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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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ein, während der Knecht den auf dem Tische liegenden Schwan
festhält. Nun beginnt das Rupfen mit eben so viel Vorsicht
als Virtuosität. Erst die Federn, dann die Daunen; kein Fleck
von Fleisch darf sichtbar werden. Nach Beendigung der Pro-
zedur aber nimmt der Schwanenknecht den Schwan wieder in
seinen Arm, trägt ihn zurück und wirft ihn mit Macht in die
Havel. Der Schwan taucht nieder und segelt nun mit aller
Gewalt quer über den Fluß, um seinen Quälern zu entfliehen.
Bald aber friert ihn, und zunächst sonnige Ufer- und Insel-
stellen aufsuchend, eilt er erst den zweiten oder dritten Tag wie-
der seinen Heimatplätzen im Schwilow oder Schlänitz zu.

Einen ganz anderen Zweck, wie schon angedeutet, verfolgt
das Einfangen im Winter, wenn die Havel zugeht. Die schö-
nen Thiere würden im Eise umkommen. Sie werden also aber-
mals zusammengetrieben und eingesammelt, um an solche Havel-
stellen gebracht zu werden, die nie zufrieren, oder doch fast nie
zufrieren. Der Prozeß des Einfangens ist derselbe, wie im
Sommer, aber nicht der Transport an diese eisfreien Stellen,
welche letzteren sich glücklicherweise gerade bei Potsdam selbst,
fast mitten in der Stadt befinden. Die Ueberführung in Boote
ist jetzt unmöglich, da schon ganze Partieen des Flusses durch
Eis geschlossen sind; so treffen sie denn in allerhand Gefährt,
in Bauer- und Möbelwagen, selbst in Eisenbahnwaggons in
ihrem potsdamer Winterhafen ein.

Sie haben nun wieder sicheres Wasser unter den Füßen,
die Gefahr des Erfrierens ist beseitigt, aber die Gefahr des Ver-
hungerns -- 2000 Schwäne auf allerkleinstem Terrain --
würde jetzt um so drohender an sie herantreten, wenn nicht durch
Fütterung für sie gesorgt würde. Diese erfolgt in den Winter-
monaten täglich zweimal, Morgens um 8 und Nachmittags um
3 Uhr, immer an derselben Stelle und zwar in der Nähe des
Stadtschlosses.

Unmittelbar hinter der Eisenbahnbrücke, am Ende des Lust-
gartens, ist eine Stelle, welche wegen des starken Stromes nur

ein, während der Knecht den auf dem Tiſche liegenden Schwan
feſthält. Nun beginnt das Rupfen mit eben ſo viel Vorſicht
als Virtuoſität. Erſt die Federn, dann die Daunen; kein Fleck
von Fleiſch darf ſichtbar werden. Nach Beendigung der Pro-
zedur aber nimmt der Schwanenknecht den Schwan wieder in
ſeinen Arm, trägt ihn zurück und wirft ihn mit Macht in die
Havel. Der Schwan taucht nieder und ſegelt nun mit aller
Gewalt quer über den Fluß, um ſeinen Quälern zu entfliehen.
Bald aber friert ihn, und zunächſt ſonnige Ufer- und Inſel-
ſtellen aufſuchend, eilt er erſt den zweiten oder dritten Tag wie-
der ſeinen Heimatplätzen im Schwilow oder Schlänitz zu.

Einen ganz anderen Zweck, wie ſchon angedeutet, verfolgt
das Einfangen im Winter, wenn die Havel zugeht. Die ſchö-
nen Thiere würden im Eiſe umkommen. Sie werden alſo aber-
mals zuſammengetrieben und eingeſammelt, um an ſolche Havel-
ſtellen gebracht zu werden, die nie zufrieren, oder doch faſt nie
zufrieren. Der Prozeß des Einfangens iſt derſelbe, wie im
Sommer, aber nicht der Transport an dieſe eisfreien Stellen,
welche letzteren ſich glücklicherweiſe gerade bei Potsdam ſelbſt,
faſt mitten in der Stadt befinden. Die Ueberführung in Boote
iſt jetzt unmöglich, da ſchon ganze Partieen des Fluſſes durch
Eis geſchloſſen ſind; ſo treffen ſie denn in allerhand Gefährt,
in Bauer- und Möbelwagen, ſelbſt in Eiſenbahnwaggons in
ihrem potsdamer Winterhafen ein.

