seitdem in der Familie gehegt und gepflegt wurde, mag dahingestellt bleiben, unser alter Kanzler aber war jedenfalls in so weit seines Ur-Ahnen werth, als er manchen guten Zug auf dem diplomatischen Schachbrett zu thun wußte. Dabei liebte er ehrlich Spiel, keine Finten und Hinterhalte. Der Kurfürst setzte ein unbegrenztes Vertrauen in seine Klugheit und Redlichkeit, und als die Gründung eines per- manenten "Geheimen Rathes"*) für nöthig erachtet wurde -- die nächste Veranlassung dazu gab eine längere Anwesenheit des Kurfürsten im Herzogthume Preußen -- war es selbstverständlich, daß Johann von Loeben als erster Rath in diesen Regentschafts- Körper berufen wurde. Aus diesem damals gegründeten "Gehei- men Rath" ging später der "Staats-Rath" hervor. Johann von Loeben wurde Kanzler bei jungen Jahren und stieg so hoch wie ein Diener steigen mag im Dienst und in der Liebe seines Herrn; aber Leid und Bitterkeit des Lebens erreichten auch ihn. Als er die höchste fürstliche Gnade kennen gelernt hatte, kam Un- gnade über ihn, wie der Dieb in der Nacht. Fast unmittelbar nach Joachim Friedrichs Tode (1609) schied er aus dem Staats- dienst, um "procul negotiis" in Blumberg und seiner Umgebung die Freuden und Leiden glänzenderer Tage zu vergessen. 1629 inmitten der Wirren des 30jährigen Krieges, wurd' er noch ein- mal auf den Schauplatz berufen, um der schwachen und haltlosen Politik George Wilhelms Halt und Richtung zu geben, aber wo keine Kraft der Ausführung war, da wogen der Rath des Weisen und das Wort des Thoren gleich schwer und nach kurzem Ver- weilen am kurfürstliche Hofe zog er sich zum zweiten Mal in die Stille seines Landguts zurück. Nur als Beobachter folgte er noch den Begebenheiten, und die letzten Jahre seines Lebens, im Uebrigen verbittert durch so manche Erfahrung, brachten ihm wenigstens das Eine noch, daß es ihm vergönnt war den Stern
*) Dieser "Geheime Rath" bestand aus 8 Mitgliedern, darunter 3 Dok- toren der Rechte, die, meist auch später noch, aus bürgerlichem Stande ge- nommen wurden. Die 8 Mitglieder waren: Hironymus Graf v. Schlick, Präsident; Johann v. Loeben, Kanzler; von Benkendorf, Vice-Kanzler; Christoph Friedrich von Wallenfels; Hironymus von Dieskau; Friedrich Pruckmann; Simon Ulrich Pistorius; Johann Hübner.
13*
ſeitdem in der Familie gehegt und gepflegt wurde, mag dahingeſtellt bleiben, unſer alter Kanzler aber war jedenfalls in ſo weit ſeines Ur-Ahnen werth, als er manchen guten Zug auf dem diplomatiſchen Schachbrett zu thun wußte. Dabei liebte er ehrlich Spiel, keine Finten und Hinterhalte. Der Kurfürſt ſetzte ein unbegrenztes Vertrauen in ſeine Klugheit und Redlichkeit, und als die Gründung eines per- manenten „Geheimen Rathes“*) für nöthig erachtet wurde — die nächſte Veranlaſſung dazu gab eine längere Anweſenheit des Kurfürſten im Herzogthume Preußen — war es ſelbſtverſtändlich, daß Johann von Loeben als erſter Rath in dieſen Regentſchafts- Körper berufen wurde. Aus dieſem damals gegründeten „Gehei- men Rath“ ging ſpäter der „Staats-Rath“ hervor. Johann von Loeben wurde Kanzler bei jungen Jahren und ſtieg ſo hoch wie ein Diener ſteigen mag im Dienſt und in der Liebe ſeines Herrn; aber Leid und Bitterkeit des Lebens erreichten auch ihn. Als er die höchſte fürſtliche Gnade kennen gelernt hatte, kam Un- gnade über ihn, wie der Dieb in der Nacht. Faſt unmittelbar nach Joachim Friedrichs Tode (1609) ſchied er aus dem Staats- dienſt, um „procul negotiis“ in Blumberg und ſeiner Umgebung die Freuden und Leiden glänzenderer Tage zu vergeſſen. 