Capitain Backhusen hatte früher als seine Gäste den Nachmittags- schlaf abgeschüttelt. Ein paar Commandoworte und die "Sphinx" löste sich leicht und gefällig von der Uferstelle, in deren Schatten sie sechs Stunden geankert hatte. Die Landzungen schoben uns immer neue, von Minute zu Minute prächtiger beleuchtete Cou- lissen in den Weg; in Schängellinien umfuhren wir sie, ein paar geleitgebende Reiher hoch über uns in Lüften. So kamen wir aus der Schmölte in den Hölzernen See.
Alles war bis dahin gut gegangen, und zu endgültiger Be- währung der "Sphinx" fehlte nur noch ein Zwischenfall, ein "Accident". Auch dieser sollte nicht ausbleiben. Kaum in den Hölzernen See, nomen et omen, eingefahren, so saßen wir fest. Aber die Führung unseres Schiffs hätte nicht die sein müssen, die sie war, wenn sie sich in solchem Momente hätte rathlos er- weisen sollen. Capitain Backhusen, mit dem Tubus auslugend, erkannte hinter Schilf und Werft versteckt, in nicht allzuweiter Entfernung ein Brückenwärterhäuschen, an das jetzt Mudy, die Schiffsjolle herablassend, mit der Anfrage deputirt wurde, ob man bereit sei, unseren aus dicken Eisenplatten bestehenden Ballast, auf zwei, drei Tage zu beherbergen. In kürzester Frist war die be- jahende Antwort da, die großen Barren wanderten aus dem Rumpf in die Jolle und nach dreimaliger Fahrt zwischen Schiff und Zollhaus war unsere Sphinx wieder flott und frei. Unter dankbarem Hüteschwenken ging es, eine Viertelstunde später, an dem Brückenzollhaus vorüber. Aber dieses Hüteschwenken genügte uns nicht. Unserer Freude einen lauteren Ausdruck zu geben, holten wir aus der Waffenkammer ein paar Vogelflinten herbei, und auf unendliche Entfernungen hin, zwischen Dümpler und Krick-Enten hineinfeuernd, weckten wir das Echo, das, offenbar verdrießlich über die Störung, mit nur halber Stimme antwortete. Wir empfanden es und stellten die Flinten an ihren alten Platz.
Es begann zu dunkeln, als wir, zwischen Groß- und Klein- Köris, in ein schwieriges, aus mehreren flachen Becken bestehendes Seegebiet einfuhren, das in seiner Gesammtheit den wenig klang- vollen aber bezeichnenden Namen der "Modder-See", führt. Die Karten unterscheiden einen großen und kleinen. Das Wasser in diesen Becken stand nur etwa fußhoch über einem aus gelbgrünen
Capitain Backhuſen hatte früher als ſeine Gäſte den Nachmittags- ſchlaf abgeſchüttelt. Ein paar Commandoworte und die „Sphinx“ löſte ſich leicht und gefällig von der Uferſtelle, in deren Schatten ſie ſechs Stunden geankert hatte. Die Landzungen ſchoben uns immer neue, von Minute zu Minute prächtiger beleuchtete Cou- liſſen in den Weg; in Schängellinien umfuhren wir ſie, ein paar geleitgebende Reiher hoch über uns in Lüften. So kamen wir aus der Schmölte in den Hölzernen See.
Alles war bis dahin gut gegangen, und zu endgültiger Be- währung der „Sphinx“ fehlte nur noch ein Zwiſchenfall, ein „Accident“. Auch dieſer ſollte nicht ausbleiben. Kaum in den Hölzernen See, nomen et omen, eingefahren, ſo ſaßen wir feſt. Aber die Führung unſeres Schiffs hätte nicht die ſein müſſen, die ſie war, wenn ſie ſich in ſolchem Momente hätte rathlos er- weiſen ſollen. Capitain Backhuſen, mit dem Tubus auslugend, erkannte hinter Schilf und Werft verſteckt, in nicht allzuweiter Entfernung ein Brückenwärterhäuschen, an das jetzt Mudy, die Schiffsjolle herablaſſend, mit der Anfrage deputirt wurde, ob man bereit ſei, unſeren aus dicken Eiſenplatten beſtehenden Ballaſt, auf zwei, drei Tage zu beherbergen. In kürzeſter Friſt war die be- jahende Antwort da, die großen Barren wanderten aus dem Rumpf in die Jolle und nach dreimaliger Fahrt zwiſchen Schiff und Zollhaus war unſere Sphinx wieder flott und frei. Unter dankbarem Hüteſchwenken ging es, eine Viertelſtunde ſpäter, an dem Brückenzollhaus vorüber. Aber dieſes Hüteſchwenken genügte uns nicht. Unſerer Freude einen lauteren Ausdruck zu geben, holten wir aus der Waffenkammer ein paar Vogelflinten herbei, und auf unendliche Entfernungen hin, zwiſchen Dümpler und Krick-Enten hineinfeuernd, weckten wir das Echo, das, offenbar verdrießlich über die Störung, mit nur halber Stimme antwortete. Wir empfanden es und ſtellten die Flinten an ihren alten Platz.