Sie haben nun wieder ſicheres Waſſer unter den Füßen,
die Gefahr des Erfrierens iſt beſeitigt, aber die Gefahr des Ver-
hungerns — 2000 Schwäne auf allerkleinſtem Terrain —
würde jetzt um ſo drohender an ſie herantreten, wenn nicht durch
Fütterung für ſie geſorgt würde. Dieſe erfolgt in den Winter-
monaten täglich zweimal, Morgens um 8 und Nachmittags um
3 Uhr, immer an derſelben Stelle und zwar in der Nähe des
Stadtſchloſſes.

Unmittelbar hinter der Eiſenbahnbrücke, am Ende des Luſt-
gartens, iſt eine Stelle, welche wegen des ſtarken Stromes nur

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[124/0142] ein, während der Knecht den auf dem Tiſche liegenden Schwan feſthält. Nun beginnt das Rupfen mit eben ſo viel Vorſicht als Virtuoſität. Erſt die Federn, dann die Daunen; kein Fleck von Fleiſch darf ſichtbar werden. Nach Beendigung der Pro- zedur aber nimmt der Schwanenknecht den Schwan wieder in ſeinen Arm, trägt ihn zurück und wirft ihn mit Macht in die Havel. Der Schwan taucht nieder und ſegelt nun mit aller Gewalt quer über den Fluß, um ſeinen Quälern zu entfliehen. Bald aber friert ihn, und zunächſt ſonnige Ufer- und Inſel- ſtellen aufſuchend, eilt er erſt den zweiten oder dritten Tag wie- der ſeinen Heimatplätzen im Schwilow oder Schlänitz zu. Einen ganz anderen Zweck, wie ſchon angedeutet, verfolgt das Einfangen im Winter, wenn die Havel zugeht. Die ſchö- nen Thiere würden im Eiſe umkommen. Sie werden alſo aber- mals zuſammengetrieben und eingeſammelt, um an ſolche Havel- ſtellen gebracht zu werden, die nie zufrieren, oder doch faſt nie zufrieren. Der Prozeß des Einfangens iſt derſelbe, wie im Sommer, aber nicht der Transport an dieſe eisfreien Stellen, welche letzteren ſich glücklicherweiſe gerade bei Potsdam ſelbſt, faſt mitten in der Stadt befinden. Die Ueberführung in Boote iſt jetzt unmöglich, da ſchon ganze Partieen des Fluſſes durch Eis geſchloſſen ſind; ſo treffen ſie denn in allerhand Gefährt, in Bauer- und Möbelwagen, ſelbſt in Eiſenbahnwaggons in ihrem potsdamer Winterhafen ein. Sie haben nun wieder ſicheres Waſſer unter den Füßen, die Gefahr des Erfrierens iſt beſeitigt, aber die Gefahr des Ver- hungerns — 2000 Schwäne auf allerkleinſtem Terrain — würde jetzt um ſo drohender an ſie herantreten, wenn nicht durch Fütterung für ſie geſorgt würde. Dieſe erfolgt in den Winter- monaten täglich zweimal, Morgens um 8 und Nachmittags um 3 Uhr, immer an derſelben Stelle und zwar in der Nähe des Stadtſchloſſes. Unmittelbar hinter der Eiſenbahnbrücke, am Ende des Luſt- gartens, iſt eine Stelle, welche wegen des ſtarken Stromes nur

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/142>, abgerufen am 30.12.2024.