als ein Sinnbild des Heidenthums, das in diesen Wäldern und Sümpfen allerdings noch eine Stätte hatte. -- Der Markgraf indeß erwiederte: "eine Burg werde ich gründen, aber eine Burg, von der aus unsere teuflischen Widersacher durch die Stimmen geistlicher Männer weit fortgescheucht werden sollen, eine Burg, in der ich ruhig den jüngsten Tag erwarten will." Und sofort schickte er zum Abt des Cisterciencer-Klosters Sitichenbach, im Mansfeldschen, und ließ ihn bitten, daß er Brüder aus seinem Convente, zur Gründung eines neuen Klosters, senden möchte. Die Brüder kamen; Markgraf Otto aber gab dem Kloster den Namen Lehnin, denn Lehnije heißt Hirschkuh im Slavischen." So der böhmische Geschichtsschreiber.
Das Kloster wurde gebaut, vor allem die Kloster kirche. Sie bestand in ihrer ursprünglichen Form bis zum Jahre 1262. In diesem Jahre ließ die rasch wachsende Bedeutung des Klosters das, was da war, nicht länger als ausreichend erscheinen, und ein Anbau wurde beschlossen. Dieser Anbau fiel in die erste Blüthezeit der Gothik, und mit der ganzen Unbefangenheit des Mittelalters, das bekanntlich immer baute wie ihm gerade um's Herz war, und keine Rücksichtnahme auf den Baustyl zurücklie- gender Epochen kannte, wurde nunmehr das romanische Kurzschiff der ersten Anlage durch ein gothisches Längsschiff erweitert. Dieser Erweiterungsbau hat der Zeit und sonstigem Wirrsal schlechter zu widerstehen vermocht als der ältere Theil der Kirche; -- das Alte steht, der Anbau liegt in Trümmern; unsere Schilderung führt uns später auf ihn zurück. Unsere nächsten Untersuchungen aber gehören der Geschichte des Klosters. Wir knüpfen die Aufzählung seiner Schicksale an eine Geschichte seiner Aebte.
als ein Sinnbild des Heidenthums, das in dieſen Wäldern und Sümpfen allerdings noch eine Stätte hatte. — Der Markgraf indeß erwiederte: „eine Burg werde ich gründen, aber eine Burg, von der aus unſere teufliſchen Widerſacher durch die Stimmen geiſtlicher Männer weit fortgeſcheucht werden ſollen, eine Burg, in der ich ruhig den jüngſten Tag erwarten will.“ Und ſofort ſchickte er zum Abt des Ciſterciencer-Kloſters Sitichenbach, im Mansfeldſchen, und ließ ihn bitten, daß er Brüder aus ſeinem Convente, zur Gründung eines neuen Kloſters, ſenden möchte. Die Brüder kamen; Markgraf Otto aber gab dem Kloſter den Namen Lehnin, denn Lehnije heißt Hirſchkuh im Slaviſchen.“ So der böhmiſche Geſchichtsſchreiber.
Das Kloſter wurde gebaut, vor allem die Kloſter kirche. Sie beſtand in ihrer urſprünglichen Form bis zum Jahre 1262. In dieſem Jahre ließ die raſch wachſende Bedeutung des Kloſters das, was da war, nicht länger als ausreichend erſcheinen, und ein Anbau wurde beſchloſſen. Dieſer Anbau fiel in die erſte Blüthezeit der Gothik, und mit der ganzen Unbefangenheit des Mittelalters, das bekanntlich immer baute wie ihm gerade um’s Herz war, und keine Rückſichtnahme auf den Bauſtyl zurücklie- gender Epochen kannte, wurde nunmehr das romaniſche Kurzſchiff der erſten Anlage durch ein gothiſches Längsſchiff erweitert. Dieſer Erweiterungsbau hat der Zeit und ſonſtigem Wirrſal ſchlechter zu widerſtehen vermocht als der ältere Theil der Kirche; — das Alte ſteht, der Anbau liegt in Trümmern; unſere Schilderung führt uns ſpäter auf ihn zurück. Unſere nächſten Unterſuchungen aber gehören der Geſchichte des Kloſters. Wir knüpfen die Aufzählung ſeiner Schickſale an eine Geſchichte ſeiner Aebte.
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als ein Sinnbild des Heidenthums, das in dieſen Wäldern und
Sümpfen allerdings noch eine Stätte hatte. — Der Markgraf
indeß erwiederte: „eine Burg werde ich gründen, aber eine Burg,
von der aus unſere teufliſchen Widerſacher durch die Stimmen
geiſtlicher Männer weit fortgeſcheucht werden ſollen, eine Burg,
in der ich ruhig den jüngſten Tag erwarten will.“ Und ſofort
ſchickte er zum Abt des Ciſterciencer-Kloſters Sitichenbach,
im Mansfeldſchen, und ließ ihn bitten, daß er Brüder aus
ſeinem Convente, zur Gründung eines neuen Kloſters, ſenden
möchte. Die Brüder kamen; Markgraf Otto aber gab dem
Kloſter den Namen Lehnin, denn Lehnije heißt Hirſchkuh im
Slaviſchen.“ So der böhmiſche Geſchichtsſchreiber.
Das Kloſter wurde gebaut, vor allem die Kloſter kirche.
Sie beſtand in ihrer urſprünglichen Form bis zum Jahre 1262.
In dieſem Jahre ließ die raſch wachſende Bedeutung des Kloſters
das, was da war, nicht länger als ausreichend erſcheinen, und
ein Anbau wurde beſchloſſen. Dieſer Anbau fiel in die erſte
Blüthezeit der Gothik, und mit der ganzen Unbefangenheit des
Mittelalters, das bekanntlich immer baute wie ihm gerade um’s
Herz war, und keine Rückſichtnahme auf den Bauſtyl zurücklie-
gender Epochen kannte, wurde nunmehr das romaniſche
Kurzſchiff der erſten Anlage durch ein gothiſches
Längsſchiff erweitert. Dieſer Erweiterungsbau hat der
Zeit und ſonſtigem Wirrſal ſchlechter zu widerſtehen vermocht als
der ältere Theil der Kirche; — das Alte ſteht, der Anbau liegt in
Trümmern; unſere Schilderung führt uns ſpäter auf ihn zurück.
Unſere nächſten Unterſuchungen aber gehören der Geſchichte
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eine Geſchichte ſeiner Aebte.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/93>, abgerufen am 29.11.2024.
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