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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Versuch der Auflehnung, ein passiver Widerstand, wurde geübt.
Als es sich darum handelte, einem der Klosterdörfer einen neuen
Geistlichen zu geben, wurde der alte Abt Valentin aufgefor-
dert, die übliche Präsentation, die Einführung des Geistlichen
in die Gemeinde zu übernehmen. Abt Valentin lehnte dies
ab, weil er es verschmähte, der Beauftragte, der Abgesandte
protestantischer Kirchenvisitatoren zu sein; aber bei diesen bloßen
Anfängen eines Widerstandes hatte es sein Bewenden. Der
alte Abt, zu hofmännisch geschult, um dem Sohn und Nach-
folger seines heimgegangenen Kurfürsten eine ernste Gegnerschaft
zu bereiten, zu schwach für den Kampf selbst, wenn er ihn hätte
kämpfen wollen, beugte sich ergebungsvoll unter das neue Regi-
ment, und schon zu Neujahr 1542 bittet er den Kurfürsten
nicht nur: "ihm und seinem Kloster auch bei veränderten
Zeitläuften allezeit ein gnädigster Herre zu sein," sondern fügt
auch den Wunsch bei, "daß seine kurfürstliche Durchlaucht ihm
und seinen Fratribus, wie bisher, etzliches Wildpret ver-
ehren möge."

So verläuft der Widerstreit fast in Gemüthlichkeit, bis im
Laufe desselben Jahres der alte Abt das Zeitliche segnet. Sein
Tod macht den Strich unter die Rechnung des Klosters; keine
Rücksichten auf den "alten Gevatter des Vaters" hemmen län-
ger die Aktion des Sohnes, und der Befehl ergeht an die
Mönche: keinen neuen Abt zu wählen. Den Mönchen
selber wird freigestellt, ob sie "bleiben oder wandern" wollen,
und die Mehrzahl, alles was jung, gescheidt oder thatkräftig ist,
wählt das letztere und wandert aus.*)

*) Eine Urkunde vom 8. Dezember 1542 hat uns die Namen von
zehn Klosterbrüdern aufbewahrt, die mit Geld und Kleidung ("mehr als
wir verhofft") ausgerüstet, Lehnin verließen und in die Welt gingen.
Es waren: Caspar Welle, Christoph Brun, Martin Uchten-
hagen, Joachim Kersten, Joachim Sandmann, Gregorius
Kock, Wipertus Schulte, Heinrich Forten, Maternus Meier,
Valentin Vissow
. Dazu kamen später: Steffen Lindstedt und
Johannes Nagel, beide aus Stendal, ferner Gerhard Berch-

Verſuch der Auflehnung, ein paſſiver Widerſtand, wurde geübt.
Als es ſich darum handelte, einem der Kloſterdörfer einen neuen
Geiſtlichen zu geben, wurde der alte Abt Valentin aufgefor-
dert, die übliche Präſentation, die Einführung des Geiſtlichen
in die Gemeinde zu übernehmen. Abt Valentin lehnte dies
ab, weil er es verſchmähte, der Beauftragte, der Abgeſandte
proteſtantiſcher Kirchenviſitatoren zu ſein; aber bei dieſen bloßen
Anfängen eines Widerſtandes hatte es ſein Bewenden. Der
alte Abt, zu hofmänniſch geſchult, um dem Sohn und Nach-
folger ſeines heimgegangenen Kurfürſten eine ernſte Gegnerſchaft
zu bereiten, zu ſchwach für den Kampf ſelbſt, wenn er ihn hätte
kämpfen wollen, beugte ſich ergebungsvoll unter das neue Regi-
ment, und ſchon zu Neujahr 1542 bittet er den Kurfürſten
nicht nur: „ihm und ſeinem Kloſter auch bei veränderten
Zeitläuften allezeit ein gnädigſter Herre zu ſein,“ ſondern fügt
auch den Wunſch bei, „daß ſeine kurfürſtliche Durchlaucht ihm
und ſeinen Fratribus, wie bisher, etzliches Wildpret ver-
ehren möge.“

