Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

"Ich würde die härteste Strafe verdienen, in Ihrer Ge-
genwart
eine betise wie die gestrige begangen zu haben, wenn
ich nicht Entschuldigungen hätte, die glaub ich (einigermaßen) stich-
haltig sind. Der Graf sagte wirklich Dinge, die mir ganz und
gar nicht gefielen, Dinge, deren rasche und ruhige Verdauung
über meine Kräfte ging. Dennoch hab' ich nur allzu guten Grund,
Ihre Verzeihung für mein albernes Betragen nachzusuchen. Sie
werden mir erlauben, meinen letzten Besuch durch einen anderen
wieder gut zu machen, wo ich versuchen will, wenn's möglich ist,
den Eindruck meiner gestrigen Thorheit zu verwischen."

So am 5. September. Aber die aufgefundenen Briefe fügen
dem Bilde weitere Züge hinzu und wir sehen Frau v. Wreech
nicht nur im Besitz von Jugend, Schönheit und einer Respect er-
zwingenden Haltung, -- wir gewinnen auch einen leisen Einblick
in ihre geistige Begabung und in die Liebenswürdigkeit ihres Cha-
rakters. Am 20. Februar 1732 schreibt der Kronprinz:

"Ich würde sehr undankbar sein, wenn ich Ihnen nicht mei-
nen Dank darüber aussprechen wollte, einmal, daß Sie überhaupt
nach Tamsel kamen und dann, daß Sie mir die reizenden Verse
überreichten, die Sie für mich gemacht hatten. Ich hätte mich
einer Sünde schuldig zu machen geglaubt, wenn ich die Verse
gleich gelesen und dadurch, wenn auch nur auf einen Augenblick,
mich um den Zauber Ihrer Unterhaltung gebracht hätte. Gestern,
in abendlicher Einsamkeit, fand ich Gelegenheit, Alles in ungestör-
tester Muße zu lesen und zu bewundern. Da haben Sie meine
Kritik. Alles, was von Ihnen kommt, entzückt mich durch Geist
und Grazie. Doch genug, -- ich breche ab, seh ich Sie im Geiste
doch ohnehin erröthen. Ihrer Bescheidenheit aber jedes wei-
tere Verlegenwerden zu ersparen und zugleich von dem Wunsche
geleitet, Ihnen einen neuen Beweis meines blinden Gehorsams zu
geben, schicke ich Ihnen, was Sie von mir gefordert haben."

Das, was der Prinz schickt, was Frau v. Wreech von ihm
gefordert hat, ist sein Portrait, und er begleitet dasselbe mit
einem Abschieds-Sonett, dessen Liebesgeständniß, eben weil es Ab-

„Ich würde die härteſte Strafe verdienen, in Ihrer Ge-
genwart
eine betise wie die geſtrige begangen zu haben, wenn
ich nicht Entſchuldigungen hätte, die glaub ich (einigermaßen) ſtich-
haltig ſind. Der Graf ſagte wirklich Dinge, die mir ganz und
gar nicht gefielen, Dinge, deren raſche und ruhige Verdauung
über meine Kräfte ging. Dennoch hab’ ich nur allzu guten Grund,
Ihre Verzeihung für mein albernes Betragen nachzuſuchen. Sie
werden mir erlauben, meinen letzten Beſuch durch einen anderen
wieder gut zu machen, wo ich verſuchen will, wenn’s möglich iſt,
den Eindruck meiner geſtrigen Thorheit zu verwiſchen.“

So am 5. September. Aber die aufgefundenen Briefe fügen
dem Bilde weitere Züge hinzu und wir ſehen Frau v. Wreech
nicht nur im Beſitz von Jugend, Schönheit und einer Reſpect er-
zwingenden Haltung, — wir gewinnen auch einen leiſen Einblick
in ihre geiſtige Begabung und in die Liebenswürdigkeit ihres Cha-
rakters. Am 20. Februar 1732 ſchreibt der Kronprinz:

„Ich würde ſehr undankbar ſein, wenn ich Ihnen nicht mei-
nen Dank darüber ausſprechen wollte, einmal, daß Sie überhaupt
nach Tamſel kamen und dann, daß Sie mir die reizenden Verſe
überreichten, die Sie für mich gemacht hatten. Ich hätte mich
einer Sünde ſchuldig zu machen geglaubt, wenn ich die Verſe
gleich geleſen und dadurch, wenn auch nur auf einen Augenblick,
mich um den Zauber Ihrer Unterhaltung gebracht hätte. Geſtern,
in abendlicher Einſamkeit, fand ich Gelegenheit, Alles in ungeſtör-
teſter Muße zu leſen und zu bewundern. Da haben Sie meine
Kritik. Alles, was von Ihnen kommt, entzückt mich durch Geiſt
und Grazie. Doch genug, — ich breche ab, ſeh ich Sie im Geiſte
doch ohnehin erröthen. Ihrer Beſcheidenheit aber jedes wei-
tere Verlegenwerden zu erſparen und zugleich von dem Wunſche
geleitet, Ihnen einen neuen Beweis meines blinden Gehorſams zu
geben, ſchicke ich Ihnen, was Sie von mir gefordert haben.“

Das, was der Prinz ſchickt, was Frau v. Wreech von ihm
gefordert hat, iſt ſein Portrait, und er begleitet daſſelbe mit
einem Abſchieds-Sonett, deſſen Liebesgeſtändniß, eben weil es Ab-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0059" n="47"/>
          <p>&#x201E;Ich würde die härte&#x017F;te Strafe verdienen, in <hi rendition="#g">Ihrer Ge-<lb/>
genwart</hi> eine <hi rendition="#aq">betise</hi> wie die ge&#x017F;trige begangen zu haben, wenn<lb/>
ich nicht Ent&#x017F;chuldigungen hätte, die glaub ich (einigermaßen) &#x017F;tich-<lb/>
haltig &#x017F;ind. Der Graf &#x017F;agte wirklich Dinge, die mir ganz und<lb/>
gar nicht gefielen, Dinge, deren ra&#x017F;che und ruhige Verdauung<lb/>
über meine Kräfte ging. Dennoch hab&#x2019; ich nur allzu guten Grund,<lb/>
Ihre Verzeihung für mein albernes Betragen nachzu&#x017F;uchen. Sie<lb/>
werden mir erlauben, meinen letzten Be&#x017F;uch durch einen anderen<lb/>
wieder gut zu machen, wo ich ver&#x017F;uchen will, wenn&#x2019;s möglich i&#x017F;t,<lb/>
den Eindruck meiner ge&#x017F;trigen Thorheit zu verwi&#x017F;chen.&#x201C;</p><lb/>
          <p>So am 5. September. Aber die aufgefundenen Briefe fügen<lb/>
dem Bilde weitere Züge hinzu und wir &#x017F;ehen Frau v. Wreech<lb/>
nicht nur im Be&#x017F;itz von Jugend, Schönheit und einer Re&#x017F;pect er-<lb/>
zwingenden Haltung, &#x2014; wir gewinnen auch einen lei&#x017F;en Einblick<lb/>
in ihre gei&#x017F;tige Begabung und in die Liebenswürdigkeit ihres Cha-<lb/>
rakters. Am 20. Februar 1732 &#x017F;chreibt der Kronprinz:</p><lb/>
          <p>&#x201E;Ich würde &#x017F;ehr undankbar &#x017F;ein, wenn ich Ihnen nicht mei-<lb/>
nen Dank darüber aus&#x017F;prechen wollte, einmal, daß Sie überhaupt<lb/>
nach Tam&#x017F;el kamen und dann, daß Sie mir die reizenden <hi rendition="#g">Ver&#x017F;e</hi><lb/>
überreichten, die Sie für mich gemacht hatten. Ich hätte mich<lb/>
einer Sünde &#x017F;chuldig zu machen geglaubt, wenn ich die Ver&#x017F;e<lb/>
gleich gele&#x017F;en und dadurch, wenn auch nur auf einen Augenblick,<lb/>
mich um den Zauber Ihrer Unterhaltung gebracht hätte. Ge&#x017F;tern,<lb/>
in abendlicher Ein&#x017F;amkeit, fand ich Gelegenheit, Alles in unge&#x017F;tör-<lb/>
