöttereien (z. B. die ganze Welt könne nie schlafen, weil die Antipoden Tag hätten, wenn wir zur Ruhe gingen) an Volksthümlichkeit nur noch gewonnen hat. Glaub' und Liebe richteten ihn wohl auf, wenn die Kümmer- Innige Liebe hatte das Band geschlossen und Paul Gerhardt Warum sollt' ich mich denn grämen? Hab' ich doch Christum noch, Wer will mir den nehmen? Wer will mir den Himmel rauben, Den mir schon Gottes Sohn Beigelegt im Glauben? Aber es war anders bestimmt. Die Freudigkeit des Gemüths darum hin“, und der fromme P. Gerhardt, der wohl wiſſen Nun ruhen alle Wälder, jenes Muſterſtück einfachen Ausdrucks und lyriſcher Stimmung, dasVieh, Menſchen, Städt’ und Felder, Es ſchläft die ganze Welt — durch einzelne daran anknüpfende Spöttereien (z. B. die ganze Welt könne nie ſchlafen, weil die Antipoden Tag hätten, wenn wir zur Ruhe gingen) an Volksthümlichkeit nur noch gewonnen hat. Glaub’ und Liebe richteten ihn wohl auf, wenn die Kümmer- Innige Liebe hatte das Band geſchloſſen und Paul Gerhardt Warum ſollt’ ich mich denn grämen? Hab’ ich doch Chriſtum noch, Wer will mir den nehmen? Wer will mir den Himmel rauben, Den mir ſchon Gottes Sohn Beigelegt im Glauben? Aber es war anders beſtimmt. Die Freudigkeit des Gemüths <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0292" n="276"/> darum hin“, und der fromme P. Gerhardt, der wohl wiſſen<lb/> mochte, wie ſeine Gemeinde daran hing, trachtete jetzt danach,<lb/> der ſchönen alten Melodie tiefere Textesworte zu Grunde zu legen.<lb/> So entſtand das „Abendlied“:<lb/><lg type="poem"><l>Nun ruhen alle Wälder,</l><lb/><l>Vieh, Menſchen, Städt’ und Felder,</l><lb/><l>Es ſchläft die <choice><sic>gauze</sic><corr>ganze</corr></choice> Welt —</l></lg><lb/> jenes Muſterſtück einfachen Ausdrucks und lyriſcher Stimmung, das<lb/> durch einzelne daran anknüpfende Spöttereien (z. B. die <hi rendition="#g">ganze</hi><lb/> Welt könne nie ſchlafen, weil die Antipoden Tag hätten, wenn<lb/> wir zur Ruhe gingen) an Volksthümlichkeit nur noch gewonnen hat.</p><lb/> <p>Glaub’ und Liebe richteten ihn wohl auf, wenn die Kümmer-<lb/> niſſe des Lebens ihn niederdrücken wollten, aber ein Gefühl der<lb/> Einſamkeit blieb ihm, und ſein Herz ſehnte ſich nach Genoſſenſchaft,<lb/> nach einem Herd. Im vierten Jahre ſeines Amts bewarb er ſich<lb/> um die Hand Maria Bertholds, der älteſten Tochter jenes from-<lb/> men Hauſes, in dem er ſo viele Jahre glücklich geweſen war, und<lb/> Probſt Vehr von St. Nicolai, der beide ſeit lange gekannt und<lb/> geliebt hatte, legte beider Hände ineinander. Um die Mitte<lb/> Februar 1655 zog Maria Berthold in die Mittenwalder Probſtei-<lb/> wohnung ein.</p><lb/> <p>Innige Liebe hatte das Band geſchloſſen und Paul Gerhardt<lb/> glaubte nun den Segen um ſich zu haben, der alle böſen Geiſter<lb/> von ſeiner Schwelle fernhalten würde. Neu gekräftigt in ſeinem<lb/> Glauben und neu geſtimmt zur Dankbarkeit, war es um dieſe<lb/> Zeit wohl, daß er den hohen Freudenſang anſtimmte:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Warum ſollt’ ich mich denn grämen?</l><lb/> <l>Hab’ ich doch</l><lb/> <l>Chriſtum noch,</l><lb/> <l>Wer will mir den nehmen?</l><lb/> <l>Wer will mir den Himmel rauben,</l><lb/> <l>Den mir ſchon</l><lb/> <l>Gottes Sohn</l><lb/> <l>Beigelegt im Glauben?</l> </lg><lb/> <p>Aber es war anders beſtimmt. Die Freudigkeit des Gemüths<lb/> ſollt’ ihm nicht <hi rendition="#g">zufallen</hi>, er ſollte ſie ſich erringen in immer<lb/> ſchwerer werdenden Kämpfen. Ein Töchterlein, das ihm geboren<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [276/0292]
darum hin“, und der fromme P. Gerhardt, der wohl wiſſen
mochte, wie ſeine Gemeinde daran hing, trachtete jetzt danach,
der ſchönen alten Melodie tiefere Textesworte zu Grunde zu legen.
So entſtand das „Abendlied“:
Nun ruhen alle Wälder,
Vieh, Menſchen, Städt’ und Felder,
Es ſchläft die ganze Welt —
jenes Muſterſtück einfachen Ausdrucks und lyriſcher Stimmung, das
durch einzelne daran anknüpfende Spöttereien (z. B. die ganze
Welt könne nie ſchlafen, weil die Antipoden Tag hätten, wenn
wir zur Ruhe gingen) an Volksthümlichkeit nur noch gewonnen hat.
Glaub’ und Liebe richteten ihn wohl auf, wenn die Kümmer-
niſſe des Lebens ihn niederdrücken wollten, aber ein Gefühl der
Einſamkeit blieb ihm, und ſein Herz ſehnte ſich nach Genoſſenſchaft,
nach einem Herd. Im vierten Jahre ſeines Amts bewarb er ſich
um die Hand Maria Bertholds, der älteſten Tochter jenes from-
men Hauſes, in dem er ſo viele Jahre glücklich geweſen war, und
Probſt Vehr von St. Nicolai, der beide ſeit lange gekannt und
geliebt hatte, legte beider Hände ineinander. Um die Mitte
Februar 1655 zog Maria Berthold in die Mittenwalder Probſtei-
wohnung ein.
Innige Liebe hatte das Band geſchloſſen und Paul Gerhardt
glaubte nun den Segen um ſich zu haben, der alle böſen Geiſter
von ſeiner Schwelle fernhalten würde. Neu gekräftigt in ſeinem
Glauben und neu geſtimmt zur Dankbarkeit, war es um dieſe
Zeit wohl, daß er den hohen Freudenſang anſtimmte:
Warum ſollt’ ich mich denn grämen?
Hab’ ich doch
Chriſtum noch,
Wer will mir den nehmen?
Wer will mir den Himmel rauben,
Den mir ſchon
Gottes Sohn
Beigelegt im Glauben?
Aber es war anders beſtimmt. Die Freudigkeit des Gemüths
ſollt’ ihm nicht zufallen, er ſollte ſie ſich erringen in immer
ſchwerer werdenden Kämpfen. Ein Töchterlein, das ihm geboren
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