Ziele, die Klarheit und Festigkeit des Verstandes, die umfassende Größe der Einsichten, die Freiheit von Vorurtheilen des Her- kommens, die stolze Gleichgiltigkeit gegen äußere Auszeichnungen, der Muth in den unscheinbarsten Verhältnissen mit den schlichtesten Mitteln durch bloße Stärke des Geistes den größten Zwecken nach- zustreben, jugendlicher Unternehmungsgeist, die höchste Besonnen- heit, Muth und Ausdauer in der Gefahr, endlich die umfassendste Kenntniß des Kriegswesens machen ihn zu einem der merkwürdigsten Staatsmänner und Soldaten, auf welche Deutschland je stolz sein durfte.
"Billig und gerecht im Urtheil, sanft und ruhig in allen Verhältnissen mit Anderen, freundlich, herzlich im ganzen Lebens- umgange, war er einer der liebenswürdigsten Menschen, die den Kreis des geselligen Lebens zieren.
"Was er dem Staate gewesen ist und dem Volke und der ganzen deutschen Nation, mögen Viele oder Wenige er- kennen, aber es wäre unwürdig, wenn Einer davon gleichgiltig bliebe bei dem traurigen Todesfall.
"Es müßte keine Wahrheit und Tiefe mehr in der mensch- lichen Natur sein, wenn dieser Mann je von denen vergessen werden könnte, die ihm nahe gestanden, ihn verehrt und geliebt haben."
So der Nachruf, dessen staatlich-officielle Veröffentlichung von Seiten seiner Verfasser (Gneisenau und Clausewitz) im Har- denberg'schen Cabinete gefordert wurde. Dort aber stieß diese Forderung auf Widerstand, weniger bei dem Staatskanzler selbst als bei seinen Räthen J. und v. B., und weil man nicht direct ablehnen wollte, bemängelte man Einzelnes und hob in einem an Gneisenau gerichteten Antwortschreiben hervor, "daß das zweitletzte, vorstehend gesperrt gedruckte Alinea dunkel und eine Aenderung desselben wünschenswerth sei; Scharnhorsts Verdienste seien allge- mein gefühlt und anerkannt."
Gneisenau jedoch war nicht umzustimmen und schrieb unterm 4. Juli von Patschkau aus: "In eine Abänderung der als ,dunkel' bezeichneten Stelle kann ich nicht willigen. Allgemein gefühlt und anerkannt ist Scharnhorsts Verdienst keineswegs. Und wenn es
Ziele, die Klarheit und Feſtigkeit des Verſtandes, die umfaſſende Größe der Einſichten, die Freiheit von Vorurtheilen des Her- kommens, die ſtolze Gleichgiltigkeit gegen äußere Auszeichnungen, der Muth in den unſcheinbarſten Verhältniſſen mit den ſchlichteſten Mitteln durch bloße Stärke des Geiſtes den größten Zwecken nach- zuſtreben, jugendlicher Unternehmungsgeiſt, die höchſte Beſonnen- heit, Muth und Ausdauer in der Gefahr, endlich die umfaſſendſte Kenntniß des Kriegsweſens machen ihn zu einem der merkwürdigſten Staatsmänner und Soldaten, auf welche Deutſchland je ſtolz ſein durfte.
„Billig und gerecht im Urtheil, ſanft und ruhig in allen Verhältniſſen mit Anderen, freundlich, herzlich im ganzen Lebens- umgange, war er einer der liebenswürdigſten Menſchen, die den Kreis des geſelligen Lebens zieren.
„Was er dem Staate geweſen iſt und dem Volke und der ganzen deutſchen Nation, mögen Viele oder Wenige er- kennen, aber es wäre unwürdig, wenn Einer davon gleichgiltig bliebe bei dem traurigen Todesfall.
