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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

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tige Laterne hinein, die den steinernen Thurmbau krönt. Keine
Fenster und Blenden sind zu öffnen, frei bläst der Wind durch
das gebrechliche Holzwerk. Das ist die Stelle, die wir suchten.
Ein Lug-ins-Land.

Zu Füßen uns, in scharfer Zeichnung, als läge eine Karte
vor uns ausgebreitet, die Zickzackwälle der Festung; ostwärts
im grauen Dämmer die Thürme von Berlin; nördlich, südlich
die bucht- und seenreiche Havel, inselbetupfelt, mit Flößen und
Kähnen überdeckt; nach Westen hin aber ein breites, kaum hier
und da von einer Hügelwelle unterbrochenes Flachland, das
Havelland.

Wer hier an einem Juni-Tage stände, der würde hinaus-
blicken in üppig grüne Wiesen, durchwirkt von Raps- und
Weizenfeldern, gesprenkelt mit Büschen und rothen Dächern,
ein Bild moderner Cultur; an diesem grauen Decembertage
aber liegt das schöne Havelland brachfeldartig vor uns ausge-
breitet, eine grau-braune, haideartige Fläche, durch welche sich
in breiten blanken Spiegeln, wie Seeflächen, die Grundwasser
und übergetretenen Gräben dieser Niederungen ziehen. Wir
haben diesen Tag gewählt, um den flußumspannten Streifen
Landes, der uns auf diesen und den folgenden Seiten beschäf-
tigen soll, in der Gestalt zu sehen, in der er sich in alten,
fast ein Jahrtausend zurückliegenden Zeiten darstellte. Ein grauer
Himmel über grauem Land, nur ein Krähenvolk aufsteigend aus
dem Weidenwege, der sich an den Wasserlachen entlang zieht,
so wie's in diesem Augenblick sich zeigt, war das Land von
Anfang an: öde, still, Wasser, Weide, Wald.

Aber freilich, auch dieses Decembertages winterliche Hand
hat das Leben nicht völlig abstreifen können, das hier langsam,
aber siegreich nach Herrschaft gerungen hat. Dort zwischen
Wasser und Weiden hin läuft ein Damm, im ersten Augenblick
nur wie eine braune Linie von unserem Thurme aus bemerk-
bar; aber jetzt gewinnt die Linie mehr und mehr Gestalt; denn
zischend, brausend, dampfend, dazwischen einen Funkenregen
ausstreuend, rasseln jetzt von zwei Seiten her die langen Wagen-

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tige Laterne hinein, die den ſteinernen Thurmbau krönt. Keine
Fenſter und Blenden ſind zu öffnen, frei bläſt der Wind durch
das gebrechliche Holzwerk. Das iſt die Stelle, die wir ſuchten.
Ein Lug-ins-Land.

Zu Füßen uns, in ſcharfer Zeichnung, als läge eine Karte
vor uns ausgebreitet, die Zickzackwälle der Feſtung; oſtwärts
im grauen Dämmer die Thürme von Berlin; nördlich, ſüdlich
die bucht- und ſeenreiche Havel, inſelbetupfelt, mit Flößen und
Kähnen überdeckt; nach Weſten hin aber ein breites, kaum hier
und da von einer Hügelwelle unterbrochenes Flachland, das
Havelland.

