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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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Augenblick an das wirkliche Lebendigsein dieser seiner Figuren
glaubte. So kam es, daß er in dieser Dichtungsart beständig den
bekannten einen Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen that
und uns statt erschütternder Gestalten bloße Karrikaturen vorführte.
Um wenigstens eine Belagsstelle für dies mein Urtheil zu citiren,
laß ich hier die erste Strophe der Spuk-Ballade "Graf Königs-
mark und sein Verwalter" folgen:

Graf Königsmark hatt' irgendwo
In Sachsen an der Saale
Ein Gut, wohin er gern entfloh
Der höfischen Kabale.
Die Wirthschaft dort besorgt ein treuer
Verständiger und frommer Meier.
Dies genüge. Dieselbe Ballade weist übrigens viel schlimmere
Strophen auf. Keine Dichtungsart vielleicht kann die Verwechs-
lung von Einfach-natürlichem mit Hausbacken-pro-
saischem
so wenig ertragen wie die Ballade.

Schmidt von Werneuchen war kein Sonettist und noch weni-
ger ein Minstrel, der es verstanden hätte, bei den Festmahlen
alter Häuptlinge die heroischen Sagen des Clan's zu singen, aber
er war ein Naturbeobachter und Naturbeschreiber trotz einem.
Nicht die Geßner'sche Idylle war seine Stärke, bei den Niederländern
schien er in die Schule gegangen zu sein, und wenn Friedrich
Wilhelm I. einmal ausrufen durfte: "ich hab' ein treu-Holländisch
Herz," so durfte Schmidt von Werneuchen sagen: "ich hab ein
gut-Hollländisch Aug'." Und wirklich, jetzt, wo man es liebt, die
Künstler dadurch zu charakterisiren, daß man sie mit hervorragenden
Erscheinungen einer verwandten Kunst vergleicht, möcht' es gestattet
sein, Schmidt von Werneuchen einen märkischen Adrian von Ostade
zu nennen. Beide haben in "Bauernhochzeiten" excellirt.

Aber diese "Bauernhochzeiten" unsers märkischen Poeten waren
doch, der Gesammtheit seines Schaffens gegenüber, nur die Staf-
fage
; er konnte ein Genremaler sein, wenn ihm der Sinn danach
stand, vor Allem indeß war er ein Landschafter, oft freilich nur
ein grober Realist der die Natur rein äußerlich abschrieb, oft aber
auch ein feinfühliger Künstler, der sich auf die leisesten land-
schaftlichen Stimmungen, auf den Ton und alle seine Nüancen ver-

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Augenblick an das wirkliche Lebendigſein dieſer ſeiner Figuren
glaubte. So kam es, daß er in dieſer Dichtungsart beſtändig den
bekannten einen Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen that
und uns ſtatt erſchütternder Geſtalten bloße Karrikaturen vorführte.
Um wenigſtens eine Belagsſtelle für dies mein Urtheil zu citiren,
laß ich hier die erſte Strophe der Spuk-Ballade „Graf Königs-
mark und ſein Verwalter“ folgen:

Graf Königsmark hatt’ irgendwo
In Sachſen an der Saale
Ein Gut, wohin er gern entfloh
Der höfiſchen Kabale.
Die Wirthſchaft dort beſorgt ein treuer
Verſtändiger und frommer Meier.
Dies genüge. Dieſelbe Ballade weiſt übrigens viel ſchlimmere
Strophen auf. Keine Dichtungsart vielleicht kann die Verwechs-
lung von Einfach-natürlichem mit Hausbacken-pro-
ſaiſchem
ſo wenig ertragen wie die Ballade.

