Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.benachbarten Wittenberg immer lauter zu werden drohte. Unser Abt Valentin, wie wir annehmen dürfen, ging viel zu *) Dieser Altarschrein, der jetzt eine Zierde und Sehenswürdigkeit
des schönen Brandenburger Domes bildet, hat eine Höhe von etwa 9 Fuß bei circa 12 Fuß Breite. Die Einrichtung ist die herkömmliche: ein Mittelstück mit zwei Flügel- oder Klappthüren, die je nach Gefallen geöffnet oder geschlossen werden können. Das Mittelstück zeigt in seiner schreinartigen Vertiefung die Gestalt der heiligen Jungfrau; rechts neben ihr Paulus mit dem Schwert, zur Linken Petrus mit dem Schlüssel. Diese drei Figuren sind Holzschnitzwerk, buntbemalt, mehr derb charac- teristisch als schön. Der hohe Kunstwerth des Schreins besteht lediglich benachbarten Wittenberg immer lauter zu werden drohte. Unſer Abt Valentin, wie wir annehmen dürfen, ging viel zu *) Dieſer Altarſchrein, der jetzt eine Zierde und Sehenswürdigkeit
des ſchönen Brandenburger Domes bildet, hat eine Höhe von etwa 9 Fuß bei circa 12 Fuß Breite. Die Einrichtung iſt die herkömmliche: ein Mittelſtück mit zwei Flügel- oder Klappthüren, die je nach Gefallen geöffnet oder geſchloſſen werden können. Das Mittelſtück zeigt in ſeiner ſchreinartigen Vertiefung die Geſtalt der heiligen Jungfrau; rechts neben ihr Paulus mit dem Schwert, zur Linken Petrus mit dem Schlüſſel. Dieſe drei Figuren ſind Holzſchnitzwerk, buntbemalt, mehr derb charac- teriſtiſch als ſchön. Der hohe Kunſtwerth des Schreins beſteht lediglich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0118" n="100"/> benachbarten Wittenberg immer lauter zu werden drohte. Unſer<lb/> Abt, in der That, ſchien vor jedem andern berufen, durch die<lb/> Art ſeines Auftretens, durch Feſtigkeit und Milde, dem „Umſich-<lb/> greifen der Irrlehre,“ wie es damals hieß, zu ſteuern, und<lb/> als Beauftragter des Brandenburger Biſchofs (<hi rendition="#g">Hieronymus<lb/> Scultetus</hi>) erſchien er in Wittenberg, um den Auguſtiner-<lb/> Mönch zu warnen. Sein Erſcheinen ſcheint nicht ohne Einfluß<lb/> auf Luther geblieben zu ſein, der nicht nur ſeinem Freund<lb/><hi rendition="#g">Spalatinus</hi> bemerkte: wie er ganz beſchämt geweſen ſei, daß<lb/> ein ſo hoher Geiſtlicher (der Biſchof) einen ſo <hi rendition="#g">hohen Abt</hi> ſo<lb/> demüthig an ihn abgeſandt habe,“ ſondern auch am 22. Mai<lb/> 1518 dem Biſchof von Brandenburg ſchrieb: „Ich erkläre<lb/> hiermit ausdrücklich und mit klaren Worten, daß ich in der<lb/> Sache des Ablaſſes nur <hi rendition="#g">disputire,</hi> aber nichts feſtſtelle.“</p><lb/> <p>Abt <hi rendition="#g">Valentin,</hi> wie wir annehmen dürfen, ging viel zu<lb/> Hofe, aber wenn ſchon er häufiger in dem Abthauſe zu <hi rendition="#g">Ber-<lb/> lin</hi> als in dem Abthauſe des Kloſters ſelber anweſend ſein<lb/> mochte, ſo war er doch nicht gewillt, um Hof und Politik willen<lb/> den unmittelbaren Obliegenheiten ſeines Amtes, der Fürſorge<lb/> für das Kloſter ſelber, aus dem Wege zu gehen. Wir ſehen<lb/> ihn, wie er ſich das Wachsthum, die Gerechtſame, vor allem<lb/> auch die Schönheit und die Ausſchmückung ſeines Kloſters ange-<lb/> legen ſein läßt; er ſchenkt Glocken, er errichtet Altäre, vor<lb/> allem zieht er die unter <hi rendition="#g">Dürer, Kranach, Holbein</hi> eben<lb/> erſt geborene deutſche Kunſt in ſeinen Dienſt und ziert die Kirche<lb/> mit jenem prächtigen Altarſchrein,<note xml:id="note-0118" next="#note-0119" place="foot" n="*)">Dieſer Altarſchrein, der jetzt eine Zierde und Sehenswürdigkeit<lb/> des ſchönen Brandenburger Domes bildet, hat eine Höhe von etwa<lb/> 9 Fuß bei circa 12 Fuß Breite. Die Einrichtung iſt die herkömmliche:<lb/> ein Mittelſtück mit zwei Flügel- oder Klappthüren, die je nach Gefallen<lb/> geöffnet oder geſchloſſen werden können. Das Mittelſtück zeigt in ſeiner<lb/> ſchreinartigen Vertiefung die Geſtalt der heiligen Jungfrau; rechts neben<lb/> ihr <hi rendition="#g">Paulus</hi> mit dem Schwert, zur Linken <hi rendition="#g">Petrus</hi> mit dem Schlüſſel.<lb/> Dieſe drei Figuren ſind Holzſchnitzwerk, buntbemalt, mehr derb charac-<lb/> teriſtiſch als ſchön. Der hohe Kunſtwerth des Schreins beſteht lediglich</note> der bis auf dieſen Tag,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [100/0118]
benachbarten Wittenberg immer lauter zu werden drohte. Unſer
Abt, in der That, ſchien vor jedem andern berufen, durch die
Art ſeines Auftretens, durch Feſtigkeit und Milde, dem „Umſich-
greifen der Irrlehre,“ wie es damals hieß, zu ſteuern, und
als Beauftragter des Brandenburger Biſchofs (Hieronymus
Scultetus) erſchien er in Wittenberg, um den Auguſtiner-
Mönch zu warnen. Sein Erſcheinen ſcheint nicht ohne Einfluß
auf Luther geblieben zu ſein, der nicht nur ſeinem Freund
Spalatinus bemerkte: wie er ganz beſchämt geweſen ſei, daß
ein ſo hoher Geiſtlicher (der Biſchof) einen ſo hohen Abt ſo
demüthig an ihn abgeſandt habe,“ ſondern auch am 22. Mai
1518 dem Biſchof von Brandenburg ſchrieb: „Ich erkläre
hiermit ausdrücklich und mit klaren Worten, daß ich in der
Sache des Ablaſſes nur disputire, aber nichts feſtſtelle.“
Abt Valentin, wie wir annehmen dürfen, ging viel zu
Hofe, aber wenn ſchon er häufiger in dem Abthauſe zu Ber-
lin als in dem Abthauſe des Kloſters ſelber anweſend ſein
mochte, ſo war er doch nicht gewillt, um Hof und Politik willen
den unmittelbaren Obliegenheiten ſeines Amtes, der Fürſorge
für das Kloſter ſelber, aus dem Wege zu gehen. Wir ſehen
ihn, wie er ſich das Wachsthum, die Gerechtſame, vor allem
auch die Schönheit und die Ausſchmückung ſeines Kloſters ange-
legen ſein läßt; er ſchenkt Glocken, er errichtet Altäre, vor
allem zieht er die unter Dürer, Kranach, Holbein eben
erſt geborene deutſche Kunſt in ſeinen Dienſt und ziert die Kirche
mit jenem prächtigen Altarſchrein, *) der bis auf dieſen Tag,
*) Dieſer Altarſchrein, der jetzt eine Zierde und Sehenswürdigkeit
des ſchönen Brandenburger Domes bildet, hat eine Höhe von etwa
9 Fuß bei circa 12 Fuß Breite. Die Einrichtung iſt die herkömmliche:
ein Mittelſtück mit zwei Flügel- oder Klappthüren, die je nach Gefallen
geöffnet oder geſchloſſen werden können. Das Mittelſtück zeigt in ſeiner
ſchreinartigen Vertiefung die Geſtalt der heiligen Jungfrau; rechts neben
ihr Paulus mit dem Schwert, zur Linken Petrus mit dem Schlüſſel.
Dieſe drei Figuren ſind Holzſchnitzwerk, buntbemalt, mehr derb charac-
teriſtiſch als ſchön. Der hohe Kunſtwerth des Schreins beſteht lediglich
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