Embonpoint sie siegreich schützte gegen die verrätherische Furchen- schrift einer beginnenden Funfzigerin und deren lang herabhängende dunkle Locken noch den Vorsatz der Trägerin aussprechen, nicht alt sein zu wollen.
Ihr Kostüm erinnert vielfach an unsre heutige Mode. Das Kleid ist weit ausgeschnitten, aber ein reiches Kantenhemd umschließt den Nacken bis hoch herauf, und allerhand Borten und Schnüre ziehen sich decent über den gestickten Brustlatz hin. Die Aermel sind kurz und weit und überdecken kaum zur Hälfte den reichen Unterärmel von Brüsseler Spitzen. Der Gesichtsaus- druck entspricht dem einer selbstbewußten, herrschgewohnten Frau, deren natürliche Gutmüthigkeit sich gegen die Regungen des Stolzes eben so sehr wie gegen die harten Schläge des Schicksals behauptet hat. An diesen war kein Mangel gewesen. Wenn das Leben ihres Vaters Gegensätze geboten hatte, so bot das ihre deren mehr. Sie hatte Tage seltenen Glückes gesehen, aber auch Tage tiefen Falls. Ihr Ehgemahl, eine genialische Natur, halb Held, halb Libertin, hatte sich nicht begnügt, wie ihr Vater, der Kanzler, als erster Diener neben dem Thron seines Fürsten zu stehn, er war, eine Zeitlang wenigstens, seines Herren Herr ge- wesen, und daß er es unausgesetzt hatte bleiben wollen, das hatte ihn gestürzt. Was Kurfürst Friedrich Wilhelm ertragen konnte, als er, fast ein Knabe noch, in's Land kam, in ein Land, das ihm der schlaue Muth Konrad von Burgsdorfs erst schrittweis erschließen mußte, das mußte nothwendig zur Verstimmung und endlich zum Bruche führen, als der jugendliche Fürst "der große Kurfürst" zu werden begann. Der kluge Günstling, der so Vieles sah, sah diesen Wechsel nicht, wollt ihn nicht sehen, und an diesem Irrthum oder Eigensinn ging er zu Grunde. Seine Gegner hatten leichtes Spiel. Die Wüstheit seines Lebens kam ihnen zu Hülfe, und die Ver- bannung vom Hofe ward ausgesprochen. Er ging nach Blum- berg. Aber der Haß seiner Feinde schwieg auch jetzt noch nicht. Man bangte vor seiner Rückkehr, und hundert geschäftige Zungen erinnerten immer wieder daran "daß der eben gestürzte Günstling 18 Maß Wein tagtäglich bei Tafel getrunken habe, zugleich auch ein gewaltiger Courmacher und Serenadenbringer gewesen sei." Man wußte wohl, was man that, daß man gerad' an diese Dinge
Embonpoint ſie ſiegreich ſchützte gegen die verrätheriſche Furchen- ſchrift einer beginnenden Funfzigerin und deren lang herabhängende dunkle Locken noch den Vorſatz der Trägerin ausſprechen, nicht alt ſein zu wollen.
Ihr Koſtüm erinnert vielfach an unſre heutige Mode. Das Kleid iſt weit ausgeſchnitten, aber ein reiches Kantenhemd umſchließt den Nacken bis hoch herauf, und allerhand Borten und Schnüre ziehen ſich decent über den geſtickten Bruſtlatz hin. Die Aermel ſind kurz und weit und überdecken kaum zur Hälfte den reichen Unterärmel von Brüſſeler Spitzen. Der Geſichtsaus- druck entſpricht dem einer ſelbſtbewußten, herrſchgewohnten Frau, deren natürliche Gutmüthigkeit ſich gegen die Regungen des Stolzes eben ſo ſehr wie gegen die harten Schläge des Schickſals behauptet hat. An dieſen war kein Mangel geweſen. Wenn das Leben ihres Vaters Gegenſätze geboten hatte, ſo bot das ihre deren mehr. Sie hatte Tage ſeltenen Glückes geſehen, aber auch Tage tiefen Falls. Ihr Ehgemahl, eine genialiſche Natur, halb Held, halb Libertin, hatte ſich nicht begnügt, wie ihr Vater, der Kanzler, als erſter Diener neben dem Thron ſeines Fürſten zu ſtehn, er war, eine Zeitlang wenigſtens, ſeines Herren Herr ge- weſen, und daß er es