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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Wir nickten Alle. Vom Wald her aber schmetterte Finken-
und Drosselschlag immer frischer zu uns herüber und mit dem
Daumen rückwärts deutend, sagte der alte Förster: ja, das
klingt in's Herz.

Das thut's, erwiederte jetzt mein Reisegefährte (den es
nach gerade wohl Zeit ist aus seiner stummen Rolle zu erlösen,
in der er bisher eigensinnig beharrte), aber wollen Sie glauben
Herr Förster, daß es Gegenden giebt, wo die Vögel denn doch
noch anders singen, so melodisch, so tieferschütternd, daß man
aufhorcht, als habe man den Klang einer Menschenstimme, die
ersten Töne einer wehmüthigen Volksweise gehört.

Der Tausend auch, sagte der Förster, Sie machen mich
neugierig.

Und diese Vögel, von denen ich spreche, die singen da,
wo wir's am wenigsten glauben möchten, in Australien bei den
Antipoden. Ein Engländer ist dort gereist, hat die Waldstimmen
belauscht, hat die Töne in Noten festgehalten und zuletzt eine
Art Melodien-Buch herausgegeben, aus dem wir nun genau
erfahren können, wie die australischen Vögel singen.

Ist es möglich!

Es ist sogar gewiß. Ich habe das Buch. Und unter all
diesen Stimmen ist eine, die es mir besonders angethan hat,
das ist die Stimme des Leather-head. Leather-head heißt
Ledervogel, ein Name den dieser Vogel führt, weil er einen
völlig kahlen Kopf hat. Ich will Ihnen die Melodie pfeifen; sie
geht leise; Sie müssen scharf aufhorchen.

Unser Reisegefährte pfiff nun in langgezogenen Tönen die
Klagemelodie des Leather-head. Selbst im Walde war es still
geworden. Es war als ob die Vögel drinnen mit zu Rathe säßen.

Das ist schön, sagte der Förster, aber Ihr Engländer kann
sich die Melodie erfunden haben.

Ich gestehe, fuhr unser Reisegefährte fort, daß ich dann
und wann denselben Verdacht hatte. Aber denken Sie, wo mir
plötzlich die Gewißheit kam! Sie haben vom Aquarium gehört.
Nun, in dem Aquarium befindet sich auch eine Vogelhecke, die

Wir nickten Alle. Vom Wald her aber ſchmetterte Finken-
und Droſſelſchlag immer friſcher zu uns herüber und mit dem
Daumen rückwärts deutend, ſagte der alte Förſter: ja, das
klingt in’s Herz.

Das thut’s, erwiederte jetzt mein Reiſegefährte (den es
nach gerade wohl Zeit iſt aus ſeiner ſtummen Rolle zu erlöſen,
in der er bisher eigenſinnig beharrte), aber wollen Sie glauben
Herr Förſter, daß es Gegenden giebt, wo die Vögel denn doch
noch anders ſingen, ſo melodiſch, ſo tieferſchütternd, daß man
aufhorcht, als habe man den Klang einer Menſchenſtimme, die
erſten Töne einer wehmüthigen Volksweiſe gehört.

Der Tauſend auch, ſagte der Förſter, Sie machen mich
neugierig.

Und dieſe Vögel, von denen ich ſpreche, die ſingen da,
wo wir’s am wenigſten glauben möchten, in Auſtralien bei den
Antipoden. Ein Engländer iſt dort gereiſt, hat die Waldſtimmen
belauſcht, hat die Töne in Noten feſtgehalten und zuletzt eine
Art Melodien-Buch herausgegeben, aus dem wir nun genau
erfahren können, wie die auſtraliſchen Vögel ſingen.

Iſt es möglich!

Es iſt ſogar gewiß. Ich habe das Buch. Und unter all
dieſen Stimmen iſt eine, die es mir beſonders angethan hat,
das iſt die Stimme des Leather-head. Leather-head heißt
Ledervogel, ein Name den dieſer Vogel führt, weil er einen
völlig kahlen Kopf hat. Ich will Ihnen die Melodie pfeifen; ſie
geht leiſe; Sie müſſen ſcharf aufhorchen.

Unſer Reiſegefährte pfiff nun in langgezogenen Tönen die
Klagemelodie des Leather-head. Selbſt im Walde war es ſtill
geworden. Es war als ob die Vögel drinnen mit zu Rathe ſäßen.

Das iſt ſchön, ſagte der Förſter, aber Ihr Engländer kann
ſich die Melodie erfunden haben.

Ich geſtehe, fuhr unſer Reiſegefährte fort, daß ich dann
und wann denſelben Verdacht hatte. Aber denken Sie, wo mir
plötzlich die Gewißheit kam! Sie haben vom Aquarium gehört.
Nun, in dem Aquarium befindet ſich auch eine Vogelhecke, die

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[48/0066] Wir nickten Alle. Vom Wald her aber ſchmetterte Finken- und Droſſelſchlag immer friſcher zu uns herüber und mit dem Daumen rückwärts deutend, ſagte der alte Förſter: ja, das klingt in’s Herz. Das thut’s, erwiederte jetzt mein Reiſegefährte (den es nach gerade wohl Zeit iſt aus ſeiner ſtummen Rolle zu erlöſen, in der er bisher eigenſinnig beharrte), aber wollen Sie glauben Herr Förſter, daß es Gegenden giebt, wo die Vögel denn doch noch anders ſingen, ſo melodiſch, ſo tieferſchütternd, daß man aufhorcht, als habe man den Klang einer Menſchenſtimme, die erſten Töne einer wehmüthigen Volksweiſe gehört. Der Tauſend auch, ſagte der Förſter, Sie machen mich neugierig. Und dieſe Vögel, von denen ich ſpreche, die ſingen da, wo wir’s am wenigſten glauben möchten, in Auſtralien bei den Antipoden. Ein Engländer iſt dort gereiſt, hat die Waldſtimmen belauſcht, hat die Töne in Noten feſtgehalten und zuletzt eine Art Melodien-Buch herausgegeben, aus dem wir nun genau erfahren können, wie die auſtraliſchen Vögel ſingen. Iſt es möglich! Es iſt ſogar gewiß. Ich habe das Buch. Und unter all dieſen Stimmen iſt eine, die es mir beſonders angethan hat, das iſt die Stimme des Leather-head. Leather-head heißt Ledervogel, ein Name den dieſer Vogel führt, weil er einen völlig kahlen Kopf hat. Ich will Ihnen die Melodie pfeifen; ſie geht leiſe; Sie müſſen ſcharf aufhorchen. Unſer Reiſegefährte pfiff nun in langgezogenen Tönen die Klagemelodie des Leather-head. Selbſt im Walde war es ſtill geworden. Es war als ob die Vögel drinnen mit zu Rathe ſäßen. Das iſt ſchön, ſagte der Förſter, aber Ihr Engländer kann ſich die Melodie erfunden haben. Ich geſtehe, fuhr unſer Reiſegefährte fort, daß ich dann und wann denſelben Verdacht hatte. Aber denken Sie, wo mir plötzlich die Gewißheit kam! Sie haben vom Aquarium gehört. Nun, in dem Aquarium befindet ſich auch eine Vogelhecke, die

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/66>, abgerufen am 21.11.2024.