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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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ob katholisirend oder nicht, an den dreieinigen Gott glaubten
und diesen Glauben dem Deismus, dem Pantheismus und
Atheismus gegenüberstellten.

Wer will in dieser Reactionsbewegung, die den Glaubens-
inhalt vergangener Jahrhunderte zurückverlangt, ein- für alle-
mal einen geistigen Rückschritt, eine Einbuße an ideellen Gütern
erkennen? Wer hat den Muth, die Glaubenskraft des Men-
schen unter die Verstandeskraft zu stellen? Glaube und wissen-
schaftliche Erkenntniß schließen einander nicht aus, und mit höch-
ster Geisteskraft ist höchste Glaubenskraft durch ganze Epochen
hin vereinigt gewesen. Das Rosenkreuzerthum hat dadurch keine
Sünde auf sich geladen, daß es das Gegentheil von dem
wollte, was der alte Nicolai wollte.*)

*) Wie wenig der alte Nicolai, mit all seinen Meriten, im Stande
war, einer Erscheinung wie der des Rosenkreuzer-Ordens gerecht zu wer-
den, geht aus seinen eigenen Aufzeichnungen am besten hervor. Er sah
in Allem, was damals, in Dichtung und Philosophie, den Vorhang
zu lüften gedachte, nur Eitelkeit, Anmaßung, Phantasterei und Geister-
schwindel, und stand gegen die ganze junge Literatur, wenigstens so
weit sie romantisch war, ebenso feindselig, wie gegen Wöllner und die
Rosenkreuzerei. "Die Herren Fichte, Schelling, Hegel, Schle-
gel, Tieck
und wie die sich wichtig dünkenden Männer und Männchen
weiter heißen, preisen sich zwar fleißigst Einer den Andern und sprechen
von allen Philosophen und Dichtern, welche nicht zu ihrer geheiligten
Kirche gehören, so wie auch von der gesunden Vernunft und Auf-
klärung aufs Verächtlichste. Aber auch das Verachten will nicht gelin-
gen .... Sie versichern daher die Entdeckung gemacht zu haben, daß
Fichte und Schelling -- ob sie gleich, leider! schon anfangen von einan-
der zu differiren (wie uns Hr. Hegel, ein neulichst berühmt werden-
wollender Philosoph, in einer besondern Schrift des Breiteren ausein-
andersetzt) -- dennoch die einzigen Philosophen sind, denen, auch wenn
sie nicht übereinstimmen, allein das wahre Wissen vom Subject-
Objecte
gebührt. Ferner noch haben diese Herren durch ihre intellec-
tuelle Anschauung deutlich erkannt, daß Wieland und Klopstock keine
Dichter sind, hingegen Friedrich Schlegel und Ludwig Tieck
Dichter vom größten Genie!" -- So eifert Nicolai über viele Seiten
hin. An einer anderen Stelle zieht er direct Parallelen zwischen den
Rosenkreuzern einerseits und Fichte-Schelling andererseits und findet,

ob katholiſirend oder nicht, an den dreieinigen Gott glaubten
und dieſen Glauben dem Deismus, dem Pantheismus und
Atheismus gegenüberſtellten.

Wer will in dieſer Reactionsbewegung, die den Glaubens-
inhalt vergangener Jahrhunderte zurückverlangt, ein- für alle-
mal einen geiſtigen Rückſchritt, eine Einbuße an ideellen Gütern
erkennen? Wer hat den Muth, die Glaubenskraft des Men-
ſchen unter die Verſtandeskraft zu ſtellen? Glaube und wiſſen-
ſchaftliche Erkenntniß ſchließen einander nicht aus, und mit höch-
ſter Geiſteskraft iſt höchſte Glaubenskraft durch ganze Epochen
hin vereinigt geweſen. Das Roſenkreuzerthum hat dadurch keine
Sünde auf ſich geladen, daß es das Gegentheil von dem
wollte, was der alte Nicolai wollte.*)