1629 inmitten der Wirren des 30jährigen Krieges, wurd’ er noch ein- mal auf den Schauplatz berufen, um der ſchwachen und haltloſen Politik George Wilhelms Halt und Richtung zu geben, aber wo keine Kraft der Ausführung war, da wogen der Rath des Weiſen und das Wort des Thoren gleich ſchwer und nach kurzem Ver- weilen am kurfürſtliche Hofe zog er ſich zum zweiten Mal in die Stille ſeines Landguts zurück. Nur als Beobachter folgte er noch den Begebenheiten, und die letzten Jahre ſeines Lebens, im Uebrigen verbittert durch ſo manche Erfahrung, brachten ihm wenigſtens das Eine noch, daß es ihm vergönnt war den Stern
*) Dieſer „Geheime Rath“ beſtand aus 8 Mitgliedern, darunter 3 Dok- toren der Rechte, die, meiſt auch ſpäter noch, aus bürgerlichem Stande ge- nommen wurden. Die 8 Mitglieder waren: Hironymus Graf v. Schlick, Präſident; Johann v. Loeben, Kanzler; von Benkendorf, Vice-Kanzler; Chriſtoph Friedrich von Wallenfels; Hironymus von Dieskau; Friedrich Pruckmann; Simon Ulrich Piſtorius; Johann Hübner.
13*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0211"n="195"/>ſeitdem in der Familie gehegt und gepflegt wurde, mag dahingeſtellt<lb/>
bleiben, unſer alter Kanzler aber war jedenfalls in ſo weit ſeines<lb/>
Ur-Ahnen werth, als er manchen guten Zug auf dem diplomatiſchen<lb/>
Schachbrett zu thun wußte. Dabei liebte er ehrlich Spiel, keine Finten<lb/>
und Hinterhalte. Der Kurfürſt ſetzte ein unbegrenztes Vertrauen in<lb/>ſeine Klugheit und Redlichkeit, und als die Gründung eines <hirendition="#g">per-<lb/>
manenten</hi>„Geheimen Rathes“<noteplace="foot"n="*)">Dieſer „Geheime Rath“ beſtand aus 8 Mitgliedern, darunter 3 Dok-<lb/>
toren der Rechte, die, meiſt auch ſpäter noch, aus bürgerlichem Stande ge-<lb/>
nommen wurden. Die 8 Mitglieder waren: Hironymus Graf v. Schlick,<lb/>
Präſident; Johann v. Loeben, Kanzler; von Benkendorf, Vice-Kanzler; Chriſtoph<lb/>
Friedrich von Wallenfels; Hironymus von Dieskau; Friedrich Pruckmann;<lb/>
Simon Ulrich Piſtorius; Johann Hübner.</note> für nöthig erachtet wurde —<lb/>
die nächſte Veranlaſſung dazu gab eine längere Anweſenheit des<lb/>
Kurfürſten im Herzogthume Preußen — war es ſelbſtverſtändlich,<lb/>
daß Johann von Loeben als erſter Rath in dieſen Regentſchafts-<lb/>
Körper berufen wurde. Aus dieſem damals gegründeten „Gehei-<lb/>
men Rath“ ging ſpäter der „Staats-Rath“ hervor. Johann von<lb/>
Loeben wurde Kanzler bei jungen Jahren und ſtieg ſo hoch<lb/>
wie ein Diener ſteigen mag im Dienſt und in der Liebe ſeines<lb/>
Herrn; aber Leid und Bitterkeit des Lebens erreichten auch <hirendition="#g">ihn</hi>.<lb/>
Als er die höchſte fürſtliche Gnade kennen gelernt hatte, kam Un-<lb/>
gnade über ihn, wie der Dieb in der Nacht. Faſt unmittelbar<lb/>
nach Joachim Friedrichs Tode (1609) ſchied er aus dem Staats-<lb/>
dienſt, um <hirendition="#aq">„procul negotiis“</hi> in Blumberg und ſeiner Umgebung<lb/>
