damals am brandenburgischen Hofe vorkamen, zu den allerschärfsten Erlassen gegen den Zweikampf geführt hatten. Das Duell sollte zu Pferde stattfinden und die Kugeln in möglichster Nähe a tempo gewechselt werden. Der Oberstallmeister ritt an den Freiherrn Truchseß heran und fragte ihn, ob er gesagt habe: er habe ihn (den Poellnitz) coujonirt und keine Satisfaction bekommen können. Truchseß antwortete: "Ja, das habe ich gesagt." Darauf wurden die Pistolen abgefeuert und in Gegenwart der Secundanten frisch geladen. Poellnitz fragte voll Courtoisie: "ob man die Pferde wechseln wolle," was Truchseß ablehnte. Man ritt nun in leb- haftem Schritt an einander heran und schoß auf nächste Distance. Die Kugel des Truchseß streifte den Oberstallmeister über den Bauch, die Kugel des letzteren aber traf den Truchseß tödtlich. Er sank zur Seite und hielt sich mühsam im Sattel. Poellnitz fragte ihn jetzt: "Müsset Ihr nunmehro nicht zugestehen, daß Ihr mir Unrecht gethan und meine Ehre ohne Grund gekränket habt?" worauf Truchseß erwiederte: "Ich hab Euch Unrecht gethan und bitte, daß Ihr mir vergeben wollt." Man nahm den Truchseß aus dem Sattel und legte ihn auf den Rasen. Der Oberstall- meister kniete an seiner Seite nieder und sprach dem Sterbenden aus Gottes Wort christlichen Trost zu, bis er verschied.
Wir verlassen nun die Gruft und treten in die Kirche. Sie zeigt sich geräumig, lichtvoll und von einer Einfachheit, die nach der Ueberladenheit der Facaden angenehm überrascht. Es fehlt aller vergoldete Zierrath, aber das Eichenschnitzwerk an Kanzel und Altar ersetzt ihn mehr als genügend. In der Mitte wölbt sich die Kuppel und nur der Bilderschmuck, den man an dieser Stelle wenigstens versucht hat, hebt die gute Totalwirkung der inneren Kirche zum Theil wieder auf. Ein Moses mit den zwei Sinai- tafeln auf seinen Knien und eine büßende Magdalena, die den Fuß auf Drachen und Todtenkopf setzt, sind Leistungen, die auf eine wenig ruhmreiche Stufe vaterländischer Kunst zurückweisen.
Der Ostflügel bildet einen "hohen Chor". Altar und Kanzel trennen ihn von dem Haupttheile der Kirche völlig ab und nur zwei Treppen zur Rechten und Linken unterhalten die nöthige
damals am brandenburgiſchen Hofe vorkamen, zu den allerſchärfſten Erlaſſen gegen den Zweikampf geführt hatten. Das Duell ſollte zu Pferde ſtattfinden und die Kugeln in möglichſter Nähe a tempo gewechſelt werden. Der Oberſtallmeiſter ritt an den Freiherrn Truchſeß heran und fragte ihn, ob er geſagt habe: er habe ihn (den Poellnitz) coujonirt und keine Satisfaction bekommen können. Truchſeß antwortete: „Ja, das habe ich geſagt.“ Darauf wurden die Piſtolen abgefeuert und in Gegenwart der Secundanten friſch geladen. Poellnitz fragte voll Courtoiſie: „ob man die Pferde wechſeln wolle,“ was Truchſeß ablehnte. Man ritt nun in leb- haftem Schritt an einander heran und ſchoß auf nächſte Diſtance. Die Kugel des Truchſeß ſtreifte den Oberſtallmeiſter über den Bauch, die Kugel des letzteren aber traf den Truchſeß tödtlich. Er ſank zur Seite und hielt ſich mühſam im Sattel. Poellnitz fragte ihn jetzt: „Müſſet Ihr nunmehro nicht zugeſtehen, daß Ihr mir Unrecht gethan und meine Ehre ohne Grund gekränket habt?“ worauf Truchſeß erwiederte: „Ich hab Euch Unrecht gethan und bitte, daß Ihr mir vergeben wollt.“ Man nahm den Truchſeß aus dem Sattel und legte ihn auf den Raſen. Der Oberſtall- meiſter kniete an ſeiner Seite nieder und ſprach dem Sterbenden aus Gottes Wort chriſtlichen Troſt zu, bis er verſchied.
