dicht an das Schloß herantritt; -- es war indessen die Möglich- keit eines "nein," nachdem man bereits bis hierher gediehen war, so gut wie abgeschnitten, und zwar um so mehr, als eben jetzt der Hof, in seiner Mitte der Kaiser, erschien und Kreis schließend, links auf dem Kieswege, rechts auf dem Rasenplatze Aufstellung nahm. Nach rechts hin, unter den Ministern und Generälen stand auch die Rachel.
Es war inzwischen dunkel geworden, so dunkel, daß ihr Bruder ein in einer Glasglocke steckendes Licht ergriff und an die Seite der Schwester trat; späterhin, inmitten der Deklama- tion, reichte auch das nicht aus und die berühmte Tragödin nahm dem Bruder das Windlicht aus der Hand, um sich selber die Beleuchtung zu geben. Ihr Mienenspiel war ihre Größe. Sie hatte eine Stelle aus der Athalie gewählt, jene, 5. Akt 5. Scene, wo sie dem hohen Priester das Kind abfordert: Ce que tu m'as promis, songe a l'executer: Cet enfant, ce tresor, qu'il faut qu'on me remette, Ou sont-ils?
Sie spielte groß, gewaltig; es war, als ob das Fehlen alles Apparats die Wirkung steigere. Der Genius, ungehindert durch Flitter und Dekorationen, wirkte ganz als er selbst. Dabei brachen die Schatten des Abends immer mehr herein; die Luft war lau, und aus der Ferne her klang das Plätschern der Fontainen.
Alles war hingerissen. Zumeist der König. Kaum minder sein Gast, der Kaiser. Er trat an die Tragödin heran: J'espere de vous voir a Petersbourg. Mille remerciments; mais ... Votre Majeste ... Je vous invite, moi.
Die kaiserliche Einladung war ausgesprochen, das Ziel erreicht, der große Preis des Abends gewonnen.
Eine Viertelstunde später, in lampiongeschmückten Gondeln, kehrte der Hof, der auf eine kurze Stunde die Pfaueninselstille belebt hatte, wieder in die jenseit der breiten Havelfläche gelegenen Schlös- ser zurück, nach Glienicke, nach Sanssouci, nach dem Neuen Palais. An der Stelle aber, an der an jenem Abend die Rachel gesprochen
dicht an das Schloß herantritt; — es war indeſſen die Möglich- keit eines „nein,“ nachdem man bereits bis hierher gediehen war, ſo gut wie abgeſchnitten, und zwar um ſo mehr, als eben jetzt der Hof, in ſeiner Mitte der Kaiſer, erſchien und Kreis ſchließend, links auf dem Kieswege, rechts auf dem Raſenplatze Aufſtellung nahm. Nach rechts hin, unter den Miniſtern und Generälen ſtand auch die Rachel.
Es war inzwiſchen dunkel geworden, ſo dunkel, daß ihr Bruder ein in einer Glasglocke ſteckendes Licht ergriff und an die Seite der Schweſter trat; ſpäterhin, inmitten der Deklama- tion, reichte auch das nicht aus und die berühmte Tragödin nahm dem Bruder das Windlicht aus der Hand, um ſich ſelber die Beleuchtung zu geben. Ihr Mienenſpiel war ihre Größe. Sie hatte eine Stelle aus der Athalie gewählt, jene, 5. Akt 5. Scene, wo ſie dem hohen Prieſter das Kind abfordert: Ce que tu m’as promis, songe à l’executer: Cet enfant, ce trésor, qu’il faut qu’on me remette, Où sont-ils?
Sie ſpielte groß, gewaltig; es war, als ob das Fehlen alles Apparats die Wirkung ſteigere. Der Genius, ungehindert durch Flitter und Dekorationen, wirkte ganz als er ſelbſt. Dabei brachen die Schatten des Abends immer mehr herein; die Luft war lau, und aus der Ferne her klang das Plätſchern der Fontainen.
Alles war hingeriſſen. Zumeiſt der König. Kaum minder ſein Gaſt, der Kaiſer. Er trat an die Tragödin heran: J’espère de vous voir à Petersbourg. Mille remerciments; mais … Votre Majesté … Je vous invite, moi.
Die kaiſerliche Einladung war ausgeſprochen, das Ziel erreicht, der große Preis des Abends gewonnen.
Eine Viertelſtunde ſpäter, in lampiongeſchmückten Gondeln, kehrte der Hof, der auf eine kurze Stunde die Pfaueninſelſtille belebt hatte, wieder in die jenſeit der breiten Havelfläche gelegenen Schlöſ- ſer zurück, nach Glienicke, nach Sansſouci, nach dem Neuen Palais. An der Stelle aber, an der an jenem Abend die Rachel geſprochen
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dicht an das Schloß herantritt; — es war indeſſen die Möglich-
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jetzt der Hof, in ſeiner Mitte der Kaiſer, erſchien und Kreis
ſchließend, links auf dem Kieswege, rechts auf dem Raſenplatze
Aufſtellung nahm. Nach rechts hin, unter den Miniſtern und
Generälen ſtand auch die Rachel.
Es war inzwiſchen dunkel geworden, ſo dunkel, daß ihr
Bruder ein in einer Glasglocke ſteckendes Licht ergriff und an
die Seite der Schweſter trat; ſpäterhin, inmitten der Deklama-
tion, reichte auch das nicht aus und die berühmte Tragödin nahm
dem Bruder das Windlicht aus der Hand, um ſich ſelber die
Beleuchtung zu geben. Ihr Mienenſpiel war ihre Größe. Sie
hatte eine Stelle aus der Athalie gewählt, jene, 5. Akt 5. Scene,
wo ſie dem hohen Prieſter das Kind abfordert:
Ce que tu m’as promis, songe à l’executer:
Cet enfant, ce trésor, qu’il faut qu’on me remette,
Où sont-ils?
Sie ſpielte groß, gewaltig; es war, als ob das Fehlen alles
Apparats die Wirkung ſteigere. Der Genius, ungehindert durch
Flitter und Dekorationen, wirkte ganz als er ſelbſt. Dabei brachen
die Schatten des Abends immer mehr herein; die Luft war lau,
und aus der Ferne her klang das Plätſchern der Fontainen.
Alles war hingeriſſen. Zumeiſt der König. Kaum minder
ſein Gaſt, der Kaiſer. Er trat an die Tragödin heran:
J’espère de vous voir à Petersbourg.
Mille remerciments; mais … Votre Majesté …
Je vous invite, moi.
Die kaiſerliche Einladung war ausgeſprochen, das Ziel
erreicht, der große Preis des Abends gewonnen.
Eine Viertelſtunde ſpäter, in lampiongeſchmückten Gondeln,
kehrte der Hof, der auf eine kurze Stunde die Pfaueninſelſtille belebt
hatte, wieder in die jenſeit der breiten Havelfläche gelegenen Schlöſ-
ſer zurück, nach Glienicke, nach Sansſouci, nach dem Neuen Palais.
An der Stelle aber, an der an jenem Abend die Rachel geſprochen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der dritte Band "Ost-Havelland. Die Landschaft um Spandau, Potsdam, Brandenburg" 1873 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/172>, abgerufen am 24.11.2024.
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