die Freuden und Leiden glänzenderer Tage zu vergeſſen. 1629<lb/>
inmitten der Wirren des 30jährigen Krieges, wurd’ er noch ein-<lb/>
mal auf den Schauplatz berufen, um der ſchwachen und haltloſen<lb/>
Politik George Wilhelms Halt und Richtung zu geben, aber wo<lb/>
keine Kraft der Ausführung war, da wogen der Rath des Weiſen<lb/>
und das Wort des Thoren gleich ſchwer und nach kurzem Ver-<lb/>
weilen am kurfürſtliche Hofe zog er ſich zum zweiten Mal in die<lb/>
Stille ſeines Landguts zurück. Nur als Beobachter folgte er noch<lb/>
den Begebenheiten, und die letzten Jahre ſeines Lebens, im<lb/>
Uebrigen verbittert durch ſo manche Erfahrung, brachten ihm<lb/>
wenigſtens das Eine noch, daß es ihm vergönnt war den Stern<lb/><fwplace="bottom"type="sig">13*</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[195/0211]
ſeitdem in der Familie gehegt und gepflegt wurde, mag dahingeſtellt
bleiben, unſer alter Kanzler aber war jedenfalls in ſo weit ſeines
Ur-Ahnen werth, als er manchen guten Zug auf dem diplomatiſchen
Schachbrett zu thun wußte. Dabei liebte er ehrlich Spiel, keine Finten
und Hinterhalte. Der Kurfürſt ſetzte ein unbegrenztes Vertrauen in
ſeine Klugheit und Redlichkeit, und als die Gründung eines per-
manenten „Geheimen Rathes“ *) für nöthig erachtet wurde —
die nächſte Veranlaſſung dazu gab eine längere Anweſenheit des
Kurfürſten im Herzogthume Preußen — war es ſelbſtverſtändlich,
daß Johann von Loeben als erſter Rath in dieſen Regentſchafts-
Körper berufen wurde. Aus dieſem damals gegründeten „Gehei-
men Rath“ ging ſpäter der „Staats-Rath“ hervor. Johann von
Loeben wurde Kanzler bei jungen Jahren und ſtieg ſo hoch
wie ein Diener ſteigen mag im Dienſt und in der Liebe ſeines
Herrn; aber Leid und Bitterkeit des Lebens erreichten auch ihn.
Als er die höchſte fürſtliche Gnade kennen gelernt hatte, kam Un-
gnade über ihn, wie der Dieb in der Nacht. Faſt unmittelbar
nach Joachim Friedrichs Tode (1609) ſchied er aus dem Staats-
dienſt, um „procul negotiis“ in Blumberg und ſeiner Umgebung
die Freuden und Leiden glänzenderer Tage zu vergeſſen. 1629
inmitten der Wirren des 30jährigen Krieges, wurd’ er noch ein-
mal auf den Schauplatz berufen, um der ſchwachen und haltloſen
Politik George Wilhelms Halt und Richtung zu geben, aber wo
keine Kraft der Ausführung war, da wogen der Rath des Weiſen
und das Wort des Thoren gleich ſchwer und nach kurzem Ver-
weilen am kurfürſtliche Hofe zog er ſich zum zweiten Mal in die
Stille ſeines Landguts zurück. Nur als Beobachter folgte er noch
den Begebenheiten, und die letzten Jahre ſeines Lebens, im
Uebrigen verbittert durch ſo manche Erfahrung, brachten ihm
wenigſtens das Eine noch, daß es ihm vergönnt war den Stern
*) Dieſer „Geheime Rath“ beſtand aus 8 Mitgliedern, darunter 3 Dok-
toren der Rechte, die, meiſt auch ſpäter noch, aus bürgerlichem Stande ge-
nommen wurden. Die 8 Mitglieder waren: Hironymus Graf v. Schlick,
Präſident; Johann v. Loeben, Kanzler; von Benkendorf, Vice-Kanzler; Chriſtoph
Friedrich von Wallenfels; Hironymus von Dieskau; Friedrich Pruckmann;
Simon Ulrich Piſtorius; Johann Hübner.
13*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/211>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.