Wir verlaſſen nun die Gruft und treten in die Kirche. Sie zeigt ſich geräumig, lichtvoll und von einer Einfachheit, die nach der Ueberladenheit der Façaden angenehm überraſcht. Es fehlt aller vergoldete Zierrath, aber das Eichenſchnitzwerk an Kanzel und Altar erſetzt ihn mehr als genügend. In der Mitte wölbt ſich die Kuppel und nur der Bilderſchmuck, den man an dieſer Stelle wenigſtens verſucht hat, hebt die gute Totalwirkung der inneren Kirche zum Theil wieder auf. Ein Moſes mit den zwei Sinai- tafeln auf ſeinen Knien und eine büßende Magdalena, die den Fuß auf Drachen und Todtenkopf ſetzt, ſind Leiſtungen, die auf eine wenig ruhmreiche Stufe vaterländiſcher Kunſt zurückweiſen.
Der Oſtflügel bildet einen „hohen Chor“. Altar und Kanzel trennen ihn von dem Haupttheile der Kirche völlig ab und nur zwei Treppen zur Rechten und Linken unterhalten die nöthige
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0190"n="174"/>
damals am brandenburgiſchen Hofe vorkamen, zu den allerſchärfſten<lb/>
Erlaſſen gegen den Zweikampf geführt hatten. Das Duell ſollte<lb/>
zu Pferde ſtattfinden und die Kugeln in möglichſter Nähe <hirendition="#aq">a tempo</hi><lb/>
gewechſelt werden. Der Oberſtallmeiſter ritt an den Freiherrn<lb/>
Truchſeß heran und fragte ihn, ob er geſagt habe: er habe ihn<lb/>
(den Poellnitz) coujonirt und keine Satisfaction bekommen können.<lb/>
Truchſeß antwortete: „Ja, das habe ich geſagt.“ Darauf wurden<lb/>
die Piſtolen abgefeuert und in Gegenwart der Secundanten friſch<lb/>
geladen. Poellnitz fragte voll Courtoiſie: „ob man die Pferde<lb/>
wechſeln wolle,“ was Truchſeß ablehnte. Man ritt nun in leb-<lb/>
haftem Schritt an einander heran und ſchoß auf nächſte Diſtance.<lb/>
Die Kugel des Truchſeß ſtreifte den Oberſtallmeiſter über den<lb/>
Bauch, die Kugel des letzteren aber traf den Truchſeß tödtlich. Er<lb/>ſank zur Seite und hielt ſich mühſam im Sattel. Poellnitz fragte<lb/>
ihn jetzt: „Müſſet Ihr nunmehro nicht zugeſtehen, daß Ihr mir<lb/>
Unrecht gethan und meine Ehre ohne Grund gekränket habt?“<lb/>
worauf Truchſeß erwiederte: „Ich hab Euch Unrecht gethan und<lb/>
bitte, daß Ihr mir vergeben wollt.“ Man nahm den Truchſeß<lb/>
aus dem Sattel und legte ihn auf den Raſen. Der Oberſtall-<lb/>
meiſter kniete an ſeiner Seite nieder und ſprach dem Sterbenden<lb/>
aus Gottes Wort chriſtlichen Troſt zu, bis er verſchied.</p><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><p>Wir verlaſſen nun die Gruft und treten in die Kirche. Sie<lb/>
zeigt ſich geräumig, lichtvoll und von einer Einfachheit, die nach<lb/>
der Ueberladenheit der Fa<hirendition="#aq">ç</hi>aden angenehm überraſcht. Es fehlt aller<lb/>
vergoldete Zierrath, aber das Eichenſchnitzwerk an Kanzel und<lb/>
Altar erſetzt ihn mehr als genügend. In der Mitte wölbt ſich<lb/>
die Kuppel und nur der Bilderſchmuck, den man an <hirendition="#g">dieſer</hi> Stelle<lb/>
