Aber nicht blos für glückbringend und heilig, auch für geeignet zu geheimnißvollem Zauber und selbst zu teuflischem Beginnen galt und gilt noch der Eibenbaum. Daher fehlen in der Macbeth'schen Hexenküche neben dem Auge des Wassermolchs, dem Fledermaushaar, Eidechsbein und Käuzchenflügel und der gegabelten Natterzunge auch nicht
"Eibenzweige, abgerissen, In des Mondes Finsternissen."
In Thüringen heißt es, daß die "Ife" (Eibe) gegen Viehbezauberung schütze. Die Hälfte der Bewohner des Dorfes Angelrothe bei Arnstadt, in dessen Nähe Eibensträuche noch ziem- lich häufig sind, zieht an einem bestimmten Tage des Jahres hinaus und bricht sich Taxuszweige ab, um sie in die Vieh- ställe zu stecken. Im Spessart meint man, daß ein Stück Eiben- holz, am Körper getragen, allen Zauber vertreibe. Das Volk sagt dort: "Vor der Euwe, ka Zauber bleibe."
Im Alterthume wurde die Eibe ihres elastischen und festen Holzes wegen vorzüglich zu Bogen verwendet. Ebenso machte man Pfeile aus deren zähem Kernholz. Während des ganzen Mittelalters gab so der Eibenbaum den Stoff für die vorzüg- lichsten Kriegswaffen ab, besonders in England und Schweden. Auch Uller, der nordische Jagdgott, hatte nach der Edda einen Eibenbogen (altnordisch ybogi). Heutzutage wird das rothe oder purpurbraune Kernholz der Eibe zu viel friedlicheren und prosai- scheren Gegenständen verarbeitet, namentlich zu Faßpipen. Beson- ders in Ungarn werden aus dem dort sogenannten "Theißholz" ("tisza-fa", welcher Name aber nicht auf die Theiß bezogen werden sollte, sondern slavischen Ursprungs ist, da die Eibe slavisch tis heißt) viele Haus- und Wirthschaftsgegenstände ver- fertigt und zahlreiche Pipen aus Eibenholz in den Handel gebracht.
In modernem Englisch heißt die Eibe yew, der Epheu ivy; dieses deutsch, jenes keltisch. Beide Wörter (vergl. oben) bedeuten "immergrün."
Aber nicht blos für glückbringend und heilig, auch für geeignet zu geheimnißvollem Zauber und ſelbſt zu teufliſchem Beginnen galt und gilt noch der Eibenbaum. Daher fehlen in der Macbeth’ſchen Hexenküche neben dem Auge des Waſſermolchs, dem Fledermaushaar, Eidechsbein und Käuzchenflügel und der gegabelten Natterzunge auch nicht
„Eibenzweige, abgeriſſen, In des Mondes Finſterniſſen.“
In Thüringen heißt es, daß die „Ife“ (Eibe) gegen Viehbezauberung ſchütze. Die Hälfte der Bewohner des Dorfes Angelrothe bei Arnſtadt, in deſſen Nähe Eibenſträuche noch ziem- lich häufig ſind, zieht an einem beſtimmten Tage des Jahres hinaus und bricht ſich Taxuszweige ab, um ſie in die Vieh- ſtälle zu ſtecken. Im Speſſart meint man, daß ein Stück Eiben- holz, am Körper getragen, allen Zauber vertreibe. Das Volk ſagt dort: „Vor der Euwe, ka Zauber bleibe.“
Im Alterthume wurde die Eibe ihres elaſtiſchen und feſten Holzes wegen vorzüglich zu Bogen verwendet. Ebenſo machte man Pfeile aus deren zähem Kernholz. Während des ganzen Mittelalters gab ſo der Eibenbaum den Stoff für die vorzüg- lichſten Kriegswaffen ab, beſonders in England und Schweden. Auch Uller, der nordiſche Jagdgott, hatte nach der Edda einen Eibenbogen (altnordiſch ybogi). Heutzutage wird das rothe oder purpurbraune Kernholz der Eibe zu viel friedlicheren und proſai- ſcheren Gegenſtänden verarbeitet, namentlich zu Faßpipen. Beſon- ders in Ungarn werden aus dem dort ſogenannten „Theißholz“ („tisza-fa“, welcher Name aber nicht auf die Theiß bezogen werden ſollte, ſondern ſlaviſchen Urſprungs iſt, da die Eibe ſlaviſch tis heißt) viele Haus- und Wirthſchaftsgegenſtände ver- fertigt und zahlreiche Pipen aus Eibenholz in den Handel gebracht.
In modernem Engliſch heißt die Eibe yew, der Epheu ivy; dieſes deutſch, jenes keltiſch. Beide Wörter (vergl. oben) bedeuten „immergrün.“
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Aber nicht blos für glückbringend und heilig, auch für
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Beginnen galt und gilt noch der Eibenbaum. Daher fehlen in
der Macbeth’ſchen Hexenküche neben dem Auge des Waſſermolchs,
dem Fledermaushaar, Eidechsbein und Käuzchenflügel und der
gegabelten Natterzunge auch nicht
„Eibenzweige, abgeriſſen,
In des Mondes Finſterniſſen.“
In Thüringen heißt es, daß die „Ife“ (Eibe) gegen
Viehbezauberung ſchütze. Die Hälfte der Bewohner des Dorfes
Angelrothe bei Arnſtadt, in deſſen Nähe Eibenſträuche noch ziem-
lich häufig ſind, zieht an einem beſtimmten Tage des Jahres
hinaus und bricht ſich Taxuszweige ab, um ſie in die Vieh-
ſtälle zu ſtecken. Im Speſſart meint man, daß ein Stück Eiben-
holz, am Körper getragen, allen Zauber vertreibe. Das Volk
ſagt dort: „Vor der Euwe, ka Zauber bleibe.“
Im Alterthume wurde die Eibe ihres elaſtiſchen und feſten
Holzes wegen vorzüglich zu Bogen verwendet. Ebenſo machte
man Pfeile aus deren zähem Kernholz. Während des ganzen
Mittelalters gab ſo der Eibenbaum den Stoff für die vorzüg-
lichſten Kriegswaffen ab, beſonders in England und Schweden.
Auch Uller, der nordiſche Jagdgott, hatte nach der Edda einen
Eibenbogen (altnordiſch ybogi). Heutzutage wird das rothe oder
purpurbraune Kernholz der Eibe zu viel friedlicheren und proſai-
ſcheren Gegenſtänden verarbeitet, namentlich zu Faßpipen. Beſon-
ders in Ungarn werden aus dem dort ſogenannten „Theißholz“
(„tisza-fa“, welcher Name aber nicht auf die Theiß bezogen
werden ſollte, ſondern ſlaviſchen Urſprungs iſt, da die Eibe
ſlaviſch tis heißt) viele Haus- und Wirthſchaftsgegenſtände ver-
fertigt und zahlreiche Pipen aus Eibenholz in den Handel
gebracht.
In modernem Engliſch heißt die Eibe yew, der Epheu
ivy; dieſes deutſch, jenes keltiſch. Beide Wörter (vergl. oben)
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/80>, abgerufen am 26.11.2024.
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