„Es müßte keine Wahrheit und Tiefe mehr in der menſch- lichen Natur ſein, wenn dieſer Mann je von denen vergeſſen werden könnte, die ihm nahe geſtanden, ihn verehrt und geliebt haben.“
So der Nachruf, deſſen ſtaatlich-officielle Veröffentlichung von Seiten ſeiner Verfaſſer (Gneiſenau und Clauſewitz) im Har- denberg’ſchen Cabinete gefordert wurde. Dort aber ſtieß dieſe Forderung auf Widerſtand, weniger bei dem Staatskanzler ſelbſt als bei ſeinen Räthen J. und v. B., und weil man nicht direct ablehnen wollte, bemängelte man Einzelnes und hob in einem an Gneiſenau gerichteten Antwortſchreiben hervor, „daß das zweitletzte, vorſtehend geſperrt gedruckte Alinea dunkel und eine Aenderung deſſelben wünſchenswerth ſei; Scharnhorſts Verdienſte ſeien allge- mein gefühlt und anerkannt.“
Gneiſenau jedoch war nicht umzuſtimmen und ſchrieb unterm 4. Juli von Patſchkau aus: „In eine Abänderung der als ‚dunkel‘ bezeichneten Stelle kann ich nicht willigen. Allgemein gefühlt und anerkannt iſt Scharnhorſts Verdienſt keineswegs. Und wenn es
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Ziele, die Klarheit und Feſtigkeit des Verſtandes, die umfaſſende
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kommens, die ſtolze Gleichgiltigkeit gegen äußere Auszeichnungen,
der Muth in den unſcheinbarſten Verhältniſſen mit den ſchlichteſten
Mitteln durch bloße Stärke des Geiſtes den größten Zwecken nach-
zuſtreben, jugendlicher Unternehmungsgeiſt, die höchſte Beſonnen-
heit, Muth und Ausdauer in der Gefahr, endlich die umfaſſendſte
Kenntniß des Kriegsweſens machen ihn zu einem der merkwürdigſten
Staatsmänner und Soldaten, auf welche Deutſchland je ſtolz
ſein durfte.
„Billig und gerecht im Urtheil, ſanft und ruhig in allen
Verhältniſſen mit Anderen, freundlich, herzlich im ganzen Lebens-
umgange, war er einer der liebenswürdigſten Menſchen, die den
Kreis des geſelligen Lebens zieren.
„Was er dem Staate geweſen iſt und dem Volke und der
ganzen deutſchen Nation, mögen Viele oder Wenige er-
kennen, aber es wäre unwürdig, wenn Einer davon
gleichgiltig bliebe bei dem traurigen Todesfall.
„Es müßte keine Wahrheit und Tiefe mehr in der menſch-
lichen Natur ſein, wenn dieſer Mann je von denen vergeſſen
werden könnte, die ihm nahe geſtanden, ihn verehrt und geliebt
haben.“
So der Nachruf, deſſen ſtaatlich-officielle Veröffentlichung
von Seiten ſeiner Verfaſſer (Gneiſenau und Clauſewitz) im Har-
denberg’ſchen Cabinete gefordert wurde. Dort aber ſtieß dieſe
Forderung auf Widerſtand, weniger bei dem Staatskanzler ſelbſt
als bei ſeinen Räthen J. und v. B., und weil man nicht direct
ablehnen wollte, bemängelte man Einzelnes und hob in einem an
Gneiſenau gerichteten Antwortſchreiben hervor, „daß das zweitletzte,
vorſtehend geſperrt gedruckte Alinea dunkel und eine Aenderung
deſſelben wünſchenswerth ſei; Scharnhorſts Verdienſte ſeien allge-
mein gefühlt und anerkannt.“
Gneiſenau jedoch war nicht umzuſtimmen und ſchrieb unterm
4. Juli von Patſchkau aus: „In eine Abänderung der als ‚dunkel‘
bezeichneten Stelle kann ich nicht willigen. Allgemein gefühlt und
anerkannt iſt Scharnhorſts Verdienſt keineswegs. Und wenn es
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/425>, abgerufen am 26.11.2024.
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