*) Wie wenig der alte Nicolai, mit all ſeinen Meriten, im Stande
war, einer Erſcheinung wie der des Roſenkreuzer-Ordens gerecht zu wer-
den, geht aus ſeinen eigenen Aufzeichnungen am beſten hervor. Er ſah
in Allem, was damals, in Dichtung und Philoſophie, den Vorhang
zu lüften gedachte, nur Eitelkeit, Anmaßung, Phantaſterei und Geiſter-
ſchwindel, und ſtand gegen die ganze junge Literatur, wenigſtens ſo
weit ſie romantiſch war, ebenſo feindſelig, wie gegen Wöllner und die
Roſenkreuzerei. „Die Herren Fichte, Schelling, Hegel, Schle-
gel, Tieck
und wie die ſich wichtig dünkenden Männer und Männchen
weiter heißen, preiſen ſich zwar fleißigſt Einer den Andern und ſprechen
von allen Philoſophen und Dichtern, welche nicht zu ihrer geheiligten
Kirche gehören, ſo wie auch von der geſunden Vernunft und Auf-
klärung aufs Verächtlichſte. Aber auch das Verachten will nicht gelin-
gen .... Sie verſichern daher die Entdeckung gemacht zu haben, daß
Fichte und Schelling — ob ſie gleich, leider! ſchon anfangen von einan-
der zu differiren (wie uns Hr. Hegel, ein neulichſt berühmt werden-
wollender Philoſoph, in einer beſondern Schrift des Breiteren ausein-
anderſetzt) — dennoch die einzigen Philoſophen ſind, denen, auch wenn
ſie nicht übereinſtimmen, allein das wahre Wiſſen vom Subject-
Objecte
gebührt. Ferner noch haben dieſe Herren durch ihre intellec-
tuelle Anſchauung deutlich erkannt, daß Wieland und Klopſtock keine
Dichter ſind, hingegen Friedrich Schlegel und Ludwig Tieck
Dichter vom größten Genie!“ — So eifert Nicolai über viele Seiten
hin. An einer anderen Stelle zieht er direct Parallelen zwiſchen den
Roſenkreuzern einerſeits und Fichte-Schelling andererſeits und findet,
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[315/0333] ob katholiſirend oder nicht, an den dreieinigen Gott glaubten und dieſen Glauben dem Deismus, dem Pantheismus und Atheismus gegenüberſtellten. Wer will in dieſer Reactionsbewegung, die den Glaubens- inhalt vergangener Jahrhunderte zurückverlangt, ein- für alle- mal einen geiſtigen Rückſchritt, eine Einbuße an ideellen Gütern erkennen? Wer hat den Muth, die Glaubenskraft des Men- ſchen unter die Verſtandeskraft zu ſtellen? Glaube und wiſſen- ſchaftliche Erkenntniß ſchließen einander nicht aus, und mit höch- ſter Geiſteskraft iſt höchſte Glaubenskraft durch ganze Epochen hin vereinigt geweſen. Das Roſenkreuzerthum hat dadurch keine Sünde auf ſich geladen, daß es das Gegentheil von dem wollte, was der alte Nicolai wollte. *) *) Wie wenig der alte Nicolai, mit all ſeinen Meriten, im Stande war, einer Erſcheinung wie der des Roſenkreuzer-Ordens gerecht zu wer- den, geht aus ſeinen eigenen Aufzeichnungen am beſten hervor. Er ſah in Allem, was damals, in Dichtung und Philoſophie, den Vorhang zu lüften gedachte, nur Eitelkeit, Anmaßung, Phantaſterei und Geiſter- ſchwindel, und ſtand gegen die ganze junge Literatur, wenigſtens ſo weit ſie romantiſch war, ebenſo feindſelig, wie gegen Wöllner und die Roſenkreuzerei. „Die Herren Fichte, Schelling, Hegel, Schle- gel, Tieck und wie die ſich wichtig dünkenden Männer und Männchen weiter heißen, preiſen ſich zwar fleißigſt Einer den Andern und ſprechen von allen Philoſophen und Dichtern, welche nicht zu ihrer geheiligten Kirche gehören, ſo wie auch von der geſunden Vernunft und Auf- klärung aufs Verächtlichſte. Aber auch das Verachten will nicht gelin- gen .... Sie verſichern daher die Entdeckung gemacht zu haben, daß Fichte und Schelling — ob ſie gleich, leider! ſchon anfangen von einan- der zu differiren (wie uns Hr. Hegel, ein neulichſt berühmt werden- wollender Philoſoph, in einer beſondern Schrift des Breiteren ausein- anderſetzt) — dennoch die einzigen Philoſophen ſind, denen, auch wenn ſie nicht übereinſtimmen, allein das wahre Wiſſen vom Subject- Objecte gebührt. Ferner noch haben dieſe Herren durch ihre intellec- tuelle Anſchauung deutlich erkannt, daß Wieland und Klopſtock keine Dichter ſind, hingegen Friedrich Schlegel und Ludwig Tieck Dichter vom größten Genie!“ — So eifert Nicolai über viele Seiten hin. An einer anderen Stelle zieht er direct Parallelen zwiſchen den Roſenkreuzern einerſeits und Fichte-Schelling andererſeits und findet,

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 315. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/333>, abgerufen am 27.11.2024.