hohe Erker und Altane, vor Allem aber ein paar abgestutzte Eck- thürme an seinen zwei Giebelseiten trägt. Diese West- und Ost- kuppe der Müggelsberge gestatten die weiteste Aussicht in's Land hinein. Besonders die Westkuppe. Ueber den Rücken des Berges hin schreiten wir dieser letzteren zu.
Der Weg führt durch dichtes Gehölz, das wie ein grüner Wandschirm dasteht und nach keiner Seite hin einen Durchblick gestattet. Die Bäume selbst sind noch jung, und nur alle funfzig Schritte begegnen wir einigen halberstorbenen Eichen, von denen es schwer zu sagen ist, was sie vor der Axt des Holzschlägers ge- rettet haben mag, ihr hohes Alter, ihre malerische Schönheit, oder eine abergläubisch-pietätsvolle Rücksicht gegen das Geschlecht der Spechte, die darin wohnen und auf den Müggelsberg-Kuppen in ähnlicher Weise heimisch sind, wie die Raben und Dohlen auf den Kirchthürmen alter Städte. Sie zimmern sich mit geschäftigem Schnabel ihre soliden Nester in das harte Holz und machen, viel- leicht aus Geselligkeitstrieb, jeden einzelnen Stamm zu einer Art Familienhaus. Oft fünfzig Nester in einem Baum. Ueberall huscht es heraus und hinein, pickt und kreischt, und im Vorüber- gehen grüßen wir ein paar alte Spechte, die aus ihren Löchern hervorlugen und neugierig sind zu erfahren, ob Freund oder Feind im Anzuge sei.
So erreichen wir nach kurzem Gang unser Ziel, eine kahle, kreisrunde Plattform. In der Mitte liegen verkohlte Scheite von einem Feuer, das erst gestern gebrannt zu haben scheint; sonst Alles Sand und Kiennadeln und dicht am Abhang eine einzige Distel. Die Kiefern und Fichten, die bis dahin als dichtes Ge- büsch zu beiden Seiten des Weges standen, hier haben sie sich abwärts gezogen und ragen nur noch mit ihren Gipfeln über das Plateau hinweg. In einem Riesenkranze von dunklen Nadeln be- wegt sich's um uns her und nur eine einzige Kiefer, ein schlanker, hellrother Stamm, der stolz wie eine Pinie dasteht, ragt noch hoch auf, als ob es ein Flaggenstock wär', und streckt seine grüne Krone wie ein Wahrzeichen weit in's Land hinein.
Wir lehnen uns an den Stamm des schönen Baumes und blicken westlich auf die Bilder modernen Lebens und lachender Gegenwart. Aus der Sand- und Sumpfwüste früherer Jahr-
hohe Erker und Altane, vor Allem aber ein paar abgeſtutzte Eck- thürme an ſeinen zwei Giebelſeiten trägt. Dieſe Weſt- und Oſt- kuppe der Müggelsberge geſtatten die weiteſte Ausſicht in’s Land hinein. Beſonders die Weſtkuppe. Ueber den Rücken des Berges hin ſchreiten wir dieſer letzteren zu.
Der Weg führt durch dichtes Gehölz, das wie ein grüner Wandſchirm daſteht und nach keiner Seite hin einen Durchblick geſtattet. Die Bäume ſelbſt ſind noch jung, und nur alle funfzig Schritte begegnen wir einigen halberſtorbenen Eichen, von denen es ſchwer zu ſagen iſt, was ſie vor der Axt des Holzſchlägers ge- rettet haben mag, ihr hohes Alter, ihre maleriſche Schönheit, oder eine abergläubiſch-pietätsvolle Rückſicht gegen das Geſchlecht der Spechte, die darin wohnen und auf den Müggelsberg-Kuppen in ähnlicher Weiſe heimiſch ſind, wie die Raben und Dohlen auf den Kirchthürmen alter Städte. Sie zimmern ſich mit geſchäftigem Schnabel ihre ſoliden Neſter in das harte Holz und machen, viel- leicht aus Geſelligkeitstrieb, jeden einzelnen Stamm zu einer Art Familienhaus. Oft fünfzig Neſter in einem Baum. Ueberall huſcht es heraus und hinein, pickt und kreiſcht, und im Vorüber- gehen grüßen wir ein paar alte Spechte, die aus ihren Löchern hervorlugen und neugierig ſind zu erfahren, ob Freund oder Feind im Anzuge ſei.
