Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

sie ist, wie das ihrer anspruchslosen Natur entspricht, Nutzholz
geworden und bildet einen nicht unerheblichen Handels-Artikel
dieser Gegenden. Ich erfuhr darüber Folgendes:

Zu bestimmten Zeiten kommen Händler aus den Nordsee-
häfen, aus Hamburg, Stade, Bremerhafen, auch von der Jade
her, bereisen die Akaziengegenden, kaufen an und markiren die
Bäume, die zunächst gefällt werden sollen. Ein Hauptpunkt für
diese Händler ist Petzow. Einige Wochen später erscheint ein
Elbkahn von Hamburg oder den andern genannten Plätzen und
hat eine kleine Armee von Holzfällern und Holzspaltern an
Bord. Es sind Geschwisterkinder der Schindelmacher. Wie diese
haben sie es zu einer Virtuosität gebracht; sie fällen, zersägen,
spalten; während der Schindler aber ein Flachholz herstellt, stellt
dieser nordische Holzspalter ein cylinderförmiges Langstück her,
das später, als beste Sorte Schiffsnägel, auf den Werften
der Seestädte eine Rolle spielt. Wenn der Kahn mit diesen
Schiffsnägeln gefüllt ist, wird die Rückfahrt angetreten und die
Petzower Akazien schwimmen ein Jahr später auf allen Meeren
und halten die Planken der deutschen Flotte zusammen. --

Wir hatten inzwischen die "Grelle" und damit zugleich
den großen Ziegelofen erreicht, der sich hier am Ufer der tief
einschneidenden Havelbucht erhebt. Dieser Ziegelofen ist weit
bekannt in Havelland und Zauche; er ist der ältesten einer, und
schon im vorigen Jahrhundert umgab ihn eine Colonie von
Ziegelstreichern und Ziegelbrennern, die sich hier in Hütten und
Häusern angesiedelt hatten. Diese übertrugen den Namen, den
sie hier vorfanden, alsbald auf die ganze Anlage, so daß mit
dem Worte "Grelle" nunmehr eben so oft das Etablissement
wie die seeartige Einbuchtung bezeichnet wird. Der alte histo-
rische Ziegelofen modernisirte sich im Lauf der Jahre, vielleicht
auch die Häuser, die ihn umstanden, aber sie blieben doch immer-
hin kümmerlich genug.

Auf eins derselben, dem man ersichtlich vor Kurzem erst
ein neues Stockwerk aufgesetzt hatte, schritten wir jetzt zu. Der
Eingang war vom Hofe her.

ſie iſt, wie das ihrer anſpruchsloſen Natur entſpricht, Nutzholz
geworden und bildet einen nicht unerheblichen Handels-Artikel
dieſer Gegenden. Ich erfuhr darüber Folgendes:

Zu beſtimmten Zeiten kommen Händler aus den Nordſee-
häfen, aus Hamburg, Stade, Bremerhafen, auch von der Jade
her, bereiſen die Akaziengegenden, kaufen an und markiren die
Bäume, die zunächſt gefällt werden ſollen. Ein Hauptpunkt für
dieſe Händler iſt Petzow. Einige Wochen ſpäter erſcheint ein
Elbkahn von Hamburg oder den andern genannten Plätzen und
hat eine kleine Armee von Holzfällern und Holzſpaltern an
Bord. Es ſind Geſchwiſterkinder der Schindelmacher. Wie dieſe
haben ſie es zu einer Virtuoſität gebracht; ſie fällen, zerſägen,
ſpalten; während der Schindler aber ein Flachholz herſtellt, ſtellt
dieſer nordiſche Holzſpalter ein cylinderförmiges Langſtück her,
das ſpäter, als beſte Sorte Schiffsnägel, auf den Werften
der Seeſtädte eine Rolle ſpielt. Wenn der Kahn mit dieſen
Schiffsnägeln gefüllt iſt, wird die Rückfahrt angetreten und die
Petzower Akazien ſchwimmen ein Jahr ſpäter auf allen Meeren
und halten die Planken der deutſchen Flotte zuſammen. —

