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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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benachbarten Wittenberg immer lauter zu werden drohte. Unser
Abt, in der That, schien vor jedem andern berufen, durch die
Art seines Auftretens, durch Festigkeit und Milde, dem "Umsich-
greifen der Irrlehre," wie es damals hieß, zu steuern, und
als Beauftragter des Brandenburger Bischofs (Hieronymus
Scultetus
) erschien er in Wittenberg, um den Augustiner-
Mönch zu warnen. Sein Erscheinen scheint nicht ohne Einfluß
auf Luther geblieben zu sein, der nicht nur seinem Freund
Spalatinus bemerkte: wie er ganz beschämt gewesen sei, daß
ein so hoher Geistlicher (der Bischof) einen so hohen Abt so
demüthig an ihn abgesandt habe," sondern auch am 22. Mai
1518 dem Bischof von Brandenburg schrieb: "Ich erkläre
hiermit ausdrücklich und mit klaren Worten, daß ich in der
Sache des Ablasses nur disputire, aber nichts feststelle."

Abt Valentin, wie wir annehmen dürfen, ging viel zu
Hofe, aber wenn schon er häufiger in dem Abthause zu Ber-
lin
als in dem Abthause des Klosters selber anwesend sein
mochte, so war er doch nicht gewillt, um Hof und Politik willen
den unmittelbaren Obliegenheiten seines Amtes, der Fürsorge
für das Kloster selber, aus dem Wege zu gehen. Wir sehen
ihn, wie er sich das Wachsthum, die Gerechtsame, vor allem
auch die Schönheit und die Ausschmückung seines Klosters ange-
legen sein läßt; er schenkt Glocken, er errichtet Altäre, vor
allem zieht er die unter Dürer, Kranach, Holbein eben
erst geborene deutsche Kunst in seinen Dienst und ziert die Kirche
mit jenem prächtigen Altarschrein,*) der bis auf diesen Tag,

*) Dieser Altarschrein, der jetzt eine Zierde und Sehenswürdigkeit
des schönen Brandenburger Domes bildet, hat eine Höhe von etwa
9 Fuß bei circa 12 Fuß Breite. Die Einrichtung ist die herkömmliche:
ein Mittelstück mit zwei Flügel- oder Klappthüren, die je nach Gefallen
geöffnet oder geschlossen werden können. Das Mittelstück zeigt in seiner
schreinartigen Vertiefung die Gestalt der heiligen Jungfrau; rechts neben
ihr Paulus mit dem Schwert, zur Linken Petrus mit dem Schlüssel.
Diese drei Figuren sind Holzschnitzwerk, buntbemalt, mehr derb charac-
teristisch als schön. Der hohe Kunstwerth des Schreins besteht lediglich

benachbarten Wittenberg immer lauter zu werden drohte. Unſer
Abt, in der That, ſchien vor jedem andern berufen, durch die
Art ſeines Auftretens, durch Feſtigkeit und Milde, dem „Umſich-
greifen der Irrlehre,“ wie es damals hieß, zu ſteuern, und
als Beauftragter des Brandenburger Biſchofs (Hieronymus
Scultetus
) erſchien er in Wittenberg, um den Auguſtiner-
Mönch zu warnen. Sein Erſcheinen ſcheint nicht ohne Einfluß
auf Luther geblieben zu ſein, der nicht nur ſeinem Freund
Spalatinus bemerkte: wie er ganz beſchämt geweſen ſei, daß
ein ſo hoher Geiſtlicher (der Biſchof) einen ſo hohen Abt ſo
demüthig an ihn abgeſandt habe,“ ſondern auch am 22. Mai
1518 dem Biſchof von Brandenburg ſchrieb: „Ich erkläre
hiermit ausdrücklich und mit klaren Worten, daß ich in der
Sache des Ablaſſes nur disputire, aber nichts feſtſtelle.“

