von Festung, Warte, Burg. Es ist ein Bau aus dem 14. Jahr- hundert, so daß etwa ein Rechenfehler von dreihundert Jahren zu verzeichnen bleibt.
An diesen Kapellenberg knüpfen sich zahlreiche Sagen, die aber, wie verschieden auch in ihrer Einkleidung, sämmtlich auf das alte, namentlich in unserer Mark beliebte Thema hinaus- laufen, "daß daselbst ein Schatz vergraben sei." Und wie glaublich oder unglaublich es sich im Uebrigen mit diesem Spuk verhalten möge, so viel ist gewiß, daß der Schatz selber in den Köpfen aller Blankenseeer eine Rolle spielt. Noch in diesem Jahrhundert, so heißt es, kam ein Herr v. Thümen ventre a terre von Berlin geritten, ließ Bauern und Tagelöhner wecken, und zog in langer Colonne auf den Berg, um unter dem alten "Bocksdornstrauch," der die eine Kapellenecke mit seinem Ge- zweige füllt, bohren und graben zu lassen. Denn unter dem Bocksdornstrauch, aber brunnentief, liegt der Schatz. Aber der Schatz kam nicht und der tolle v. Thümen mußt' es schließlich aufgeben, wie es 100 Jahre früher, noch in der sächsischen Zeit, sein Ahnherr, der alte Kreisdirector v. Thümen, auch hatte aufgeben müssen, "der doch schon ganz nahe daran gewe- sen war." Die Sage aber vom Kreisdirector, die noch von Mund zu Munde geht, ist die folgende: Es war wohl schon den dritten Tag und sie gruben immer noch. Da kamen sie endlich an eine eiserne Thür mit einem Schlüsselloch, und durch das Schlüsselloch konnten sie hineinkucken und haben eine Brau- pfanne gesehen bis über den Rand voll Geld, und auf dem Gelde der Böse, der darüber gewacht hat. Der alte Kreis- director hat aber doch nicht ablassen wollen und hat angefan- gen zu parlamentiren und an den Bösen zu schreiben. Vor- erst hat sich Keiner finden wollen, um die Briefe zu bestellen, zuletzt hat sich aber Einer richtig gefunden, der hieß Ebel, und alle Nacht hat er einen Brief vom alten Kreisdirector auf den Kapellenberg getragen. Immer wenn er an die rechte Stelle gekommen ist, um den Brief hinzulegen, hat schon ein Brief vom Bösen dagelegen und ein Münzgroschen dabei als Boten-
von Feſtung, Warte, Burg. Es iſt ein Bau aus dem 14. Jahr- hundert, ſo daß etwa ein Rechenfehler von dreihundert Jahren zu verzeichnen bleibt.
An dieſen Kapellenberg knüpfen ſich zahlreiche Sagen, die aber, wie verſchieden auch in ihrer Einkleidung, ſämmtlich auf das alte, namentlich in unſerer Mark beliebte Thema hinaus- laufen, „daß daſelbſt ein Schatz vergraben ſei.“ Und wie glaublich oder unglaublich es ſich im Uebrigen mit dieſem Spuk verhalten möge, ſo viel iſt gewiß, daß der Schatz ſelber in den Köpfen aller Blankenſeeer eine Rolle ſpielt. Noch in dieſem Jahrhundert, ſo heißt es, kam ein Herr v. Thümen ventre à terre von Berlin geritten, ließ Bauern und Tagelöhner wecken, und zog in langer Colonne auf den Berg, um unter dem alten „Bocksdornſtrauch,“ der die eine Kapellenecke mit ſeinem Ge- zweige füllt, bohren und graben zu laſſen. Denn unter dem Bocksdornſtrauch, aber brunnentief, liegt der Schatz. Aber der Schatz kam nicht und der tolle v. Thümen mußt’ es ſchließlich aufgeben, wie es 100 Jahre früher, noch in der ſächſiſchen Zeit, ſein Ahnherr, der alte Kreisdirector v. Thümen, auch hatte aufgeben müſſen, „der doch ſchon ganz nahe daran gewe- ſen war.