von Trebbin und Thyrow her, darunter auch des Groebener Kiezer-Schulzen ältester Sohn. Denn Groeben, totzdem es nur ein kleines Dorf ist, hat doch ein wendisches Anhängsel, einen "Kiez", auf dem die Fischer wohnen bis diesen Tag. Und auf dem Flosse war gute Zeit, und immer die, die nicht Dienst hatten, hatten sich's bequem gemacht und lagen auf Strohbündeln in einer großen Bretterhütte. Da vergnügten sie sich und trieben allerlei Kurzweil und trieben es arg. Es war aber Sonntag und um die neunte Stunde zog ein Wetter herauf, wie noch keines hier gewesen, und war ein Blitzen als ob feurige Laken am Himmel hingen. Und Einer, dem es bang um's Herz wurde, war vor die Hüttenthür getreten und betete zu Gott, daß er sich ihrer er- barmen und ein Ende machen und ihnen den erlösenden Regen schicken möge. Denn es war ein Trockengewitter und noch kein Tropfen gefallen. Des Kiezer-Schulzen Sohn aber und ein Kos- säthensohn aus Thyrow, die verspotteten ihn und luden ihn wieder hinein (hell genug sei's ja), da wollten sie knöcheln. Und sie fingen auch an, und der Thyrower warf dreizehn, weil ihm der eine Würfel zersprang. Aber in selbem Augenblicke fuhr es auch nieder und war Blitz und Schlag und alles entsetzte sich und stob auseinander -- alles was in der Hütte gelegen hatte. Nur die bei- den Spötter nicht, die lagen todt auf dem Floß und lagen da bis an den andern Morgen, wo man sie zu holen kam. Auch von Thyrow kamen welche. Des Kiezer-Schulzen Sohn aber kam auf den Groebener Kirchhof und war der erste, den sie da begru- ben, und kriegte den Stein und die Inschrift darauf. --
Fast unmittelbar neben diesem Stein ist die Grabstätte Graf Leo Schlabrendorfs und seiner Gemahlin. Es ist ein umgitterter Platz und der Sockel eines in Sandstein ausgeführten Crucifixes, das zu Häupten beider Gräber steht, trägt folgende Doppel-In- schrift. Links: Ernst Leopold Graf v. Schlabrendorf zu Groeben, geb. 13. Mai 1794, gest. 27. Juli 1851. Rechts: Caroline Christiane Emilie Gräfin v. Schlabrendorf, geb. v. Ryssel, geb. 4. Oktober 1797, gest. 2. September 1858.
Das Crucifix ist einer süddeutschen Arbeit nachgebildet und zeichnet sich durch Stil und Schönheit aus. Seine vergoldeten Nägelknöpfe fielen ein paar vorüberziehenden Strolchen zum Raube,
Fontane, Wanderungen. IV. 26
von Trebbin und Thyrow her, darunter auch des Groebener Kiezer-Schulzen älteſter Sohn. Denn Groeben, totzdem es nur ein kleines Dorf iſt, hat doch ein wendiſches Anhängſel, einen „Kiez“, auf dem die Fiſcher wohnen bis dieſen Tag. Und auf dem Floſſe war gute Zeit, und immer die, die nicht Dienſt hatten, hatten ſich’s bequem gemacht und lagen auf Strohbündeln in einer großen Bretterhütte. Da vergnügten ſie ſich und trieben allerlei Kurzweil und trieben es arg. Es war aber Sonntag und um die neunte Stunde zog ein Wetter herauf, wie noch keines hier geweſen, und war ein Blitzen als ob feurige Laken am Himmel hingen. Und Einer, dem es bang um’s Herz wurde, war vor die Hüttenthür getreten und betete zu Gott, daß er ſich ihrer er- barmen und ein Ende machen und ihnen den erlöſenden Regen ſchicken möge. Denn es war ein Trockengewitter und noch kein Tropfen gefallen. Des Kiezer-Schulzen Sohn aber und ein Koſ- ſäthenſohn aus Thyrow, die verſpotteten ihn und luden ihn wieder hinein (hell genug ſei’s ja), da wollten ſie knöcheln. Und ſie fingen auch an, und der Thyrower warf dreizehn, weil ihm der eine Würfel zerſprang. Aber in ſelbem Augenblicke fuhr es auch nieder und war Blitz und Schlag und alles entſetzte ſich und ſtob auseinander — alles was in der Hütte gelegen hatte. Nur die bei- den Spötter nicht, die lagen todt auf dem Floß und lagen da bis an den andern Morgen, wo man ſie zu holen kam. Auch von Thyrow kamen welche. Des Kiezer-Schulzen Sohn aber kam auf den Groebener Kirchhof und war der erſte, den ſie da begru- ben, und kriegte den Stein und die Inſchrift darauf. —
Faſt unmittelbar neben dieſem Stein iſt die Grabſtätte Graf Leo Schlabrendorfs und ſeiner Gemahlin. Es iſt ein umgitterter Platz und der Sockel eines in Sandſtein ausgeführten Crucifixes, das zu Häupten beider Gräber ſteht, trägt folgende Doppel-In- ſchrift. Links: Ernſt Leopold Graf v. Schlabrendorf zu Groeben, geb. 13. Mai 1794, geſt. 27. Juli 1851. Rechts: Caroline Chriſtiane Emilie Gräfin v. Schlabrendorf, geb. v. Ryſſel, geb. 4. Oktober 1797, geſt. 2. September 1858.
