dies zur Genüge. Manche Gegenden haben nur wendische Namen. Um ein Beispiel statt vieler zu geben, die Dörfer um Ruppin herum heißen: Carwe, Gnewkow, Gartz, Wustrau, Bechlin, Steffin, Krentzlin, Metzeltin, Dabergotz, Gantzer, Lentzke, Manker etc., lauter wendische Namen. Aehnlich ist es überall in der Mark, in Lausitz und Pommern; selbst viele deutsch klingende Namen wie Wustrau, Wusterhausen etc. sind nur ein germanisirtes Wendisch.
Wie die Dörfer waren, ob groß ob klein, ob stark bevöl- kert oder schwach, kann, da jegliche bestimmte Angabe darüber fehlt, nur durch Combination herausgerechnet, also nur hypo- thetisch festgestellt werden. Die große Zahl der Todtenurnen, die man findet, außerdem die Mittheilungen Thietmar's u. A., daß bei Lunkini 100,000 Wenden gefallen seien, scheinen darauf hinzudeuten, daß das Land allerdings stark bevölkert war. Unsicher, wie wir über Art und Größe der wendischen Dör- fer sind, sind wir's auch über die Städte. Einzelne galten für bedeutend genug, um mit den Schilderungen ihres Glanzes und ihres Unterganges die Welt zu füllen, und wie geneigt wir sein mögen, der poetischen Darstellung an diesem Weltruhm das beste Theil zuzuschreiben, so kann doch das Geschilderte nicht ganz Fiktion gewesen sein, sondern muß in irgend etwas Vor- handenem seine reale Anlehnung gehabt haben. Besonderes Ansehen hatten die Handelsstädte am baltischen Meere. Unter diesen war Jumne, wahrscheinlich am Ausfluß der Swine gelegen, eine der gefeiertsten. Adam von Bremen erzählt von ihr: sie sei eine sehr angesehene Stadt und der größte Ort, den das heidnische Europa aufzuweisen habe. "In ihr -- so fährt er fort -- wohnen Slaven und andere Nationen, Grie- chen und Barbaren. Denn auch den dort ankommenden Sachsen ist, unter gleichem Rechte mit den Uebrigen, zusammen zu wohnen verstattet, freilich nur, so lange sie ihr Christenthum nicht öffentlich kundgeben. Uebrigens wird, was Sitte und Gastlichkeit anlangt, kein Volk zu finden sein, das sich ehrenwerther und dienstfertiger bewiese. Jene Stadt besitzt auch
dies zur Genüge. Manche Gegenden haben nur wendiſche Namen. Um ein Beiſpiel ſtatt vieler zu geben, die Dörfer um Ruppin herum heißen: Carwe, Gnewkow, Gartz, Wuſtrau, Bechlin, Steffin, Krentzlin, Metzeltin, Dabergotz, Gantzer, Lentzke, Manker ꝛc., lauter wendiſche Namen. Aehnlich iſt es überall in der Mark, in Lauſitz und Pommern; ſelbſt viele deutſch klingende Namen wie Wuſtrau, Wuſterhauſen ꝛc. ſind nur ein germaniſirtes Wendiſch.