te&#x017F;ter Muße zu le&#x017F;en und zu bewundern. Da haben Sie meine<lb/>
Kritik. Alles, was von Ihnen kommt, entzückt mich durch Gei&#x017F;t<lb/>
und Grazie. Doch genug, &#x2014; ich breche ab, &#x017F;eh ich Sie im Gei&#x017F;te<lb/>
doch ohnehin <hi rendition="#g">erröthen</hi>. Ihrer <hi rendition="#g">Be&#x017F;cheidenheit</hi> aber jedes wei-<lb/>
tere Verlegenwerden zu er&#x017F;paren und zugleich von dem Wun&#x017F;che<lb/>
geleitet, Ihnen einen neuen Beweis meines blinden Gehor&#x017F;ams zu<lb/>
geben, &#x017F;chicke ich Ihnen, was Sie von mir gefordert haben.&#x201C;</p><lb/>
          <p>Das, was der Prinz &#x017F;chickt, was Frau v. Wreech von ihm<lb/>
gefordert hat, i&#x017F;t &#x017F;ein <hi rendition="#g">Portrait</hi>, und er begleitet da&#x017F;&#x017F;elbe mit<lb/>
einem Ab&#x017F;chieds-Sonett, de&#x017F;&#x017F;en Liebesge&#x017F;tändniß, eben weil es Ab-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[47/0059] „Ich würde die härteſte Strafe verdienen, in Ihrer Ge- genwart eine betise wie die geſtrige begangen zu haben, wenn ich nicht Entſchuldigungen hätte, die glaub ich (einigermaßen) ſtich- haltig ſind. Der Graf ſagte wirklich Dinge, die mir ganz und gar nicht gefielen, Dinge, deren raſche und ruhige Verdauung über meine Kräfte ging. Dennoch hab’ ich nur allzu guten Grund, Ihre Verzeihung für mein albernes Betragen nachzuſuchen. Sie werden mir erlauben, meinen letzten Beſuch durch einen anderen wieder gut zu machen, wo ich verſuchen will, wenn’s möglich iſt, den Eindruck meiner geſtrigen Thorheit zu verwiſchen.“ So am 5. September. Aber die aufgefundenen Briefe fügen dem Bilde weitere Züge hinzu und wir ſehen Frau v. Wreech nicht nur im Beſitz von Jugend, Schönheit und einer Reſpect er- zwingenden Haltung, — wir gewinnen auch einen leiſen Einblick in ihre geiſtige Begabung und in die Liebenswürdigkeit ihres Cha- rakters. Am 20. Februar 1732 ſchreibt der Kronprinz: „Ich würde ſehr undankbar ſein, wenn ich Ihnen nicht mei- nen Dank darüber ausſprechen wollte, einmal, daß Sie überhaupt nach Tamſel kamen und dann, daß Sie mir die reizenden Verſe überreichten, die Sie für mich gemacht hatten. Ich hätte mich einer Sünde ſchuldig zu machen geglaubt, wenn ich die Verſe gleich geleſen und dadurch, wenn auch nur auf einen Augenblick, mich um den Zauber Ihrer Unterhaltung gebracht hätte. Geſtern, in abendlicher Einſamkeit, fand ich Gelegenheit, Alles in ungeſtör- teſter Muße zu leſen und zu bewundern. Da haben Sie meine Kritik. Alles, was von Ihnen kommt, entzückt mich durch Geiſt und Grazie. Doch genug, — ich breche ab, ſeh ich Sie im Geiſte doch ohnehin erröthen. Ihrer Beſcheidenheit aber jedes wei- tere Verlegenwerden zu erſparen und zugleich von dem Wunſche geleitet, Ihnen einen neuen Beweis meines blinden Gehorſams zu geben, ſchicke ich Ihnen, was Sie von mir gefordert haben.“ Das, was der Prinz ſchickt, was Frau v. Wreech von ihm gefordert hat, iſt ſein Portrait, und er begleitet daſſelbe mit einem Abſchieds-Sonett, deſſen Liebesgeſtändniß, eben weil es Ab-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/59
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/59>, abgerufen am 02.05.2024.