Wir hatten inzwiſchen die „Grelle“ und damit zugleich
den großen Ziegelofen erreicht, der ſich hier am Ufer der tief
einſchneidenden Havelbucht erhebt. Dieſer Ziegelofen iſt weit
bekannt in Havelland und Zauche; er iſt der älteſten einer, und
ſchon im vorigen Jahrhundert umgab ihn eine Colonie von
Ziegelſtreichern und Ziegelbrennern, die ſich hier in Hütten und
Häuſern angeſiedelt hatten. Dieſe übertrugen den Namen, den
ſie hier vorfanden, alsbald auf die ganze Anlage, ſo daß mit
dem Worte „Grelle“ nunmehr eben ſo oft das Etabliſſement
wie die ſeeartige Einbuchtung bezeichnet wird. Der alte hiſto-
riſche Ziegelofen moderniſirte ſich im Lauf der Jahre, vielleicht
auch die Häuſer, die ihn umſtanden, aber ſie blieben doch immer-
hin kümmerlich genug.

Auf eins derſelben, dem man erſichtlich vor Kurzem erſt
ein neues Stockwerk aufgeſetzt hatte, ſchritten wir jetzt zu. Der
Eingang war vom Hofe her.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0208" n="190"/>
&#x017F;ie i&#x017F;t, wie das ihrer an&#x017F;pruchslo&#x017F;en Natur ent&#x017F;pricht, Nutzholz<lb/>
geworden und bildet einen nicht unerheblichen Handels-Artikel<lb/>
die&#x017F;er Gegenden. Ich erfuhr darüber Folgendes:</p><lb/>
        <p>Zu be&#x017F;timmten Zeiten kommen Händler aus den Nord&#x017F;ee-<lb/>
häfen, aus Hamburg, Stade, Bremerhafen, auch von der Jade<lb/>
her, berei&#x017F;en die Akaziengegenden, kaufen an und markiren die<lb/>
Bäume, die zunäch&#x017F;t gefällt werden &#x017F;ollen. Ein Hauptpunkt für<lb/>
die&#x017F;e Händler i&#x017F;t Petzow. Einige Wochen &#x017F;päter er&#x017F;cheint ein<lb/>
Elbkahn von Hamburg oder den andern genannten Plätzen und<lb/>
hat eine kleine Armee von Holzfällern und Holz&#x017F;paltern an<lb/>
Bord. Es &#x017F;ind Ge&#x017F;chwi&#x017F;terkinder der Schindelmacher. Wie die&#x017F;e<lb/>
haben &#x017F;ie es zu einer Virtuo&#x017F;ität gebracht; &#x017F;ie fällen, zer&#x017F;ägen,<lb/>
&#x017F;palten; während der Schindler aber ein Flachholz her&#x017F;tellt, &#x017F;tellt<lb/>
die&#x017F;er nordi&#x017F;che Holz&#x017F;palter ein cylinderförmiges Lang&#x017F;tück her,<lb/>
das &#x017F;päter, als be&#x017F;te Sorte <hi rendition="#g">Schiffsnägel</hi>, auf den Werften<lb/>
der See&#x017F;tädte eine Rolle &#x017F;pielt. Wenn der Kahn mit die&#x017F;en<lb/>
Schiffsnägeln gefüllt i&#x017F;t, wird die Rückfahrt angetreten und die<lb/>
Petzower Akazien &#x017F;chwimmen ein Jahr &#x017F;päter auf allen Meeren<lb/>
und halten die Planken der deut&#x017F;chen Flotte zu&#x017F;ammen. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Wir hatten inzwi&#x017F;chen die &#x201E;Grelle&#x201C; und damit zugleich<lb/>
den großen Ziegelofen erreicht, der &#x017F;ich hier am Ufer der tief<lb/>
ein&#x017F;chneidenden Havelbucht erhebt. Die&#x017F;er Ziegelofen i&#x017F;t weit<lb/>
bekannt in Havelland und Zauche; er i&#x017F;t der älte&#x017F;ten einer, und<lb/>
&#x017F;chon im vorigen Jahrhundert umgab ihn eine Colonie von<lb/>
Ziegel&#x017F;treichern und Ziegelbrennern, die &#x017F;ich hier in Hütten und<lb/>