Es begann zu dunkeln, als wir, zwiſchen Groß- und Klein- Köris, in ein ſchwieriges, aus mehreren flachen Becken beſtehendes Seegebiet einfuhren, das in ſeiner Geſammtheit den wenig klang- vollen aber bezeichnenden Namen der „Modder-See“, führt. Die Karten unterſcheiden einen großen und kleinen. Das Waſſer in dieſen Becken ſtand nur etwa fußhoch über einem aus gelbgrünen
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Capitain Backhuſen hatte früher als ſeine Gäſte den Nachmittags-
ſchlaf abgeſchüttelt. Ein paar Commandoworte und die „Sphinx“
löſte ſich leicht und gefällig von der Uferſtelle, in deren Schatten
ſie ſechs Stunden geankert hatte. Die Landzungen ſchoben uns
immer neue, von Minute zu Minute prächtiger beleuchtete Cou-
liſſen in den Weg; in Schängellinien umfuhren wir ſie, ein paar
geleitgebende Reiher hoch über uns in Lüften. So kamen wir
aus der Schmölte in den Hölzernen See.
Alles war bis dahin gut gegangen, und zu endgültiger Be-
währung der „Sphinx“ fehlte nur noch ein Zwiſchenfall, ein
„Accident“. Auch dieſer ſollte nicht ausbleiben. Kaum in den
Hölzernen See, nomen et omen, eingefahren, ſo ſaßen wir feſt.
Aber die Führung unſeres Schiffs hätte nicht die ſein müſſen,
die ſie war, wenn ſie ſich in ſolchem Momente hätte rathlos er-
weiſen ſollen. Capitain Backhuſen, mit dem Tubus auslugend,
erkannte hinter Schilf und Werft verſteckt, in nicht allzuweiter
Entfernung ein Brückenwärterhäuschen, an das jetzt Mudy, die
Schiffsjolle herablaſſend, mit der Anfrage deputirt wurde, ob man
bereit ſei, unſeren aus dicken Eiſenplatten beſtehenden Ballaſt, auf
zwei, drei Tage zu beherbergen. In kürzeſter Friſt war die be-
jahende Antwort da, die großen Barren wanderten aus dem
Rumpf in die Jolle und nach dreimaliger Fahrt zwiſchen Schiff
und Zollhaus war unſere Sphinx wieder flott und frei. Unter
dankbarem Hüteſchwenken ging es, eine Viertelſtunde ſpäter, an
dem Brückenzollhaus vorüber. Aber dieſes Hüteſchwenken genügte
uns nicht. Unſerer Freude einen lauteren Ausdruck zu geben,
holten wir aus der Waffenkammer ein paar Vogelflinten herbei,
und auf unendliche Entfernungen hin, zwiſchen Dümpler und
Krick-Enten hineinfeuernd, weckten wir das Echo, das, offenbar
verdrießlich über die Störung, mit nur halber Stimme antwortete.
Wir empfanden es und ſtellten die Flinten an ihren alten Platz.
Es begann zu dunkeln, als wir, zwiſchen Groß- und Klein-
Köris, in ein ſchwieriges, aus mehreren flachen Becken beſtehendes
Seegebiet einfuhren, das in ſeiner Geſammtheit den wenig klang-
vollen aber bezeichnenden Namen der „Modder-See“, führt. Die
Karten unterſcheiden einen großen und kleinen. Das Waſſer in
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/100>, abgerufen am 24.11.2024.
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