Wer hier an einem Juni-Tage ſtände, der würde hinaus-
blicken in üppig grüne Wieſen, durchwirkt von Raps- und
Weizenfeldern, geſprenkelt mit Büſchen und rothen Dächern,
ein Bild moderner Cultur; an dieſem grauen Decembertage
aber liegt das ſchöne Havelland brachfeldartig vor uns ausge-
breitet, eine grau-braune, haideartige Fläche, durch welche ſich
in breiten blanken Spiegeln, wie Seeflächen, die Grundwaſſer
und übergetretenen Gräben dieſer Niederungen ziehen. Wir
haben dieſen Tag gewählt, um den flußumſpannten Streifen
Landes, der uns auf dieſen und den folgenden Seiten beſchäf-
tigen ſoll, in der Geſtalt zu ſehen, in der er ſich in alten,
faſt ein Jahrtauſend zurückliegenden Zeiten darſtellte. Ein grauer
Himmel über grauem Land, nur ein Krähenvolk aufſteigend aus
dem Weidenwege, der ſich an den Waſſerlachen entlang zieht,
ſo wie’s in dieſem Augenblick ſich zeigt, war das Land von
Anfang an: öde, ſtill, Waſſer, Weide, Wald.

Aber freilich, auch dieſes Decembertages winterliche Hand
hat das Leben nicht völlig abſtreifen können, das hier langſam,
aber ſiegreich nach Herrſchaft gerungen hat. Dort zwiſchen
Waſſer und Weiden hin läuft ein Damm, im erſten Augenblick
nur wie eine braune Linie von unſerem Thurme aus bemerk-
bar; aber jetzt gewinnt die Linie mehr und mehr Geſtalt; denn
ziſchend, brauſend, dampfend, dazwiſchen einen Funkenregen
ausſtreuend, raſſeln jetzt von zwei Seiten her die langen Wagen-

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[3/0021] tige Laterne hinein, die den ſteinernen Thurmbau krönt. Keine Fenſter und Blenden ſind zu öffnen, frei bläſt der Wind durch das gebrechliche Holzwerk. Das iſt die Stelle, die wir ſuchten. Ein Lug-ins-Land. Zu Füßen uns, in ſcharfer Zeichnung, als läge eine Karte vor uns ausgebreitet, die Zickzackwälle der Feſtung; oſtwärts im grauen Dämmer die Thürme von Berlin; nördlich, ſüdlich die bucht- und ſeenreiche Havel, inſelbetupfelt, mit Flößen und Kähnen überdeckt; nach Weſten hin aber ein breites, kaum hier und da von einer Hügelwelle unterbrochenes Flachland, das Havelland. Wer hier an einem Juni-Tage ſtände, der würde hinaus- blicken in üppig grüne Wieſen, durchwirkt von Raps- und Weizenfeldern, geſprenkelt mit Büſchen und rothen Dächern, ein Bild moderner Cultur; an dieſem grauen Decembertage aber liegt das ſchöne Havelland brachfeldartig vor uns ausge- breitet, eine grau-braune, haideartige Fläche, durch welche ſich in breiten blanken Spiegeln, wie Seeflächen, die Grundwaſſer und übergetretenen Gräben dieſer Niederungen ziehen. Wir haben dieſen Tag gewählt, um den flußumſpannten Streifen Landes, der uns auf dieſen und den folgenden Seiten beſchäf- tigen ſoll, in der Geſtalt zu ſehen, in der er ſich in alten, faſt ein Jahrtauſend zurückliegenden Zeiten darſtellte. Ein grauer Himmel über grauem Land, nur ein Krähenvolk aufſteigend aus dem Weidenwege, der ſich an den Waſſerlachen entlang zieht, ſo wie’s in dieſem Augenblick ſich zeigt, war das Land von Anfang an: öde, ſtill, Waſſer, Weide, Wald. Aber freilich, auch dieſes Decembertages winterliche Hand hat das Leben nicht völlig abſtreifen können, das hier langſam, aber ſiegreich nach Herrſchaft gerungen hat. Dort zwiſchen Waſſer und Weiden hin läuft ein Damm, im erſten Augenblick nur wie eine braune Linie von unſerem Thurme aus bemerk- bar; aber jetzt gewinnt die Linie mehr und mehr Geſtalt; denn ziſchend, brauſend, dampfend, dazwiſchen einen Funkenregen ausſtreuend, raſſeln jetzt von zwei Seiten her die langen Wagen- 1*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/21>, abgerufen am 26.11.2024.