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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882.

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"Ja."

"Das ist schön. Da kennen Sie gewiß die Nutheburgen?"

Der Ausdruck seines Gesichts ließ keinen Zweifel darüber,
daß dieses Wort mit dem balladesken Doppel-U zum ersten Male
sein Ohr traf. In seiner Antwort gerieth er vom Hundertsten ins
Tausendste, stolperte zwischen allerhand Local-Bezeichnungen wie
Burgwall und Nuthebrücke hin und her und erzählte mir Dinge,
die, wie gewöhnlich, auf alles Mögliche Rücksicht nahmen, nur
nicht auf den Gegenstand meiner Sehnsucht. Ich sah bald, daß
der älteren märkisch-wendischen Heimathskunde hier keine Quelle
floß und war denn auch rasch entschlossen durch eine Diversion
jeder weiteren Verwirrung vorzubeugen.

"Ist sonst nichts da, das sich verlohnte?"

"Nichts als der Galgenberg .... Da haben Sie die beste
Aussicht: das ganze Nuthethal. Links Potsdam und rechts Trebbin.
Es soll auch ein Schatz ..."

"Gut, gut." Ich grüßte, gab dem Kutscher einen leisen Schlag,
und im nächsten Momente ging es vom Straßendamm hinunter
in den mahlenden Sand hinein.

Eine kurze Strecke Weges, da stieg der Berg mit dem
ominösen Namen vor uns auf. Es war ein heißer Tag und
Mittagsstunde; wir hielten deshalb und stiegen aus. Die Sonne
fiel glüh auf den Abhang, den wir hinanf mußten. Vor uns
weideten ein paar magere Schafe, die sich ihrer Magerkeit an
dieser Stelle nicht zu schämen hatten; nur halbverbranntes, moos-
artig kurzes Gras zog sich über den Sand hin und nichts grünte
als die Wolfsmich. Endlich oben.

Es lohnte sich schon. Wie um dem Missethäter das Scheiden
doppelt schwer zu machen, stellte das Mittelalter seinen Dreibaum
immer auf die höchsten und schönsten Punkte.

Und wieder stand ein Dreibaum dort oben vor uns, aber
freilich das Kind einer anderen Zeit: ein Vermessungsinstrument
spreizte seine drei mageren Beine.

Das helle Licht hinderte den Blick; nur mitunter kam eine leise
Trübung und das Auge konnt alsdann die Landschaft umfassen.
Zu Füßen Saarmund mit seinen rothen Dächern und rothem Thurm;

„Ja.“

„Das iſt ſchön. Da kennen Sie gewiß die Nutheburgen?“

Der Ausdruck ſeines Geſichts ließ keinen Zweifel darüber,
daß dieſes Wort mit dem balladesken Doppel-U zum erſten Male
ſein Ohr traf. In ſeiner Antwort gerieth er vom Hundertſten ins
Tauſendſte, ſtolperte zwiſchen allerhand Local-Bezeichnungen wie
Burgwall und Nuthebrücke hin und her und erzählte mir Dinge,
die, wie gewöhnlich, auf alles Mögliche Rückſicht nahmen, nur
nicht auf den Gegenſtand meiner Sehnſucht. Ich ſah bald, daß
der älteren märkiſch-wendiſchen Heimathskunde hier keine Quelle
floß und war denn auch raſch entſchloſſen durch eine Diverſion
jeder weiteren Verwirrung vorzubeugen.

„Iſt ſonſt nichts da, das ſich verlohnte?“

„Nichts als der Galgenberg .... Da haben Sie die beſte
Ausſicht: das ganze Nuthethal. Links Potsdam und rechts Trebbin.
Es ſoll auch ein Schatz …“

„Gut, gut.“ Ich grüßte, gab dem Kutſcher einen leiſen Schlag,
und im nächſten Momente ging es vom Straßendamm hinunter
in den mahlenden Sand hinein.