So erreichen wir nach kurzem Gang unſer Ziel, eine kahle, kreisrunde Plattform. In der Mitte liegen verkohlte Scheite von einem Feuer, das erſt geſtern gebrannt zu haben ſcheint; ſonſt Alles Sand und Kiennadeln und dicht am Abhang eine einzige Diſtel. Die Kiefern und Fichten, die bis dahin als dichtes Ge- büſch zu beiden Seiten des Weges ſtanden, hier haben ſie ſich abwärts gezogen und ragen nur noch mit ihren Gipfeln über das Plateau hinweg. In einem Rieſenkranze von dunklen Nadeln be- wegt ſich’s um uns her und nur eine einzige Kiefer, ein ſchlanker, hellrother Stamm, der ſtolz wie eine Pinie daſteht, ragt noch hoch auf, als ob es ein Flaggenſtock wär’, und ſtreckt ſeine grüne Krone wie ein Wahrzeichen weit in’s Land hinein.
Wir lehnen uns an den Stamm des ſchönen Baumes und blicken weſtlich auf die Bilder modernen Lebens und lachender Gegenwart. Aus der Sand- und Sumpfwüſte früherer Jahr-
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hohe Erker und Altane, vor Allem aber ein paar abgeſtutzte Eck-
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kuppe der Müggelsberge geſtatten die weiteſte Ausſicht in’s Land
hinein. Beſonders die Weſtkuppe. Ueber den Rücken des Berges
hin ſchreiten wir dieſer letzteren zu.
Der Weg führt durch dichtes Gehölz, das wie ein grüner
Wandſchirm daſteht und nach keiner Seite hin einen Durchblick
geſtattet. Die Bäume ſelbſt ſind noch jung, und nur alle funfzig
Schritte begegnen wir einigen halberſtorbenen Eichen, von denen
es ſchwer zu ſagen iſt, was ſie vor der Axt des Holzſchlägers ge-
rettet haben mag, ihr hohes Alter, ihre maleriſche Schönheit, oder
eine abergläubiſch-pietätsvolle Rückſicht gegen das Geſchlecht der
Spechte, die darin wohnen und auf den Müggelsberg-Kuppen in
ähnlicher Weiſe heimiſch ſind, wie die Raben und Dohlen auf den
Kirchthürmen alter Städte. Sie zimmern ſich mit geſchäftigem
Schnabel ihre ſoliden Neſter in das harte Holz und machen, viel-
leicht aus Geſelligkeitstrieb, jeden einzelnen Stamm zu einer Art
Familienhaus. Oft fünfzig Neſter in einem Baum. Ueberall
huſcht es heraus und hinein, pickt und kreiſcht, und im Vorüber-
gehen grüßen wir ein paar alte Spechte, die aus ihren Löchern
hervorlugen und neugierig ſind zu erfahren, ob Freund oder Feind
im Anzuge ſei.
So erreichen wir nach kurzem Gang unſer Ziel, eine kahle,
kreisrunde Plattform. In der Mitte liegen verkohlte Scheite von
einem Feuer, das erſt geſtern gebrannt zu haben ſcheint; ſonſt
Alles Sand und Kiennadeln und dicht am Abhang eine einzige
Diſtel. Die Kiefern und Fichten, die bis dahin als dichtes Ge-
büſch zu beiden Seiten des Weges ſtanden, hier haben ſie ſich
abwärts gezogen und ragen nur noch mit ihren Gipfeln über das
Plateau hinweg. In einem Rieſenkranze von dunklen Nadeln be-
wegt ſich’s um uns her und nur eine einzige Kiefer, ein ſchlanker,
hellrother Stamm, der ſtolz wie eine Pinie daſteht, ragt noch hoch
auf, als ob es ein Flaggenſtock wär’, und ſtreckt ſeine grüne Krone
wie ein Wahrzeichen weit in’s Land hinein.
Wir lehnen uns an den Stamm des ſchönen Baumes und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/127>, abgerufen am 21.11.2024.
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