Süden von einem kleinen Höhenzuge begrenzt, an dem die Dörfer Wilkersdorf und Zorndorf liegen. Auf diesem Stück Erde wurde das Drama aufgeführt. Der Boden ist wellenförmig, aber die Ein- schnitte ziehen nicht horizontal von West nach Ost, sondern senk- recht von Nord nach Süd, so daß das ganze Terrain mit seinen Höhen und Tiefen einer Tischplatte gleicht, auf der (von oben nach unten zu) eine Hand mit gespreizten Fingern liegt. Dorf Quart- schen (der damalige Mittelpunkt der russischen Stellung) entspricht dem Handgelenk, oder dem Knotenpunkt, wo alle Linien des Fel- des, Höhen und Tiefen, zusammentreffen. Das Ganze also, von Nord nach Süden zu, ist ein fächerförmiges Hügelterrain.
Auf einem dieser Hügelrücken, der, länglich und kaum tausend Schritte breit, zwischen zwei Vertiefungen, dem "Zaber- und dem Galgengrund" sich hinzieht, wurde die Schlacht entschieden; richtiger vielleicht, von hier aus wurde sie entschieden. Von Zorndorf her den Zabergrund hinaufrückend, begleitete Seydlitz, am äußersten linken Flügel der preußischen Aufstellung, den Auf- und Vormarsch der Angriffskolonnen. Selber ungesehen, sah er seinerseits alles. Auf die Aufforderung des Königs, "anzugreifen, bei Gefahr seines Kopfes," gab er die bekannte Antwort. *) Der Zeitpunkt war noch nicht da. Im Moment aber, als die bereits siegreichen Russen ihre Reiterei vorschickten, um in die fliehenden preußischen Bataillone einzuhauen, schwenkte Seydlitz plötzlich rechts, passirte den Bach und stieg aus dem Grund (der ihn bis dahin verborgen hatte) herauf. Wie Sturm über das Plateau zwischen dem Zaber- und Galgengrund hinfegend, führte er nun jene weltberühmte Attake aus, die mit der Nieder- werfung des zunächst stehenden russischen Flügels endigte, und sechs Stunden später gegen den andern Flügel wiederholt, den Tag zu Gunsten des Königs entschied.
"Seydlitz, auch diesen Sieg verdank ich Ihm." -- "Nicht
*) "Nach der Schlacht steht dem Könige mein Kopf zu Befehl, wäh- rend derselben mag er mir noch erlauben, davon in seinem Dienste Ge- brauch zu machen."
Süden von einem kleinen Höhenzuge begrenzt, an dem die Dörfer Wilkersdorf und Zorndorf liegen. Auf dieſem Stück Erde wurde das Drama aufgeführt. Der Boden iſt wellenförmig, aber die Ein- ſchnitte ziehen nicht horizontal von Weſt nach Oſt, ſondern ſenk- recht von Nord nach Süd, ſo daß das ganze Terrain mit ſeinen Höhen und Tiefen einer Tiſchplatte gleicht, auf der (von oben nach unten zu) eine Hand mit geſpreizten Fingern liegt. Dorf Quart- ſchen (der damalige Mittelpunkt der ruſſiſchen Stellung) entſpricht dem Handgelenk, oder dem Knotenpunkt, wo alle Linien des Fel- des, Höhen und Tiefen, zuſammentreffen. Das Ganze alſo, von Nord nach Süden zu, iſt ein fächerförmiges Hügelterrain.
