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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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Fahrzeug geborgen und versteckt, und wenn der scharf eintretende
Winterfrost die im Sommer gewahrte Sicherheit zu gefährden
drohte, so ließen sichs die Werderaner nicht verdrießen, durch
beständiges Aufeisen der Havel ihre insulare Lage wieder her-
zustellen. So brachen nicht Schweden, nicht Kaiserliche in ihren
Frieden ein und es ist selbst fraglich, ob der "schwarze Tod,"
der damals über das märkische Land ging, einen Kahn fand,
um vom Festland nach der Insel überzusetzen.

Das war der Segen, den die Insellage schuf, aber sie hatte
auch Nachtheile im Geleit und ließ den von Anfang an vor-
handen gewesenen Hang, sich abzuschließen, in bedenklichem Grade
wachsen. Man wurde eng, hart, selbstsüchtig; Werder gestaltete
sich zu einer Welt für sich, und der Zug wurde immer größer,
sich um die Menschheit draußen nur in so weit zu kümmern,
als man Nutzen aus ihr ziehen konnte. Diese Exclusivität
hatte schon in den Jahren, die dem 30jährigen Kriege voraus-
gingen oder mit ihm zusammenfielen, einen hohen Grad erreicht.
In Aufzeichnungen aus jener Zeit finden wir Folgendes. "Die
Menschen hier sind zum Umgange wenig geschickt und gar nicht
aufgelegt, vertrauliche Freundschaften zu unterhalten. Sie hassen
alle Fremden, die sich unter ihnen niederlassen, und suchen sie
gern zu verdrängen. Vor den Augen stellen sie sich treuherzig,
hinterm Rücken sind sie hinterlistig und falsch. Von außen
gleißen sie zwar, aber von inwendig sind sie reißende Wölfe.
Sie sind sehr abergläubisch, im Gespenstersehen besonders erfahren,
haben eine kauderwelsche Sprache, üble Kinderzucht, schlechte Sitten
und halten nicht viel auf Künste und Wissenschaften. Arbeit-
samkeit und sparsames Leben
aber ist ihnen nicht ab-
zusprechen. Sie werden selten krank und bei ihrer Lebensart
sehr alt."

War dies das Zeugniß, das ihnen um 1620 oder 30 ein
unter ihnen lebender "Stadtrichter," also eine beglaubigte
Person, ausstellen mußte, so konnten 150 Jahre weiterer Ex-
clusivität in Gutem wie Bösem keinen wesentlichen Wandel
schaffen, und in der That, unser mehr citirter Chronist bestätigt

Fahrzeug geborgen und verſteckt, und wenn der ſcharf eintretende
Winterfroſt die im Sommer gewahrte Sicherheit zu gefährden
drohte, ſo ließen ſichs die Werderaner nicht verdrießen, durch
beſtändiges Aufeiſen der Havel ihre inſulare Lage wieder her-
zuſtellen. So brachen nicht Schweden, nicht Kaiſerliche in ihren
Frieden ein und es iſt ſelbſt fraglich, ob der „ſchwarze Tod,“
der damals über das märkiſche Land ging, einen Kahn fand,
um vom Feſtland nach der Inſel überzuſetzen.

Das war der Segen, den die Inſellage ſchuf, aber ſie hatte
auch Nachtheile im Geleit und ließ den von Anfang an vor-
handen geweſenen Hang, ſich abzuſchließen, in bedenklichem Grade
wachſen. Man wurde eng, hart, ſelbſtſüchtig; Werder geſtaltete
ſich zu einer Welt für ſich, und der Zug wurde immer größer,
ſich um die Menſchheit draußen nur in ſo weit zu kümmern,
als man Nutzen aus ihr ziehen konnte. Dieſe Excluſivität
hatte ſchon in den Jahren, die dem 30jährigen Kriege voraus-
gingen oder mit ihm zuſammenfielen, einen hohen Grad erreicht.
In Aufzeichnungen aus jener Zeit finden wir Folgendes. „Die
Menſchen hier ſind zum Umgange wenig geſchickt und gar nicht
aufgelegt, vertrauliche Freundſchaften zu unterhalten. Sie haſſen
alle Fremden, die ſich unter ihnen niederlaſſen, und ſuchen ſie
gern zu verdrängen. Vor den Augen ſtellen ſie ſich treuherzig,
hinterm Rücken ſind ſie hinterliſtig und falſch. Von außen
gleißen ſie zwar, aber von inwendig ſind ſie reißende Wölfe.
Sie ſind ſehr abergläubiſch, im Geſpenſterſehen beſonders erfahren,
haben eine kauderwelſche Sprache, üble Kinderzucht, ſchlechte Sitten
und halten nicht viel auf Künſte und Wiſſenſchaften. Arbeit-
ſamkeit und ſparſames Leben
aber iſt ihnen nicht ab-
zuſprechen. Sie werden ſelten krank und bei ihrer Lebensart
ſehr alt.“