Das Crucifix iſt einer ſüddeutſchen Arbeit nachgebildet und zeichnet ſich durch Stil und Schönheit aus. Seine vergoldeten Nägelknöpfe fielen ein paar vorüberziehenden Strolchen zum Raube,
Fontane, Wanderungen. IV. 26
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von Trebbin und Thyrow her, darunter auch des Groebener
Kiezer-Schulzen älteſter Sohn. Denn Groeben, totzdem es nur
ein kleines Dorf iſt, hat doch ein wendiſches Anhängſel, einen
„Kiez“, auf dem die Fiſcher wohnen bis dieſen Tag. Und auf
dem Floſſe war gute Zeit, und immer die, die nicht Dienſt hatten,
hatten ſich’s bequem gemacht und lagen auf Strohbündeln in
einer großen Bretterhütte. Da vergnügten ſie ſich und trieben
allerlei Kurzweil und trieben es arg. Es war aber Sonntag und
um die neunte Stunde zog ein Wetter herauf, wie noch keines
hier geweſen, und war ein Blitzen als ob feurige Laken am Himmel
hingen. Und Einer, dem es bang um’s Herz wurde, war vor
die Hüttenthür getreten und betete zu Gott, daß er ſich ihrer er-
barmen und ein Ende machen und ihnen den erlöſenden Regen
ſchicken möge. Denn es war ein Trockengewitter und noch kein
Tropfen gefallen. Des Kiezer-Schulzen Sohn aber und ein Koſ-
ſäthenſohn aus Thyrow, die verſpotteten ihn und luden ihn wieder
hinein (hell genug ſei’s ja), da wollten ſie knöcheln. Und ſie
fingen auch an, und der Thyrower warf dreizehn, weil ihm der
eine Würfel zerſprang. Aber in ſelbem Augenblicke fuhr es auch
nieder und war Blitz und Schlag und alles entſetzte ſich und ſtob
auseinander — alles was in der Hütte gelegen hatte. Nur die bei-
den Spötter nicht, die lagen todt auf dem Floß und lagen da
bis an den andern Morgen, wo man ſie zu holen kam. Auch
von Thyrow kamen welche. Des Kiezer-Schulzen Sohn aber kam
auf den Groebener Kirchhof und war der erſte, den ſie da begru-
ben, und kriegte den Stein und die Inſchrift darauf. —
Faſt unmittelbar neben dieſem Stein iſt die Grabſtätte Graf
Leo Schlabrendorfs und ſeiner Gemahlin. Es iſt ein umgitterter
Platz und der Sockel eines in Sandſtein ausgeführten Crucifixes,
das zu Häupten beider Gräber ſteht, trägt folgende Doppel-In-
ſchrift. Links: Ernſt Leopold Graf v. Schlabrendorf zu Groeben,
geb. 13. Mai 1794, geſt. 27. Juli 1851. Rechts: Caroline
Chriſtiane Emilie Gräfin v. Schlabrendorf, geb. v. Ryſſel, geb.
4. Oktober 1797, geſt. 2. September 1858.
Das Crucifix iſt einer ſüddeutſchen Arbeit nachgebildet und
zeichnet ſich durch Stil und Schönheit aus. Seine vergoldeten
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der vierte Band "Spreeland. Beeskow-Storkow und Barnim-Teltow" 1882 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 4: Spreeland. Berlin, 1882, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg04_1882/417>, abgerufen am 26.11.2024.
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