unausgeſetzt hatte bleiben wollen, das hatte ihn geſtürzt. Was Kurfürſt Friedrich Wilhelm ertragen konnte, als er, faſt ein Knabe noch, in’s Land kam, in ein Land, das ihm der ſchlaue Muth Konrad von Burgsdorfs erſt ſchrittweis erſchließen mußte, das mußte nothwendig zur Verſtimmung und endlich zum Bruche führen, als der jugendliche Fürſt „der große Kurfürſt“ zu werden begann. Der kluge Günſtling, der ſo Vieles ſah, ſah dieſen Wechſel nicht, wollt ihn nicht ſehen, und an dieſem Irrthum oder Eigenſinn ging er zu Grunde. Seine Gegner hatten leichtes Spiel. Die Wüſtheit ſeines Lebens kam ihnen zu Hülfe, und die Ver- bannung vom Hofe ward ausgeſprochen. Er ging nach Blum- berg. Aber der Haß ſeiner Feinde ſchwieg auch jetzt noch nicht. Man bangte vor ſeiner Rückkehr, und hundert geſchäftige Zungen erinnerten immer wieder daran „daß der eben geſtürzte Günſtling 18 Maß Wein tagtäglich bei Tafel getrunken habe, zugleich auch ein gewaltiger Courmacher und Serenadenbringer geweſen ſei.“ Man wußte wohl, was man that, daß man gerad’ an dieſe Dinge
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Embonpoint ſie ſiegreich ſchützte gegen die verrätheriſche Furchen-
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dunkle Locken noch den Vorſatz der Trägerin ausſprechen, nicht alt
ſein zu wollen.
Ihr Koſtüm erinnert vielfach an unſre heutige Mode.
Das Kleid iſt weit ausgeſchnitten, aber ein reiches Kantenhemd
umſchließt den Nacken bis hoch herauf, und allerhand Borten
und Schnüre ziehen ſich decent über den geſtickten Bruſtlatz hin.
Die Aermel ſind kurz und weit und überdecken kaum zur Hälfte
den reichen Unterärmel von Brüſſeler Spitzen. Der Geſichtsaus-
druck entſpricht dem einer ſelbſtbewußten, herrſchgewohnten Frau,
deren natürliche Gutmüthigkeit ſich gegen die Regungen des Stolzes
eben ſo ſehr wie gegen die harten Schläge des Schickſals behauptet
hat. An dieſen war kein Mangel geweſen. Wenn das Leben
ihres Vaters Gegenſätze geboten hatte, ſo bot das ihre deren
mehr. Sie hatte Tage ſeltenen Glückes geſehen, aber auch Tage
tiefen Falls. Ihr Ehgemahl, eine genialiſche Natur, halb Held,
halb Libertin, hatte ſich nicht begnügt, wie ihr Vater, der
Kanzler, als erſter Diener neben dem Thron ſeines Fürſten zu
ſtehn, er war, eine Zeitlang wenigſtens, ſeines Herren Herr ge-
weſen, und daß er es unausgeſetzt hatte bleiben wollen, das hatte
ihn geſtürzt. Was Kurfürſt Friedrich Wilhelm ertragen konnte, als
er, faſt ein Knabe noch, in’s Land kam, in ein Land, das ihm der
ſchlaue Muth Konrad von Burgsdorfs erſt ſchrittweis erſchließen
mußte, das mußte nothwendig zur Verſtimmung und endlich zum
Bruche führen, als der jugendliche Fürſt „der große Kurfürſt“ zu
werden begann. Der kluge Günſtling, der ſo Vieles ſah, ſah dieſen
Wechſel nicht, wollt ihn nicht ſehen, und an dieſem Irrthum oder
Eigenſinn ging er zu Grunde. Seine Gegner hatten leichtes Spiel.
Die Wüſtheit ſeines Lebens kam ihnen zu Hülfe, und die Ver-
bannung vom Hofe ward ausgeſprochen. Er ging nach Blum-
berg. Aber der Haß ſeiner Feinde ſchwieg auch jetzt noch nicht.
Man bangte vor ſeiner Rückkehr, und hundert geſchäftige Zungen
erinnerten immer wieder daran „daß der eben geſtürzte Günſtling
18 Maß Wein tagtäglich bei Tafel getrunken habe, zugleich auch ein
gewaltiger Courmacher und Serenadenbringer geweſen ſei.“ Man
wußte wohl, was man that, daß man gerad’ an dieſe Dinge
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/213>, abgerufen am 25.11.2024.
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