Eine kurze Strecke Weges, da ſtieg der Berg mit dem
ominöſen Namen vor uns auf. Es war ein heißer Tag und
Mittagsſtunde; wir hielten deshalb und ſtiegen aus. Die Sonne
fiel glüh auf den Abhang, den wir hinanf mußten. Vor uns
weideten ein paar magere Schafe, die ſich ihrer Magerkeit an
dieſer Stelle nicht zu ſchämen hatten; nur halbverbranntes, moos-
artig kurzes Gras zog ſich über den Sand hin und nichts grünte
als die Wolfsmich. Endlich oben.

Es lohnte ſich ſchon. Wie um dem Miſſethäter das Scheiden
doppelt ſchwer zu machen, ſtellte das Mittelalter ſeinen Dreibaum
immer auf die höchſten und ſchönſten Punkte.

Und wieder ſtand ein Dreibaum dort oben vor uns, aber
freilich das Kind einer anderen Zeit: ein Vermeſſungsinſtrument
ſpreizte ſeine drei mageren Beine.

Das helle Licht hinderte den Blick; nur mitunter kam eine leiſe
Trübung und das Auge konnt alsdann die Landſchaft umfaſſen.
Zu Füßen Saarmund mit ſeinen rothen Dächern und rothem Thurm;

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[421/0437] „Ja.“ „Das iſt ſchön. Da kennen Sie gewiß die Nutheburgen?“ Der Ausdruck ſeines Geſichts ließ keinen Zweifel darüber, daß dieſes Wort mit dem balladesken Doppel-U zum erſten Male ſein Ohr traf. In ſeiner Antwort gerieth er vom Hundertſten ins Tauſendſte, ſtolperte zwiſchen allerhand Local-Bezeichnungen wie Burgwall und Nuthebrücke hin und her und erzählte mir Dinge, die, wie gewöhnlich, auf alles Mögliche Rückſicht nahmen, nur nicht auf den Gegenſtand meiner Sehnſucht. Ich ſah bald, daß der älteren märkiſch-wendiſchen Heimathskunde hier keine Quelle floß und war denn auch raſch entſchloſſen durch eine Diverſion jeder weiteren Verwirrung vorzubeugen. „Iſt ſonſt nichts da, das ſich verlohnte?“ „Nichts als der Galgenberg .... Da haben Sie die beſte Ausſicht: das ganze Nuthethal. Links Potsdam und rechts Trebbin. Es ſoll auch ein Schatz …“ „Gut, gut.“ Ich grüßte, gab dem Kutſcher einen leiſen Schlag, und im nächſten Momente ging es vom Straßendamm hinunter in den mahlenden Sand hinein. Eine kurze Strecke Weges, da ſtieg der Berg mit dem ominöſen Namen vor uns auf. Es war ein heißer Tag und Mittagsſtunde; wir hielten deshalb und ſtiegen aus. Die Sonne fiel glüh auf den Abhang, den wir hinanf mußten. Vor uns weideten ein paar magere Schafe, die ſich ihrer Magerkeit an dieſer Stelle nicht zu ſchämen hatten; nur halbverbranntes, moos- artig kurzes Gras zog ſich über den Sand hin und nichts grünte als die Wolfsmich. Endlich oben. Es lohnte ſich ſchon. Wie um dem Miſſethäter das Scheiden doppelt ſchwer zu machen, ſtellte das Mittelalter ſeinen Dreibaum immer auf die höchſten und ſchönſten Punkte. Und wieder ſtand ein Dreibaum dort oben vor uns, aber freilich das Kind einer anderen Zeit: ein Vermeſſungsinſtrument ſpreizte ſeine drei mageren Beine. Das helle Licht hinderte den Blick; nur mitunter kam eine leiſe Trübung und das Auge konnt alsdann die Landſchaft umfaſſen. Zu Füßen Saarmund mit ſeinen rothen Dächern und rothem Thurm;

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/437>, abgerufen am 24.11.2024.