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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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zogen und nur einmal noch fährt die Schirmkrücke mit einem
energischen "sitz gerade," in den Rücken des linken Jungen. In
demselben Augenblick aber wo der Getroffene zusammenfährt, hält
auch der Wagen schon vor der Werneuchener Pfarre.

Von unserm Versteck her haben wir Zeit das Haus zu
mustern. Es ist ein Fachwerkbau mit gelbem Anstrich und kleinen
Fenstern, sein einziger Schmuck der geräumige Vordergiebel und
ein paar alte Kastanienbäume, deren hohe Kronen das ganze Haus
in Schutz zu nehmen scheinen. Die Hausthüre steht offen und gönnt
einen Blick auf den kühlen fliesengedeckten Flur; aber Niemand
erscheint auf ihm um die Gäste willkommen zu heißen. Die beiden
Jungen haben endlich das Terrain recognoscirt und kommen mit
einer barfüßigen alten Frau zurück, die sie hinten im Garten mit
Unkrautjäten beschäftigt fanden. In ziemlich dienstlichem Tone
poltert der Amtsactuarius ein paar seiner Fragen heraus; aber
bald ergiebt sich's, daß die Jätefrau taub ist und es am ge-
rathensten sein dürfte, die Gesammtkosten der Unterhaltung ihr
zuzuschieben. "Alles ausgeflogen .. Alles in'n Wald .. Ulekens
Geburtstag." Diese Worte genügen völlig. Unser Amtsactuarius ist
lange genug in dem Werneuchener Pfarrhaus aus- und einge-
gangen, um zu wissen wo der Pfarrer seine Lieblingsplätze hat
und der Alten zum Zeichen völligen Eingeweihtseins einen kurzen
Gruß zunickend, läßt er im nächsten Augenblicke weiter traben.
Als der Wagen etwas heftig anrückt, fall' ich nach hinten über
und stoße so stark an die Janitschar, daß sämmtliche Glocken
zu klingen anfangen. Aber Alles ist bereits in solcher Aufregung,
daß Niemand mehr darauf achtet, welcher Mittagsspuk da hinten
sein Wesen treibt.

Bis zum Gamen-Grund ist eine halbe Stunde. Wir sind
eben in den Fahrweg eingebogen, der nach Freienwalde hin ab-
zweigt, und halten alsbald an einem Waldpfade, den wir in seinen
Windungen durch das Gehölz hin deutlich verfolgen können. Quellen
sickern im Moos. Elsen und anderes Laubholz mischt sich unter
die Tannen und erfrischende Kühle weht uns an.

"O, da singen sie schon. Wußt' ich doch, daß wir sie finden
würden" -- mit diesen Worten, die fast wie Selbstgratulation

zogen und nur einmal noch fährt die Schirmkrücke mit einem
energiſchen „ſitz gerade,“ in den Rücken des linken Jungen. In
demſelben Augenblick aber wo der Getroffene zuſammenfährt, hält
auch der Wagen ſchon vor der Werneuchener Pfarre.

Von unſerm Verſteck her haben wir Zeit das Haus zu
muſtern. Es iſt ein Fachwerkbau mit gelbem Anſtrich und kleinen
Fenſtern, ſein einziger Schmuck der geräumige Vordergiebel und
ein paar alte Kaſtanienbäume, deren hohe Kronen das ganze Haus
in Schutz zu nehmen ſcheinen. Die Hausthüre ſteht offen und gönnt
einen Blick auf den kühlen flieſengedeckten Flur; aber Niemand
erſcheint auf ihm um die Gäſte willkommen zu heißen. Die beiden
Jungen haben endlich das Terrain recognoscirt und kommen mit
einer barfüßigen alten Frau zurück, die ſie hinten im Garten mit
Unkrautjäten beſchäftigt fanden. In ziemlich dienſtlichem Tone
poltert der Amtsactuarius ein paar ſeiner Fragen heraus; aber
bald ergiebt ſich’s, daß die Jätefrau taub iſt und es am ge-
rathenſten ſein dürfte, die Geſammtkoſten der Unterhaltung ihr
zuzuſchieben. „Alles ausgeflogen .. Alles in’n Wald .. Ulekens
Geburtstag.“ Dieſe Worte genügen völlig. Unſer Amtsactuarius iſt
lange genug in dem Werneuchener Pfarrhaus aus- und einge-
gangen, um zu wiſſen wo der Pfarrer ſeine Lieblingsplätze hat
und der Alten zum Zeichen völligen Eingeweihtſeins einen kurzen
Gruß zunickend, läßt er im nächſten Augenblicke weiter traben.
Als der Wagen etwas heftig anrückt, fall’ ich nach hinten über
und ſtoße ſo ſtark an die Janitſchar, daß ſämmtliche Glocken
zu klingen anfangen. Aber Alles iſt bereits in ſolcher Aufregung,
daß Niemand mehr darauf achtet, welcher Mittagsſpuk da hinten
ſein Weſen treibt.

