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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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jetzigen Stadt, auf der westlichen Feldmark derselben gelegen war.
Und in der That, unter Wiesen- und Ackerland finden sich an
dieser Stelle noch allerlei Steinfundamente vor, und während das
Auge des Fremden über Felder und Schläge zu blicken glaubt,
sprechen die Mittenwalder vom "Vogelsang", vom "Pennigsberg",
vom "Burgwall" etc., als ob all diese Dinge noch sichtbarlich
vor ihnen stünden.

Daß hier früher und zwar in einem enggezogenen Halbkreis
um die jetzige Stadt her ein anderes Mittenwalde stand, scheint
unzweifelhaft. Es finden sich beispielsweis allerlei Münzen am
"Pfennigsberg," und als Ende der 50er Jahre Canalbauten und
Erdarbeiten am "Burgwall" zur Ausführung kamen, stieß man auf
Eichenbohlen, die wohl drei Fuß hoch mit Feldsteinen überschüttet
waren. Ersichtlich ein Damm, der früher -- mitten durch den
Sumpf hindurch -- erst nach dem Burg-wall und von diesem
aus nach der inmitten desselben gelegenen Burg führte.

So die Traditionen, und so das Thatsächliche, das jene
Traditionen unterstützt. Aber so gewiß dadurch der Beweis ge-
führt ist, daß auf der westlichen Feldmark ein anderer längst
untergegangener Ort existirte, so wenig ist dadurch bewiesen,
welcher Art der Ort war und in welchem Verhältniß er
zu der Burg und dem Pennigsberge stand. Wie verhielt es
sich damit? War die Burg ein Schutz der Stadt oder umgekehrt
ein Trutz derselben? Waren Stadt und Burg wendisch oder
waren sie deutsch? Befehdeten sie einen gemeinschaftlichen Feind,
oder befehdeten sie sich untereinander? Alle diese Fragen drängen
sich auf, ohne daß eine Lösung bisher gefunden wäre. Die Tra-
dition scheint geneigt, einen alten Wendenort anzunehmen, der in-
mitten des "Burgwalls" seine Burg und auf dem "Pennigsberg"
seine Begräbnißstätte hatte. Bevor Besseres geboten ist, ist
es vielleicht am besten, dabei zu verharren. Ausgrabungen auf
dem westlichen Stadtfelde würden gewiß zu wirklichen Aufschlüssen
führen, aber diese Ausgrabungen werden in unbegreiflicher Weise
vernachlässigt. Die Communen entbehren in der Regel des nöthigen
Interesses und unsere Vereine der nöthigen Mittel.

Indessen lassen wir das vorgeschichtliche Mittenwalde und wenden
wir uns lieber dem mittelalterlichen zu, das, aller Verheerungen unge-

jetzigen Stadt, auf der weſtlichen Feldmark derſelben gelegen war.
Und in der That, unter Wieſen- und Ackerland finden ſich an
dieſer Stelle noch allerlei Steinfundamente vor, und während das
Auge des Fremden über Felder und Schläge zu blicken glaubt,
ſprechen die Mittenwalder vom „Vogelſang“, vom „Pennigsberg“,
vom „Burgwall“ ꝛc., als ob all dieſe Dinge noch ſichtbarlich
vor ihnen ſtünden.

Daß hier früher und zwar in einem enggezogenen Halbkreis
um die jetzige Stadt her ein anderes Mittenwalde ſtand, ſcheint
unzweifelhaft. Es finden ſich beiſpielsweis allerlei Münzen am
„Pfennigsberg,“ und als Ende der 50er Jahre Canalbauten und
Erdarbeiten am „Burgwall“ zur Ausführung kamen, ſtieß man auf
Eichenbohlen, die wohl drei Fuß hoch mit Feldſteinen überſchüttet
waren. Erſichtlich ein Damm, der früher — mitten durch den
Sumpf hindurch — erſt nach dem Burg-wall und von dieſem
aus nach der inmitten deſſelben gelegenen Burg führte.

