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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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eine Schwadron Garde-Husaren des Weges kommen. "Habt
ihr nicht einen Mann und einen Kinderwagen gesehn?" Ja
wohl; er muß jetzt hinter Drei-Linden sein, auf Neu-Zehlen-
dorf zu.

Die Hoffnung sank wieder. Der Vorsprung war zu groß.
Die Kräfte ließen nach. In diesem kritischen Moment indessen
kam von einem der Etablissements her eine Morgendroschke
gefahren, die nach Potsdam zurück wollte. "Halt! 20 Sgr.
bis Neu-Zehlendorf." Der Kutscher rührte sich nicht. "Einen
Thaler." Er nickte. "Noch ein Trinkgeld Kutscher, aber nun
laßt euren Wettrenner laufen."

Was soll ich die Katastrophe länger hinausschieben! Sie
errathen ohnehin den Ausgang. In einem Chausseegraben
zwischen Drei-Linden und Zehlendorf, hart zur Linken des
Weges, saß der Gegenstand dieser energischen Suche und früh-
stückte, eine der geraubten Speckseiten neben sich, mit der ganzen
Ruhe eines guten Gewissens, während der Kinderwagen mit
seinem Bettenbündel wie das Junge eines Frachtwagens mitten
auf der Chaussee stand. Dieser letztere Umstand sollte dem
arglosen Frühstücker besonders verhängnißvoll werden, denn die
gestörte Straßen-Communication ließ nunmehr ein Ausbiegen
nach links hin (ein "Gewinnen der inneren Linie" wie die
Strategen sagen würden), völlig unverfänglich erscheinen. So
gelang ein totaler Ueberfall. Im Moment des Vorbeifahrens
stürzten sich die beiden Brüder aus der schon vorher leise
geöffneten Droschkenthür auf ihr Opfer, entrissen ihm, unter
Geltendmachung ihrer "immer los gehenden Waffe," das Klapp-
messer, das der Ueberraschte einen Augenblick Miene machte
a deux mains zu gebrauchen, und luden ihn dann ein, den
Mittelplatz in ihrer Droschke einzunehmen. "Er werde wohl
müde sein." Der Kinderwagen wurde angehakt; so ging es
im Triumph rückwärts, über die Glienicker Brücke. "Jetzt
wollen wir Anzeige machen," rief William seinem Bruder
zu. "Wer die Doctors kennt, kurirt sich erst
selber."

eine Schwadron Garde-Huſaren des Weges kommen. „Habt
ihr nicht einen Mann und einen Kinderwagen geſehn?“ Ja
wohl; er muß jetzt hinter Drei-Linden ſein, auf Neu-Zehlen-
dorf zu.

Die Hoffnung ſank wieder. Der Vorſprung war zu groß.
Die Kräfte ließen nach. In dieſem kritiſchen Moment indeſſen
kam von einem der Etabliſſements her eine Morgendroſchke
gefahren, die nach Potsdam zurück wollte. „Halt! 20 Sgr.
bis Neu-Zehlendorf.“ Der Kutſcher rührte ſich nicht. „Einen
Thaler.“ Er nickte. „Noch ein Trinkgeld Kutſcher, aber nun
laßt euren Wettrenner laufen.“

Was ſoll ich die Kataſtrophe länger hinausſchieben! Sie
errathen ohnehin den Ausgang. In einem Chauſſeegraben
zwiſchen Drei-Linden und Zehlendorf, hart zur Linken des
Weges, ſaß der Gegenſtand dieſer energiſchen Suche und früh-
ſtückte, eine der geraubten Speckſeiten neben ſich, mit der ganzen
Ruhe eines guten Gewiſſens, während der Kinderwagen mit
ſeinem Bettenbündel wie das Junge eines Frachtwagens mitten
auf der Chauſſee ſtand. Dieſer letztere Umſtand ſollte dem
argloſen Frühſtücker beſonders verhängnißvoll werden, denn die
geſtörte Straßen-Communication ließ nunmehr ein Ausbiegen
nach links hin (ein „Gewinnen der inneren Linie“ wie die
Strategen ſagen würden), völlig unverfänglich erſcheinen. So
gelang ein totaler Ueberfall. Im Moment des Vorbeifahrens
ſtürzten ſich die beiden Brüder aus der ſchon vorher leiſe
geöffneten Droſchkenthür auf ihr Opfer, entriſſen ihm, unter
Geltendmachung ihrer „immer los gehenden Waffe,“ das Klapp-
meſſer, das der Ueberraſchte einen Augenblick Miene machte
à deux mains zu gebrauchen, und luden ihn dann ein, den
Mittelplatz in ihrer Droſchke einzunehmen. „Er werde wohl
müde ſein.“ Der Kinderwagen wurde angehakt; ſo ging es
im Triumph rückwärts, über die Glienicker Brücke. „Jetzt
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zu. „Wer die Doctors kennt, kurirt ſich erſt
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[215/0233] eine Schwadron Garde-Huſaren des Weges kommen. „Habt ihr nicht einen Mann und einen Kinderwagen geſehn?“ Ja wohl; er muß jetzt hinter Drei-Linden ſein, auf Neu-Zehlen- dorf zu. Die Hoffnung ſank wieder. Der Vorſprung war zu groß. Die Kräfte ließen nach. In dieſem kritiſchen Moment indeſſen kam von einem der Etabliſſements her eine Morgendroſchke gefahren, die nach Potsdam zurück wollte. „Halt! 20 Sgr. bis Neu-Zehlendorf.“ Der Kutſcher rührte ſich nicht. „Einen Thaler.“ Er nickte. „Noch ein Trinkgeld Kutſcher, aber nun laßt euren Wettrenner laufen.“ Was ſoll ich die Kataſtrophe länger hinausſchieben! Sie errathen ohnehin den Ausgang. In einem Chauſſeegraben zwiſchen Drei-Linden und Zehlendorf, hart zur Linken des Weges, ſaß der Gegenſtand dieſer energiſchen Suche und früh- ſtückte, eine der geraubten Speckſeiten neben ſich, mit der ganzen Ruhe eines guten Gewiſſens, während der Kinderwagen mit ſeinem Bettenbündel wie das Junge eines Frachtwagens mitten auf der Chauſſee ſtand. Dieſer letztere Umſtand ſollte dem argloſen Frühſtücker beſonders verhängnißvoll werden, denn die geſtörte Straßen-Communication ließ nunmehr ein Ausbiegen nach links hin (ein „Gewinnen der inneren Linie“ wie die Strategen ſagen würden), völlig unverfänglich erſcheinen. So gelang ein totaler Ueberfall. Im Moment des Vorbeifahrens ſtürzten ſich die beiden Brüder aus der ſchon vorher leiſe geöffneten Droſchkenthür auf ihr Opfer, entriſſen ihm, unter Geltendmachung ihrer „immer los gehenden Waffe,“ das Klapp- meſſer, das der Ueberraſchte einen Augenblick Miene machte à deux mains zu gebrauchen, und luden ihn dann ein, den Mittelplatz in ihrer Droſchke einzunehmen. „Er werde wohl müde ſein.“ Der Kinderwagen wurde angehakt; ſo ging es im Triumph rückwärts, über die Glienicker Brücke. „Jetzt wollen wir Anzeige machen,“ rief William ſeinem Bruder zu. „Wer die Doctors kennt, kurirt ſich erſt ſelber.“

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/233>, abgerufen am 28.11.2024.