Auf einem dieſer Hügelrücken, der, länglich und kaum tauſend Schritte breit, zwiſchen zwei Vertiefungen, dem „Zaber- und dem Galgengrund“ ſich hinzieht, wurde die Schlacht entſchieden; richtiger vielleicht, von hier aus wurde ſie entſchieden. Von Zorndorf her den Zabergrund hinaufrückend, begleitete Seydlitz, am äußerſten linken Flügel der preußiſchen Aufſtellung, den Auf- und Vormarſch der Angriffskolonnen. Selber ungeſehen, ſah er ſeinerſeits alles. Auf die Aufforderung des Königs, „anzugreifen, bei Gefahr ſeines Kopfes,“ gab er die bekannte Antwort. *) Der Zeitpunkt war noch nicht da. Im Moment aber, als die bereits ſiegreichen Ruſſen ihre Reiterei vorſchickten, um in die fliehenden preußiſchen Bataillone einzuhauen, ſchwenkte Seydlitz plötzlich rechts, paſſirte den Bach und ſtieg aus dem Grund (der ihn bis dahin verborgen hatte) herauf. Wie Sturm über das Plateau zwiſchen dem Zaber- und Galgengrund hinfegend, führte er nun jene weltberühmte Attake aus, die mit der Nieder- werfung des zunächſt ſtehenden ruſſiſchen Flügels endigte, und ſechs Stunden ſpäter gegen den andern Flügel wiederholt, den Tag zu Gunſten des Königs entſchied.
„Seydlitz, auch dieſen Sieg verdank ich Ihm.“ — „Nicht
*) „Nach der Schlacht ſteht dem Könige mein Kopf zu Befehl, wäh- rend derſelben mag er mir noch erlauben, davon in ſeinem Dienſte Ge- brauch zu machen.“
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das Drama aufgeführt. Der Boden iſt wellenförmig, aber die Ein-
ſchnitte ziehen nicht horizontal von Weſt nach Oſt, ſondern ſenk-
recht von Nord nach Süd, ſo daß das ganze Terrain mit ſeinen
Höhen und Tiefen einer Tiſchplatte gleicht, auf der (von oben nach
unten zu) eine Hand mit geſpreizten Fingern liegt. Dorf Quart-
ſchen (der damalige Mittelpunkt der ruſſiſchen Stellung) entſpricht
dem Handgelenk, oder dem Knotenpunkt, wo alle Linien des Fel-
des, Höhen und Tiefen, zuſammentreffen. Das Ganze alſo, von
Nord nach Süden zu, iſt ein fächerförmiges Hügelterrain.
Auf einem dieſer Hügelrücken, der, länglich und kaum tauſend
Schritte breit, zwiſchen zwei Vertiefungen, dem „Zaber- und dem
Galgengrund“ ſich hinzieht, wurde die Schlacht entſchieden; richtiger
vielleicht, von hier aus wurde ſie entſchieden. Von Zorndorf her
den Zabergrund hinaufrückend, begleitete Seydlitz, am äußerſten
linken Flügel der preußiſchen Aufſtellung, den Auf- und Vormarſch
der Angriffskolonnen. Selber ungeſehen, ſah er ſeinerſeits alles. Auf
die Aufforderung des Königs, „anzugreifen, bei Gefahr ſeines Kopfes,“
gab er die bekannte Antwort. *) Der Zeitpunkt war noch nicht da.
Im Moment aber, als die bereits ſiegreichen Ruſſen ihre Reiterei
vorſchickten, um in die fliehenden preußiſchen Bataillone einzuhauen,
ſchwenkte Seydlitz plötzlich rechts, paſſirte den Bach und ſtieg aus dem
Grund (der ihn bis dahin verborgen hatte) herauf. Wie Sturm
über das Plateau zwiſchen dem Zaber- und Galgengrund hinfegend,
führte er nun jene weltberühmte Attake aus, die mit der Nieder-
werfung des zunächſt ſtehenden ruſſiſchen Flügels endigte, und
ſechs Stunden ſpäter gegen den andern Flügel wiederholt, den
Tag zu Gunſten des Königs entſchied.
„Seydlitz, auch dieſen Sieg verdank ich Ihm.“ — „Nicht
*) „Nach der Schlacht ſteht dem Könige mein Kopf zu Befehl, wäh-
rend derſelben mag er mir noch erlauben, davon in ſeinem Dienſte Ge-
brauch zu machen.“
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/74>, abgerufen am 23.11.2024.
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