So die Traditionen, und ſo das Thatſächliche, das jene
Traditionen unterſtützt. Aber ſo gewiß dadurch der Beweis ge-
führt iſt, daß auf der weſtlichen Feldmark ein anderer längſt
untergegangener Ort exiſtirte, ſo wenig iſt dadurch bewieſen,
welcher Art der Ort war und in welchem Verhältniß er
zu der Burg und dem Pennigsberge ſtand. Wie verhielt es
ſich damit? War die Burg ein Schutz der Stadt oder umgekehrt
ein Trutz derſelben? Waren Stadt und Burg wendiſch oder
waren ſie deutſch? Befehdeten ſie einen gemeinſchaftlichen Feind,
oder befehdeten ſie ſich untereinander? Alle dieſe Fragen drängen
ſich auf, ohne daß eine Löſung bisher gefunden wäre. Die Tra-
dition ſcheint geneigt, einen alten Wendenort anzunehmen, der in-
mitten des „Burgwalls“ ſeine Burg und auf dem „Pennigsberg“
ſeine Begräbnißſtätte hatte. Bevor Beſſeres geboten iſt, iſt
es vielleicht am beſten, dabei zu verharren. Ausgrabungen auf
dem weſtlichen Stadtfelde würden gewiß zu wirklichen Aufſchlüſſen
führen, aber dieſe Ausgrabungen werden in unbegreiflicher Weiſe
vernachläſſigt. Die Communen entbehren in der Regel des nöthigen
Intereſſes und unſere Vereine der nöthigen Mittel.

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wir uns lieber dem mittelalterlichen zu, das, aller Verheerungen unge-

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[271/0287] jetzigen Stadt, auf der weſtlichen Feldmark derſelben gelegen war. Und in der That, unter Wieſen- und Ackerland finden ſich an dieſer Stelle noch allerlei Steinfundamente vor, und während das Auge des Fremden über Felder und Schläge zu blicken glaubt, ſprechen die Mittenwalder vom „Vogelſang“, vom „Pennigsberg“, vom „Burgwall“ ꝛc., als ob all dieſe Dinge noch ſichtbarlich vor ihnen ſtünden. Daß hier früher und zwar in einem enggezogenen Halbkreis um die jetzige Stadt her ein anderes Mittenwalde ſtand, ſcheint unzweifelhaft. Es finden ſich beiſpielsweis allerlei Münzen am „Pfennigsberg,“ und als Ende der 50er Jahre Canalbauten und Erdarbeiten am „Burgwall“ zur Ausführung kamen, ſtieß man auf Eichenbohlen, die wohl drei Fuß hoch mit Feldſteinen überſchüttet waren. Erſichtlich ein Damm, der früher — mitten durch den Sumpf hindurch — erſt nach dem Burg-wall und von dieſem aus nach der inmitten deſſelben gelegenen Burg führte. So die Traditionen, und ſo das Thatſächliche, das jene Traditionen unterſtützt. Aber ſo gewiß dadurch der Beweis ge- führt iſt, daß auf der weſtlichen Feldmark ein anderer längſt untergegangener Ort exiſtirte, ſo wenig iſt dadurch bewieſen, welcher Art der Ort war und in welchem Verhältniß er zu der Burg und dem Pennigsberge ſtand. Wie verhielt es ſich damit? War die Burg ein Schutz der Stadt oder umgekehrt ein Trutz derſelben? Waren Stadt und Burg wendiſch oder waren ſie deutſch? Befehdeten ſie einen gemeinſchaftlichen Feind, oder befehdeten ſie ſich untereinander? Alle dieſe Fragen drängen ſich auf, ohne daß eine Löſung bisher gefunden wäre. Die Tra- dition ſcheint geneigt, einen alten Wendenort anzunehmen, der in- mitten des „Burgwalls“ ſeine Burg und auf dem „Pennigsberg“ ſeine Begräbnißſtätte hatte. Bevor Beſſeres geboten iſt, iſt es vielleicht am beſten, dabei zu verharren. Ausgrabungen auf dem weſtlichen Stadtfelde würden gewiß zu wirklichen Aufſchlüſſen führen, aber dieſe Ausgrabungen werden in unbegreiflicher Weiſe vernachläſſigt. Die Communen entbehren in der Regel des nöthigen Intereſſes und unſere Vereine der nöthigen Mittel. Indeſſen laſſen wir das vorgeſchichtliche Mittenwalde und wenden wir uns lieber dem mittelalterlichen zu, das, aller Verheerungen unge-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/287>, abgerufen am 24.11.2024.