“ Die Sage aber vom Kreisdirector, die noch von Mund zu Munde geht, iſt die folgende: Es war wohl ſchon den dritten Tag und ſie gruben immer noch. Da kamen ſie endlich an eine eiſerne Thür mit einem Schlüſſelloch, und durch das Schlüſſelloch konnten ſie hineinkucken und haben eine Brau- pfanne geſehen bis über den Rand voll Geld, und auf dem Gelde der Böſe, der darüber gewacht hat. Der alte Kreis- director hat aber doch nicht ablaſſen wollen und hat angefan- gen zu parlamentiren und an den Böſen zu ſchreiben. Vor- erſt hat ſich Keiner finden wollen, um die Briefe zu beſtellen, zuletzt hat ſich aber Einer richtig gefunden, der hieß Ebel, und alle Nacht hat er einen Brief vom alten Kreisdirector auf den Kapellenberg getragen. Immer wenn er an die rechte Stelle gekommen iſt, um den Brief hinzulegen, hat ſchon ein Brief vom Böſen dagelegen und ein Münzgroſchen dabei als Boten-
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von Feſtung, Warte, Burg. Es iſt ein Bau aus dem 14. Jahr-
hundert, ſo daß etwa ein Rechenfehler von dreihundert Jahren
zu verzeichnen bleibt.
An dieſen Kapellenberg knüpfen ſich zahlreiche Sagen, die
aber, wie verſchieden auch in ihrer Einkleidung, ſämmtlich auf
das alte, namentlich in unſerer Mark beliebte Thema hinaus-
laufen, „daß daſelbſt ein Schatz vergraben ſei.“ Und wie
glaublich oder unglaublich es ſich im Uebrigen mit dieſem Spuk
verhalten möge, ſo viel iſt gewiß, daß der Schatz ſelber in
den Köpfen aller Blankenſeeer eine Rolle ſpielt. Noch in dieſem
Jahrhundert, ſo heißt es, kam ein Herr v. Thümen ventre à
terre von Berlin geritten, ließ Bauern und Tagelöhner wecken,
und zog in langer Colonne auf den Berg, um unter dem alten
„Bocksdornſtrauch,“ der die eine Kapellenecke mit ſeinem Ge-
zweige füllt, bohren und graben zu laſſen. Denn unter dem
Bocksdornſtrauch, aber brunnentief, liegt der Schatz. Aber der
Schatz kam nicht und der tolle v. Thümen mußt’ es ſchließlich
aufgeben, wie es 100 Jahre früher, noch in der ſächſiſchen
Zeit, ſein Ahnherr, der alte Kreisdirector v. Thümen, auch
hatte aufgeben müſſen, „der doch ſchon ganz nahe daran gewe-
ſen war.“ Die Sage aber vom Kreisdirector, die noch von
Mund zu Munde geht, iſt die folgende: Es war wohl ſchon
den dritten Tag und ſie gruben immer noch. Da kamen ſie
endlich an eine eiſerne Thür mit einem Schlüſſelloch, und durch
das Schlüſſelloch konnten ſie hineinkucken und haben eine Brau-
pfanne geſehen bis über den Rand voll Geld, und auf dem
Gelde der Böſe, der darüber gewacht hat. Der alte Kreis-
director hat aber doch nicht ablaſſen wollen und hat angefan-
gen zu parlamentiren und an den Böſen zu ſchreiben. Vor-
erſt hat ſich Keiner finden wollen, um die Briefe zu beſtellen,
zuletzt hat ſich aber Einer richtig gefunden, der hieß Ebel, und
alle Nacht hat er einen Brief vom alten Kreisdirector auf den
Kapellenberg getragen. Immer wenn er an die rechte Stelle
gekommen iſt, um den Brief hinzulegen, hat ſchon ein Brief
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/392>, abgerufen am 24.11.2024.
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