wenigſtens verſucht hat, hebt die gute Totalwirkung der <hirendition="#g">inneren</hi><lb/>
Kirche zum Theil wieder auf. Ein Moſes mit den zwei Sinai-<lb/>
tafeln auf ſeinen Knien und eine büßende Magdalena, die den<lb/>
Fuß auf Drachen und Todtenkopf ſetzt, ſind Leiſtungen, die auf<lb/>
eine wenig ruhmreiche Stufe vaterländiſcher Kunſt zurückweiſen.</p><lb/><p>Der Oſtflügel bildet einen „hohen Chor“. Altar und Kanzel<lb/>
trennen ihn von dem Haupttheile der Kirche völlig ab und nur<lb/>
zwei Treppen zur Rechten und Linken unterhalten die nöthige<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[174/0190]
damals am brandenburgiſchen Hofe vorkamen, zu den allerſchärfſten
Erlaſſen gegen den Zweikampf geführt hatten. Das Duell ſollte
zu Pferde ſtattfinden und die Kugeln in möglichſter Nähe a tempo
gewechſelt werden. Der Oberſtallmeiſter ritt an den Freiherrn
Truchſeß heran und fragte ihn, ob er geſagt habe: er habe ihn
(den Poellnitz) coujonirt und keine Satisfaction bekommen können.
Truchſeß antwortete: „Ja, das habe ich geſagt.“ Darauf wurden
die Piſtolen abgefeuert und in Gegenwart der Secundanten friſch
geladen. Poellnitz fragte voll Courtoiſie: „ob man die Pferde
wechſeln wolle,“ was Truchſeß ablehnte. Man ritt nun in leb-
haftem Schritt an einander heran und ſchoß auf nächſte Diſtance.
Die Kugel des Truchſeß ſtreifte den Oberſtallmeiſter über den
Bauch, die Kugel des letzteren aber traf den Truchſeß tödtlich. Er
ſank zur Seite und hielt ſich mühſam im Sattel. Poellnitz fragte
ihn jetzt: „Müſſet Ihr nunmehro nicht zugeſtehen, daß Ihr mir
Unrecht gethan und meine Ehre ohne Grund gekränket habt?“
worauf Truchſeß erwiederte: „Ich hab Euch Unrecht gethan und
bitte, daß Ihr mir vergeben wollt.“ Man nahm den Truchſeß
aus dem Sattel und legte ihn auf den Raſen. Der Oberſtall-
meiſter kniete an ſeiner Seite nieder und ſprach dem Sterbenden
aus Gottes Wort chriſtlichen Troſt zu, bis er verſchied.
Wir verlaſſen nun die Gruft und treten in die Kirche. Sie
zeigt ſich geräumig, lichtvoll und von einer Einfachheit, die nach
der Ueberladenheit der Façaden angenehm überraſcht. Es fehlt aller
vergoldete Zierrath, aber das Eichenſchnitzwerk an Kanzel und
Altar erſetzt ihn mehr als genügend. In der Mitte wölbt ſich
die Kuppel und nur der Bilderſchmuck, den man an dieſer Stelle
wenigſtens verſucht hat, hebt die gute Totalwirkung der inneren
Kirche zum Theil wieder auf. Ein Moſes mit den zwei Sinai-
tafeln auf ſeinen Knien und eine büßende Magdalena, die den
Fuß auf Drachen und Todtenkopf ſetzt, ſind Leiſtungen, die auf
eine wenig ruhmreiche Stufe vaterländiſcher Kunſt zurückweiſen.
Der Oſtflügel bildet einen „hohen Chor“. Altar und Kanzel
trennen ihn von dem Haupttheile der Kirche völlig ab und nur
zwei Treppen zur Rechten und Linken unterhalten die nöthige
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/190>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.