War dies das Zeugniß, das ihnen um 1620 oder 30 ein
unter ihnen lebender „Stadtrichter,“ alſo eine beglaubigte
Perſon, ausſtellen mußte, ſo konnten 150 Jahre weiterer Ex-
cluſivität in Gutem wie Böſem keinen weſentlichen Wandel
ſchaffen, und in der That, unſer mehr citirter Chroniſt beſtätigt

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[219/0237] Fahrzeug geborgen und verſteckt, und wenn der ſcharf eintretende Winterfroſt die im Sommer gewahrte Sicherheit zu gefährden drohte, ſo ließen ſichs die Werderaner nicht verdrießen, durch beſtändiges Aufeiſen der Havel ihre inſulare Lage wieder her- zuſtellen. So brachen nicht Schweden, nicht Kaiſerliche in ihren Frieden ein und es iſt ſelbſt fraglich, ob der „ſchwarze Tod,“ der damals über das märkiſche Land ging, einen Kahn fand, um vom Feſtland nach der Inſel überzuſetzen. Das war der Segen, den die Inſellage ſchuf, aber ſie hatte auch Nachtheile im Geleit und ließ den von Anfang an vor- handen geweſenen Hang, ſich abzuſchließen, in bedenklichem Grade wachſen. Man wurde eng, hart, ſelbſtſüchtig; Werder geſtaltete ſich zu einer Welt für ſich, und der Zug wurde immer größer, ſich um die Menſchheit draußen nur in ſo weit zu kümmern, als man Nutzen aus ihr ziehen konnte. Dieſe Excluſivität hatte ſchon in den Jahren, die dem 30jährigen Kriege voraus- gingen oder mit ihm zuſammenfielen, einen hohen Grad erreicht. In Aufzeichnungen aus jener Zeit finden wir Folgendes. „Die Menſchen hier ſind zum Umgange wenig geſchickt und gar nicht aufgelegt, vertrauliche Freundſchaften zu unterhalten. Sie haſſen alle Fremden, die ſich unter ihnen niederlaſſen, und ſuchen ſie gern zu verdrängen. Vor den Augen ſtellen ſie ſich treuherzig, hinterm Rücken ſind ſie hinterliſtig und falſch. Von außen gleißen ſie zwar, aber von inwendig ſind ſie reißende Wölfe. Sie ſind ſehr abergläubiſch, im Geſpenſterſehen beſonders erfahren, haben eine kauderwelſche Sprache, üble Kinderzucht, ſchlechte Sitten und halten nicht viel auf Künſte und Wiſſenſchaften. Arbeit- ſamkeit und ſparſames Leben aber iſt ihnen nicht ab- zuſprechen. Sie werden ſelten krank und bei ihrer Lebensart ſehr alt.“ War dies das Zeugniß, das ihnen um 1620 oder 30 ein unter ihnen lebender „Stadtrichter,“ alſo eine beglaubigte Perſon, ausſtellen mußte, ſo konnten 150 Jahre weiterer Ex- cluſivität in Gutem wie Böſem keinen weſentlichen Wandel ſchaffen, und in der That, unſer mehr citirter Chroniſt beſtätigt

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/237>, abgerufen am 29.11.2024.