möchte alle Welt wissen, wer der Unbekannte gewesen sei, der sich mit so viel Bravour an die Spitze einiger Escadrons setzte und durch rasches Eingreifen zum Siege mitwirkte. Es heißt, Ew. Majestät hätten nach seinem Namen gefragt, der Ange- redete habe sich aber geweigert sein Incognito aufzugeben. Der große König (der damals noch mehr jung als groß war und Anstand nehmen mochte einem einfachen Feldprediger einen wesentlichen Antheil am Siege zuzusprechen) fand es angemessen, in seinem Antwortschreiben die ganze Angelegenheit als eine Fabel zu bezeichnen, und wir würden uns vielleicht in der Lage befinden, den ganzen poetisch und psychologisch interessan- ten Vorgang, in Wirklichkeit als eine Fabel ansehen zu müssen, wenn wir nicht das Seegebart'sche Tagebuch und jenen Brief (an Professor Michaelis in Halle) besäßen, aus dem wir schon die obige Schlachtscene citirt haben. Das Tagebuch weist in seinem Tone und seiner Schreibweise für jeden, der sich auf den Klang von Wahrheit und Unwahrheit versteht, unwiderleglich nach, daß Pastor Seegebart eine eben so demüthige, wie hoch- herzige Natur war, ein Mann in dessen Herzen keine Lüge bestehen konnte. So glauben wir denn ihm und keinem andern wenn er am 24. Mai in aller Bescheidenheit aber auch in nicht mißzuverstehender Klarheit schreibt: "Die Sache ist beim König, der Generalität, ja der ganzen Armee bekannt geworden, und man redete in den ersten Tagen selten von dem Siege, den uns Gott gegeben, ohne daß man meiner gedacht hätte. Wenn ich ein Narr wäre, so hätte ich die beste Gelegenheit mich aufzublasen gehabt. Der König hat mir durch unsern Prinzen (Erbprinz Leopold von Anhalt-Dessau) ein sehr gnädiges Compliment machen und mich versichern lassen, "ich sollte die beste Pfarrstelle in allen seinen Landen haben," wozu der Prinz hinzusetzt: "Wenn das nicht geschähe, so wollte er mir die beste in seinem eignen Fürstenthum geben, denn ich hätte in der Bataille nicht nur wie ein Prediger, sondern auch wie ein braver Mann gethan."
möchte alle Welt wiſſen, wer der Unbekannte geweſen ſei, der ſich mit ſo viel Bravour an die Spitze einiger Escadrons ſetzte und durch raſches Eingreifen zum Siege mitwirkte. Es heißt, Ew. Majeſtät hätten nach ſeinem Namen gefragt, der Ange- redete habe ſich aber geweigert ſein Incognito aufzugeben. Der große König (der damals noch mehr jung als groß war und Anſtand nehmen mochte einem einfachen Feldprediger einen weſentlichen Antheil am Siege zuzuſprechen) fand es angemeſſen, in ſeinem Antwortſchreiben die ganze Angelegenheit als eine Fabel zu bezeichnen, und wir würden uns vielleicht in der Lage befinden, den ganzen poetiſch und pſychologiſch intereſſan- ten Vorgang, in Wirklichkeit als eine Fabel anſehen zu müſſen, wenn wir nicht das Seegebart’ſche Tagebuch und jenen Brief (an Profeſſor Michaelis in Halle) beſäßen, aus dem wir ſchon die obige Schlachtſcene citirt haben. Das Tagebuch weiſt in ſeinem Tone und ſeiner Schreibweiſe für jeden, der ſich auf den Klang von Wahrheit und Unwahrheit verſteht, unwiderleglich nach, daß Paſtor Seegebart eine eben ſo demüthige, wie hoch- herzige Natur war, ein Mann in deſſen Herzen keine Lüge beſtehen konnte. So glauben wir denn ihm und keinem andern wenn er am 24. Mai in aller Beſcheidenheit aber auch in nicht mißzuverſtehender Klarheit ſchreibt: „Die Sache iſt beim König, der Generalität, ja der ganzen Armee bekannt geworden, und man redete in den erſten Tagen ſelten von dem Siege, den uns Gott gegeben, ohne daß man meiner gedacht hätte. Wenn ich ein Narr wäre, ſo hätte ich die beſte Gelegenheit mich aufzublaſen gehabt. Der König hat mir durch unſern Prinzen (Erbprinz Leopold von Anhalt-Deſſau) ein ſehr gnädiges Compliment machen und mich verſichern laſſen, „ich ſollte die beſte Pfarrſtelle in allen ſeinen Landen haben,“ wozu der Prinz hinzuſetzt: „Wenn das nicht geſchähe, ſo wollte er mir die beſte in ſeinem eignen Fürſtenthum geben, denn ich hätte in der Bataille nicht nur wie ein Prediger, ſondern auch wie ein braver Mann gethan.“
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möchte alle Welt wiſſen, wer der Unbekannte geweſen ſei, der
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Ew. Majeſtät hätten nach ſeinem Namen gefragt, der Ange-
redete habe ſich aber geweigert ſein Incognito aufzugeben. Der
große König (der damals noch mehr jung als groß war und
Anſtand nehmen mochte einem einfachen Feldprediger einen
weſentlichen Antheil am Siege zuzuſprechen) fand es angemeſſen,
in ſeinem Antwortſchreiben die ganze Angelegenheit als eine
Fabel zu bezeichnen, und wir würden uns vielleicht in der
Lage befinden, den ganzen poetiſch und pſychologiſch intereſſan-
ten Vorgang, in Wirklichkeit als eine Fabel anſehen zu müſſen,
wenn wir nicht das Seegebart’ſche Tagebuch und jenen Brief
(an Profeſſor Michaelis in Halle) beſäßen, aus dem wir ſchon
die obige Schlachtſcene citirt haben. Das Tagebuch weiſt in
ſeinem Tone und ſeiner Schreibweiſe für jeden, der ſich auf den
Klang von Wahrheit und Unwahrheit verſteht, unwiderleglich
nach, daß Paſtor Seegebart eine eben ſo demüthige, wie hoch-
herzige Natur war, ein Mann in deſſen Herzen keine Lüge
beſtehen konnte. So glauben wir denn ihm und keinem andern
wenn er am 24. Mai in aller Beſcheidenheit aber auch in nicht
mißzuverſtehender Klarheit ſchreibt:
„Die Sache iſt beim König, der Generalität, ja der ganzen
Armee bekannt geworden, und man redete in den erſten
Tagen ſelten von dem Siege, den uns Gott gegeben, ohne
daß man meiner gedacht hätte. Wenn ich ein Narr wäre,
ſo hätte ich die beſte Gelegenheit mich aufzublaſen gehabt.
Der König hat mir durch unſern Prinzen (Erbprinz Leopold
von Anhalt-Deſſau) ein ſehr gnädiges Compliment machen
und mich verſichern laſſen, „ich ſollte die beſte Pfarrſtelle in
allen ſeinen Landen haben,“ wozu der Prinz hinzuſetzt:
„Wenn das nicht geſchähe, ſo wollte er mir die beſte in
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Bataille nicht nur wie ein Prediger, ſondern auch wie ein
braver Mann gethan.“
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/368>, abgerufen am 24.11.2024.
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