Schmidt von Werneuchen war kein Sonettiſt und noch weni-
ger ein Minſtrel, der es verſtanden hätte, bei den Feſtmahlen
alter Häuptlinge die heroiſchen Sagen des Clan’s zu ſingen, aber
er war ein Naturbeobachter und Naturbeſchreiber trotz einem.
Nicht die Geßner’ſche Idylle war ſeine Stärke, bei den Niederländern
ſchien er in die Schule gegangen zu ſein, und wenn Friedrich
Wilhelm I. einmal ausrufen durfte: „ich hab’ ein treu-Holländiſch
Herz,“ ſo durfte Schmidt von Werneuchen ſagen: „ich hab ein
gut-Hollländiſch Aug’.“ Und wirklich, jetzt, wo man es liebt, die
Künſtler dadurch zu charakteriſiren, daß man ſie mit hervorragenden
Erſcheinungen einer verwandten Kunſt vergleicht, möcht’ es geſtattet
ſein, Schmidt von Werneuchen einen märkiſchen Adrian von Oſtade
zu nennen. Beide haben in „Bauernhochzeiten“ excellirt.

Aber dieſe „Bauernhochzeiten“ unſers märkiſchen Poeten waren
doch, der Geſammtheit ſeines Schaffens gegenüber, nur die Staf-
fage
; er konnte ein Genremaler ſein, wenn ihm der Sinn danach
ſtand, vor Allem indeß war er ein Landſchafter, oft freilich nur
ein grober Realiſt der die Natur rein äußerlich abſchrieb, oft aber
auch ein feinfühliger Künſtler, der ſich auf die leiſeſten land-
ſchaftlichen Stimmungen, auf den Ton und alle ſeine Nüancen ver-

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[227/0243] Augenblick an das wirkliche Lebendigſein dieſer ſeiner Figuren glaubte. So kam es, daß er in dieſer Dichtungsart beſtändig den bekannten einen Schritt vom Erhabenen zum Lächerlichen that und uns ſtatt erſchütternder Geſtalten bloße Karrikaturen vorführte. Um wenigſtens eine Belagsſtelle für dies mein Urtheil zu citiren, laß ich hier die erſte Strophe der Spuk-Ballade „Graf Königs- mark und ſein Verwalter“ folgen: Graf Königsmark hatt’ irgendwo In Sachſen an der Saale Ein Gut, wohin er gern entfloh Der höfiſchen Kabale. Die Wirthſchaft dort beſorgt ein treuer Verſtändiger und frommer Meier. Dies genüge. Dieſelbe Ballade weiſt übrigens viel ſchlimmere Strophen auf. Keine Dichtungsart vielleicht kann die Verwechs- lung von Einfach-natürlichem mit Hausbacken-pro- ſaiſchem ſo wenig ertragen wie die Ballade. Schmidt von Werneuchen war kein Sonettiſt und noch weni- ger ein Minſtrel, der es verſtanden hätte, bei den Feſtmahlen alter Häuptlinge die heroiſchen Sagen des Clan’s zu ſingen, aber er war ein Naturbeobachter und Naturbeſchreiber trotz einem. Nicht die Geßner’ſche Idylle war ſeine Stärke, bei den Niederländern ſchien er in die Schule gegangen zu ſein, und wenn Friedrich Wilhelm I. einmal ausrufen durfte: „ich hab’ ein treu-Holländiſch Herz,“ ſo durfte Schmidt von Werneuchen ſagen: „ich hab ein gut-Hollländiſch Aug’.“ Und wirklich, jetzt, wo man es liebt, die Künſtler dadurch zu charakteriſiren, daß man ſie mit hervorragenden Erſcheinungen einer verwandten Kunſt vergleicht, möcht’ es geſtattet ſein, Schmidt von Werneuchen einen märkiſchen Adrian von Oſtade zu nennen. Beide haben in „Bauernhochzeiten“ excellirt. Aber dieſe „Bauernhochzeiten“ unſers märkiſchen Poeten waren doch, der Geſammtheit ſeines Schaffens gegenüber, nur die Staf- fage; er konnte ein Genremaler ſein, wenn ihm der Sinn danach ſtand, vor Allem indeß war er ein Landſchafter, oft freilich nur ein grober Realiſt der die Natur rein äußerlich abſchrieb, oft aber auch ein feinfühliger Künſtler, der ſich auf die leiſeſten land- ſchaftlichen Stimmungen, auf den Ton und alle ſeine Nüancen ver- 15*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/243>, abgerufen am 23.11.2024.