Wie die Dörfer waren, ob groß ob klein, ob ſtark bevöl- kert oder ſchwach, kann, da jegliche beſtimmte Angabe darüber fehlt, nur durch Combination herausgerechnet, alſo nur hypo- thetiſch feſtgeſtellt werden. Die große Zahl der Todtenurnen, die man findet, außerdem die Mittheilungen Thietmar’s u. A., daß bei Lunkini 100,000 Wenden gefallen ſeien, ſcheinen darauf hinzudeuten, daß das Land allerdings ſtark bevölkert war. Unſicher, wie wir über Art und Größe der wendiſchen Dör- fer ſind, ſind wir’s auch über die Städte. Einzelne galten für bedeutend genug, um mit den Schilderungen ihres Glanzes und ihres Unterganges die Welt zu füllen, und wie geneigt wir ſein mögen, der poetiſchen Darſtellung an dieſem Weltruhm das beſte Theil zuzuſchreiben, ſo kann doch das Geſchilderte nicht ganz Fiktion geweſen ſein, ſondern muß in irgend etwas Vor- handenem ſeine reale Anlehnung gehabt haben. Beſonderes Anſehen hatten die Handelsſtädte am baltiſchen Meere. Unter dieſen war Jumne, wahrſcheinlich am Ausfluß der Swine gelegen, eine der gefeiertſten. Adam von Bremen erzählt von ihr: ſie ſei eine ſehr angeſehene Stadt und der größte Ort, den das heidniſche Europa aufzuweiſen habe. „In ihr — ſo fährt er fort — wohnen Slaven und andere Nationen, Grie- chen und Barbaren. Denn auch den dort ankommenden Sachſen iſt, unter gleichem Rechte mit den Uebrigen, zuſammen zu wohnen verſtattet, freilich nur, ſo lange ſie ihr Chriſtenthum nicht öffentlich kundgeben. Uebrigens wird, was Sitte und Gaſtlichkeit anlangt, kein Volk zu finden ſein, das ſich ehrenwerther und dienſtfertiger bewieſe. Jene Stadt beſitzt auch
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[15/0033]
dies zur Genüge. Manche Gegenden haben nur wendiſche
Namen. Um ein Beiſpiel ſtatt vieler zu geben, die Dörfer
um Ruppin herum heißen: Carwe, Gnewkow, Gartz, Wuſtrau,
Bechlin, Steffin, Krentzlin, Metzeltin, Dabergotz, Gantzer,
Lentzke, Manker ꝛc., lauter wendiſche Namen. Aehnlich iſt es
überall in der Mark, in Lauſitz und Pommern; ſelbſt viele
deutſch klingende Namen wie Wuſtrau, Wuſterhauſen ꝛc. ſind
nur ein germaniſirtes Wendiſch.
Wie die Dörfer waren, ob groß ob klein, ob ſtark bevöl-
kert oder ſchwach, kann, da jegliche beſtimmte Angabe darüber
fehlt, nur durch Combination herausgerechnet, alſo nur hypo-
thetiſch feſtgeſtellt werden. Die große Zahl der Todtenurnen,
die man findet, außerdem die Mittheilungen Thietmar’s u. A.,
daß bei Lunkini 100,000 Wenden gefallen ſeien, ſcheinen darauf
hinzudeuten, daß das Land allerdings ſtark bevölkert war.
Unſicher, wie wir über Art und Größe der wendiſchen Dör-
fer ſind, ſind wir’s auch über die Städte. Einzelne galten
für bedeutend genug, um mit den Schilderungen ihres Glanzes
und ihres Unterganges die Welt zu füllen, und wie geneigt
wir ſein mögen, der poetiſchen Darſtellung an dieſem Weltruhm
das beſte Theil zuzuſchreiben, ſo kann doch das Geſchilderte nicht
ganz Fiktion geweſen ſein, ſondern muß in irgend etwas Vor-
handenem ſeine reale Anlehnung gehabt haben. Beſonderes
Anſehen hatten die Handelsſtädte am baltiſchen Meere. Unter
dieſen war Jumne, wahrſcheinlich am Ausfluß der Swine
gelegen, eine der gefeiertſten. Adam von Bremen erzählt von
ihr: ſie ſei eine ſehr angeſehene Stadt und der größte Ort,
den das heidniſche Europa aufzuweiſen habe. „In ihr — ſo
fährt er fort — wohnen Slaven und andere Nationen, Grie-
chen und Barbaren. Denn auch den dort ankommenden Sachſen
iſt, unter gleichem Rechte mit den Uebrigen, zuſammen zu
wohnen verſtattet, freilich nur, ſo lange ſie ihr Chriſtenthum
nicht öffentlich kundgeben. Uebrigens wird, was Sitte und
Gaſtlichkeit anlangt, kein Volk zu finden ſein, das ſich
ehrenwerther und dienſtfertiger bewieſe. Jene Stadt beſitzt auch
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/33>, abgerufen am 27.11.2024.
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