Bis zum Gamen-Grund iſt eine halbe Stunde. Wir ſind
eben in den Fahrweg eingebogen, der nach Freienwalde hin ab-
zweigt, und halten alsbald an einem Waldpfade, den wir in ſeinen
Windungen durch das Gehölz hin deutlich verfolgen können. Quellen
ſickern im Moos. Elſen und anderes Laubholz miſcht ſich unter
die Tannen und erfriſchende Kühle weht uns an.

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würden“ — mit dieſen Worten, die faſt wie Selbſtgratulation

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[216/0232] zogen und nur einmal noch fährt die Schirmkrücke mit einem energiſchen „ſitz gerade,“ in den Rücken des linken Jungen. In demſelben Augenblick aber wo der Getroffene zuſammenfährt, hält auch der Wagen ſchon vor der Werneuchener Pfarre. Von unſerm Verſteck her haben wir Zeit das Haus zu muſtern. Es iſt ein Fachwerkbau mit gelbem Anſtrich und kleinen Fenſtern, ſein einziger Schmuck der geräumige Vordergiebel und ein paar alte Kaſtanienbäume, deren hohe Kronen das ganze Haus in Schutz zu nehmen ſcheinen. Die Hausthüre ſteht offen und gönnt einen Blick auf den kühlen flieſengedeckten Flur; aber Niemand erſcheint auf ihm um die Gäſte willkommen zu heißen. Die beiden Jungen haben endlich das Terrain recognoscirt und kommen mit einer barfüßigen alten Frau zurück, die ſie hinten im Garten mit Unkrautjäten beſchäftigt fanden. In ziemlich dienſtlichem Tone poltert der Amtsactuarius ein paar ſeiner Fragen heraus; aber bald ergiebt ſich’s, daß die Jätefrau taub iſt und es am ge- rathenſten ſein dürfte, die Geſammtkoſten der Unterhaltung ihr zuzuſchieben. „Alles ausgeflogen .. Alles in’n Wald .. Ulekens Geburtstag.“ Dieſe Worte genügen völlig. Unſer Amtsactuarius iſt lange genug in dem Werneuchener Pfarrhaus aus- und einge- gangen, um zu wiſſen wo der Pfarrer ſeine Lieblingsplätze hat und der Alten zum Zeichen völligen Eingeweihtſeins einen kurzen Gruß zunickend, läßt er im nächſten Augenblicke weiter traben. Als der Wagen etwas heftig anrückt, fall’ ich nach hinten über und ſtoße ſo ſtark an die Janitſchar, daß ſämmtliche Glocken zu klingen anfangen. Aber Alles iſt bereits in ſolcher Aufregung, daß Niemand mehr darauf achtet, welcher Mittagsſpuk da hinten ſein Weſen treibt. Bis zum Gamen-Grund iſt eine halbe Stunde. Wir ſind eben in den Fahrweg eingebogen, der nach Freienwalde hin ab- zweigt, und halten alsbald an einem Waldpfade, den wir in ſeinen Windungen durch das Gehölz hin deutlich verfolgen können. Quellen ſickern im Moos. Elſen und anderes Laubholz miſcht ſich unter die Tannen und erfriſchende Kühle weht uns an. „O, da ſingen ſie ſchon. Wußt’ ich doch, daß wir ſie finden würden“ — mit dieſen Worten, die faſt wie Selbſtgratulation

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/232>, abgerufen am 27.11.2024.