Abt Valentin, wie wir annehmen dürfen, ging viel zu
Hofe, aber wenn ſchon er häufiger in dem Abthauſe zu Ber-
lin
als in dem Abthauſe des Kloſters ſelber anweſend ſein
mochte, ſo war er doch nicht gewillt, um Hof und Politik willen
den unmittelbaren Obliegenheiten ſeines Amtes, der Fürſorge
für das Kloſter ſelber, aus dem Wege zu gehen. Wir ſehen
ihn, wie er ſich das Wachsthum, die Gerechtſame, vor allem
auch die Schönheit und die Ausſchmückung ſeines Kloſters ange-
legen ſein läßt; er ſchenkt Glocken, er errichtet Altäre, vor
allem zieht er die unter Dürer, Kranach, Holbein eben
erſt geborene deutſche Kunſt in ſeinen Dienſt und ziert die Kirche
mit jenem prächtigen Altarſchrein,*) der bis auf dieſen Tag,

*) Dieſer Altarſchrein, der jetzt eine Zierde und Sehenswürdigkeit
des ſchönen Brandenburger Domes bildet, hat eine Höhe von etwa
9 Fuß bei circa 12 Fuß Breite. Die Einrichtung iſt die herkömmliche:
ein Mittelſtück mit zwei Flügel- oder Klappthüren, die je nach Gefallen
geöffnet oder geſchloſſen werden können. Das Mittelſtück zeigt in ſeiner
ſchreinartigen Vertiefung die Geſtalt der heiligen Jungfrau; rechts neben
ihr Paulus mit dem Schwert, zur Linken Petrus mit dem Schlüſſel.
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teriſtiſch als ſchön. Der hohe Kunſtwerth des Schreins beſteht lediglich
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[100/0118] benachbarten Wittenberg immer lauter zu werden drohte. Unſer Abt, in der That, ſchien vor jedem andern berufen, durch die Art ſeines Auftretens, durch Feſtigkeit und Milde, dem „Umſich- greifen der Irrlehre,“ wie es damals hieß, zu ſteuern, und als Beauftragter des Brandenburger Biſchofs (Hieronymus Scultetus) erſchien er in Wittenberg, um den Auguſtiner- Mönch zu warnen. Sein Erſcheinen ſcheint nicht ohne Einfluß auf Luther geblieben zu ſein, der nicht nur ſeinem Freund Spalatinus bemerkte: wie er ganz beſchämt geweſen ſei, daß ein ſo hoher Geiſtlicher (der Biſchof) einen ſo hohen Abt ſo demüthig an ihn abgeſandt habe,“ ſondern auch am 22. Mai 1518 dem Biſchof von Brandenburg ſchrieb: „Ich erkläre hiermit ausdrücklich und mit klaren Worten, daß ich in der Sache des Ablaſſes nur disputire, aber nichts feſtſtelle.“ Abt Valentin, wie wir annehmen dürfen, ging viel zu Hofe, aber wenn ſchon er häufiger in dem Abthauſe zu Ber- lin als in dem Abthauſe des Kloſters ſelber anweſend ſein mochte, ſo war er doch nicht gewillt, um Hof und Politik willen den unmittelbaren Obliegenheiten ſeines Amtes, der Fürſorge für das Kloſter ſelber, aus dem Wege zu gehen. Wir ſehen ihn, wie er ſich das Wachsthum, die Gerechtſame, vor allem auch die Schönheit und die Ausſchmückung ſeines Kloſters ange- legen ſein läßt; er ſchenkt Glocken, er errichtet Altäre, vor allem zieht er die unter Dürer, Kranach, Holbein eben erſt geborene deutſche Kunſt in ſeinen Dienſt und ziert die Kirche mit jenem prächtigen Altarſchrein, *) der bis auf dieſen Tag, *) Dieſer Altarſchrein, der jetzt eine Zierde und Sehenswürdigkeit des ſchönen Brandenburger Domes bildet, hat eine Höhe von etwa 9 Fuß bei circa 12 Fuß Breite. Die Einrichtung iſt die herkömmliche: ein Mittelſtück mit zwei Flügel- oder Klappthüren, die je nach Gefallen geöffnet oder geſchloſſen werden können. Das Mittelſtück zeigt in ſeiner ſchreinartigen Vertiefung die Geſtalt der heiligen Jungfrau; rechts neben ihr Paulus mit dem Schwert, zur Linken Petrus mit dem Schlüſſel. Dieſe drei Figuren ſind Holzſchnitzwerk, buntbemalt, mehr derb charac- teriſtiſch als ſchön. Der hohe Kunſtwerth des Schreins beſteht lediglich

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/118>, abgerufen am 27.11.2024.