Häu&#x017F;ern ange&#x017F;iedelt hatten. Die&#x017F;e übertrugen den Namen, den<lb/>
&#x017F;ie hier vorfanden, alsbald auf die ganze Anlage, &#x017F;o daß mit<lb/>
dem Worte &#x201E;Grelle&#x201C; nunmehr eben &#x017F;o oft das Etabli&#x017F;&#x017F;ement<lb/>
wie die &#x017F;eeartige Einbuchtung bezeichnet wird. Der alte hi&#x017F;to-<lb/>
ri&#x017F;che Ziegelofen moderni&#x017F;irte &#x017F;ich im Lauf der Jahre, vielleicht<lb/>
auch die Häu&#x017F;er, die ihn um&#x017F;tanden, aber &#x017F;ie blieben doch immer-<lb/>
hin kümmerlich genug.</p><lb/>
        <p>Auf eins der&#x017F;elben, dem man er&#x017F;ichtlich vor Kurzem er&#x017F;t<lb/>
ein neues Stockwerk aufge&#x017F;etzt hatte, &#x017F;chritten wir jetzt zu. Der<lb/>
Eingang war vom Hofe her.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0208] ſie iſt, wie das ihrer anſpruchsloſen Natur entſpricht, Nutzholz geworden und bildet einen nicht unerheblichen Handels-Artikel dieſer Gegenden. Ich erfuhr darüber Folgendes: Zu beſtimmten Zeiten kommen Händler aus den Nordſee- häfen, aus Hamburg, Stade, Bremerhafen, auch von der Jade her, bereiſen die Akaziengegenden, kaufen an und markiren die Bäume, die zunächſt gefällt werden ſollen. Ein Hauptpunkt für dieſe Händler iſt Petzow. Einige Wochen ſpäter erſcheint ein Elbkahn von Hamburg oder den andern genannten Plätzen und hat eine kleine Armee von Holzfällern und Holzſpaltern an Bord. Es ſind Geſchwiſterkinder der Schindelmacher. Wie dieſe haben ſie es zu einer Virtuoſität gebracht; ſie fällen, zerſägen, ſpalten; während der Schindler aber ein Flachholz herſtellt, ſtellt dieſer nordiſche Holzſpalter ein cylinderförmiges Langſtück her, das ſpäter, als beſte Sorte Schiffsnägel, auf den Werften der Seeſtädte eine Rolle ſpielt. Wenn der Kahn mit dieſen Schiffsnägeln gefüllt iſt, wird die Rückfahrt angetreten und die Petzower Akazien ſchwimmen ein Jahr ſpäter auf allen Meeren und halten die Planken der deutſchen Flotte zuſammen. — Wir hatten inzwiſchen die „Grelle“ und damit zugleich den großen Ziegelofen erreicht, der ſich hier am Ufer der tief einſchneidenden Havelbucht erhebt. Dieſer Ziegelofen iſt weit bekannt in Havelland und Zauche; er iſt der älteſten einer, und ſchon im vorigen Jahrhundert umgab ihn eine Colonie von Ziegelſtreichern und Ziegelbrennern, die ſich hier in Hütten und Häuſern angeſiedelt hatten. Dieſe übertrugen den Namen, den ſie hier vorfanden, alsbald auf die ganze Anlage, ſo daß mit dem Worte „Grelle“ nunmehr eben ſo oft das Etabliſſement wie die ſeeartige Einbuchtung bezeichnet wird. Der alte hiſto- riſche Ziegelofen moderniſirte ſich im Lauf der Jahre, vielleicht auch die Häuſer, die ihn umſtanden, aber ſie blieben doch immer- hin kümmerlich genug. Auf eins derſelben, dem man erſichtlich vor Kurzem erſt ein neues Stockwerk aufgeſetzt hatte, ſchritten wir jetzt zu. Der Eingang war vom Hofe her.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/208
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 3: Ost-Havelland. Berlin, 1873, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg03_1873/208>, abgerufen am 26.11.2024.