So verläuft der Widerſtreit faſt in Gemüthlichkeit, bis im
Laufe deſſelben Jahres der alte Abt das Zeitliche ſegnet. Sein
Tod macht den Strich unter die Rechnung des Kloſters; keine
Rückſichten auf den „alten Gevatter des Vaters“ hemmen län-
ger die Aktion des Sohnes, und der Befehl ergeht an die
Mönche: keinen neuen Abt zu wählen. Den Mönchen
ſelber wird freigeſtellt, ob ſie „bleiben oder wandern“ wollen,
und die Mehrzahl, alles was jung, geſcheidt oder thatkräftig iſt,
wählt das letztere und wandert aus.*)

*) Eine Urkunde vom 8. Dezember 1542 hat uns die Namen von
zehn Kloſterbrüdern aufbewahrt, die mit Geld und Kleidung („mehr als
wir verhofft“) ausgerüſtet, Lehnin verließen und in die Welt gingen.
Es waren: Caspar Welle, Chriſtoph Brun, Martin Uchten-
hagen, Joachim Kerſten, Joachim Sandmann, Gregorius
Kock, Wipertus Schulte, Heinrich Forten, Maternus Meier,
Valentin Viſſow
. Dazu kamen ſpäter: Steffen Lindſtedt und
Johannes Nagel, beide aus Stendal, ferner Gerhard Berch-
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[102/0120] Verſuch der Auflehnung, ein paſſiver Widerſtand, wurde geübt. Als es ſich darum handelte, einem der Kloſterdörfer einen neuen Geiſtlichen zu geben, wurde der alte Abt Valentin aufgefor- dert, die übliche Präſentation, die Einführung des Geiſtlichen in die Gemeinde zu übernehmen. Abt Valentin lehnte dies ab, weil er es verſchmähte, der Beauftragte, der Abgeſandte proteſtantiſcher Kirchenviſitatoren zu ſein; aber bei dieſen bloßen Anfängen eines Widerſtandes hatte es ſein Bewenden. Der alte Abt, zu hofmänniſch geſchult, um dem Sohn und Nach- folger ſeines heimgegangenen Kurfürſten eine ernſte Gegnerſchaft zu bereiten, zu ſchwach für den Kampf ſelbſt, wenn er ihn hätte kämpfen wollen, beugte ſich ergebungsvoll unter das neue Regi- ment, und ſchon zu Neujahr 1542 bittet er den Kurfürſten nicht nur: „ihm und ſeinem Kloſter auch bei veränderten Zeitläuften allezeit ein gnädigſter Herre zu ſein,“ ſondern fügt auch den Wunſch bei, „daß ſeine kurfürſtliche Durchlaucht ihm und ſeinen Fratribus, wie bisher, etzliches Wildpret ver- ehren möge.“ So verläuft der Widerſtreit faſt in Gemüthlichkeit, bis im Laufe deſſelben Jahres der alte Abt das Zeitliche ſegnet. Sein Tod macht den Strich unter die Rechnung des Kloſters; keine Rückſichten auf den „alten Gevatter des Vaters“ hemmen län- ger die Aktion des Sohnes, und der Befehl ergeht an die Mönche: keinen neuen Abt zu wählen. Den Mönchen ſelber wird freigeſtellt, ob ſie „bleiben oder wandern“ wollen, und die Mehrzahl, alles was jung, geſcheidt oder thatkräftig iſt, wählt das letztere und wandert aus. *) *) Eine Urkunde vom 8. Dezember 1542 hat uns die Namen von zehn Kloſterbrüdern aufbewahrt, die mit Geld und Kleidung („mehr als wir verhofft“) ausgerüſtet, Lehnin verließen und in die Welt gingen. Es waren: Caspar Welle, Chriſtoph Brun, Martin Uchten- hagen, Joachim Kerſten, Joachim Sandmann, Gregorius Kock, Wipertus Schulte, Heinrich Forten, Maternus Meier, Valentin Viſſow. Dazu kamen ſpäter: Steffen Lindſtedt und Johannes Nagel, beide aus Stendal, ferner Gerhard Berch-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/120>, abgerufen am 23.11.2024.