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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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zenhof hatte 99 Stöcke und so, im Verhältniß, bis zum Büdner
und Tagelöhner herab. Ein Stock entsprach in guten Jahren einem
Eimer voll Honig. Den Eimer zu 10 Quart gerechnet, hätte also
der Schulzenhof in guten Jahren 990 Quart Honig gewonnen.

Von dieser Höhe ist nun Kienbaum seitdem herabgestiegen.
Der Bienenconvent tagt nicht mehr inmitten des Dorfs, und der
Schulzenhof, der es sonst bis auf 99 Körbe brachte, begnügt sich
jetzt mit 9. Der gewonnene Honig hat längst aufgehört ein Han-
delsartikel und eine besondere Einnahme zu sein, er spielt nur
noch die Rolle eines Surrogats. Er vertritt den Zucker und die
Butter, welche letztere in einem armen Sand- und Haidedorf, das
seinen Viehstand schwer über eine Schafheerde hinaus bringt, be-
greiflicherweise zu den Luxusartikeln zählt.

Das alte Wahrzeichen Kienbaum's ist hin und seine Bienen-
herrlichkeit nicht minder, aber an die letztre erinnert doch noch vie-
les. Die Lokalität, die ich oben zu beschreiben suchte, ist eben im
Wesentlichen dieselbe geblieben. Noch steht der Wald, noch blüht
das Haidekraut roth über die Haide hin, noch schlängelt sich die
Loecknitz durch das grüne Wiesenband hindurch, und die größte

Park- und Gartenland neben sich her, zu dessen beiden Seiten der Wald
wie eine Terrasse langsam ansteigt. Immer dieselben Requisiten, wenig
Wechsel im Material und doch, wer hier am späten Nachmittag an der
Grenzlinie zwischen Wald und Wiese hinfährt, dem eröffnet sich eine Reihe
der reizendsten Landschaftsbilder. Hier dringt der Wald von beiden Sei-
ten hervor und schafft eine Schmälung, hier tritt er zurück und der schmale
Wiesenstreifen dehnt sich entweder zu einer Waldwiese aus oder das Flüß-
chen selber wird zu einem Teich, auf dem im Schimmer der untergehen-
den Sonne die stillen Nymphaeen schwimmen. Dann und wann eine
Sägemühle, ein rauschendes Wehr, dazwischen Brücken, die den bequemen
Wald- und Wiesenweg bald vom rechten auf's linke und wieder vom
linken auf's rechte Ufer führen. Selbst die Ortsnamen werden poetisch:
Liebenberg und Alt-Buchhorst, Klein-Wall und Gottesbrück, daneben der
Werl- und Möllen-See. Unmittelbar dahinter beginnt schon wieder die
Prosa und der nächste See heißt beispielsweise "der Dämeritz". Freilich
auch "Loecknitz" selber könnte wohlklingender sein, aber freuen wir uns
wenigstens des ck und adoptiren wir nie die Aussprache der Anwohner
des Flusses, die breit und häßlich "die Loeknitz" sprechen.
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zenhof hatte 99 Stöcke und ſo, im Verhältniß, bis zum Büdner
und Tagelöhner herab. Ein Stock entſprach in guten Jahren einem
Eimer voll Honig. Den Eimer zu 10 Quart gerechnet, hätte alſo
der Schulzenhof in guten Jahren 990 Quart Honig gewonnen.

Von dieſer Höhe iſt nun Kienbaum ſeitdem herabgeſtiegen.
Der Bienenconvent tagt nicht mehr inmitten des Dorfs, und der
Schulzenhof, der es ſonſt bis auf 99 Körbe brachte, begnügt ſich
jetzt mit 9. Der gewonnene Honig hat längſt aufgehört ein Han-
delsartikel und eine beſondere Einnahme zu ſein, er ſpielt nur
noch die Rolle eines Surrogats. Er vertritt den Zucker und die
Butter, welche letztere in einem armen Sand- und Haidedorf, das
ſeinen Viehſtand ſchwer über eine Schafheerde hinaus bringt, be-
greiflicherweiſe zu den Luxusartikeln zählt.

Das alte Wahrzeichen Kienbaum’s iſt hin und ſeine Bienen-
herrlichkeit nicht minder, aber an die letztre erinnert doch noch vie-
les. Die Lokalität, die ich oben zu beſchreiben ſuchte, iſt eben im
Weſentlichen dieſelbe geblieben. Noch ſteht der Wald, noch blüht
das Haidekraut roth über die Haide hin, noch ſchlängelt ſich die
Loecknitz durch das grüne Wieſenband hindurch, und die größte

Park- und Gartenland neben ſich her, zu deſſen beiden Seiten der Wald
wie eine Terraſſe langſam anſteigt. Immer dieſelben Requiſiten, wenig
Wechſel im Material und doch, wer hier am ſpäten Nachmittag an der
Grenzlinie zwiſchen Wald und Wieſe hinfährt, dem eröffnet ſich eine Reihe
der reizendſten Landſchaftsbilder. Hier dringt der Wald von beiden Sei-
ten hervor und ſchafft eine Schmälung, hier tritt er zurück und der ſchmale
Wieſenſtreifen dehnt ſich entweder zu einer Waldwieſe aus oder das Flüß-
chen ſelber wird zu einem Teich, auf dem im Schimmer der untergehen-
den Sonne die ſtillen Nymphaeen ſchwimmen. Dann und wann eine
Sägemühle, ein rauſchendes Wehr, dazwiſchen Brücken, die den bequemen
Wald- und Wieſenweg bald vom rechten auf’s linke und wieder vom
linken auf’s rechte Ufer führen. Selbſt die Ortsnamen werden poetiſch:
Liebenberg und Alt-Buchhorſt, Klein-Wall und Gottesbrück, daneben der
Werl- und Möllen-See. Unmittelbar dahinter beginnt ſchon wieder die
Proſa und der nächſte See heißt beiſpielsweiſe „der Dämeritz“. Freilich
auch „Loecknitz“ ſelber könnte wohlklingender ſein, aber freuen wir uns
wenigſtens des ck und adoptiren wir nie die Ausſprache der Anwohner
des Fluſſes, die breit und häßlich „die Loeknitz“ ſprechen.
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[499/0511] zenhof hatte 99 Stöcke und ſo, im Verhältniß, bis zum Büdner und Tagelöhner herab. Ein Stock entſprach in guten Jahren einem Eimer voll Honig. Den Eimer zu 10 Quart gerechnet, hätte alſo der Schulzenhof in guten Jahren 990 Quart Honig gewonnen. Von dieſer Höhe iſt nun Kienbaum ſeitdem herabgeſtiegen. Der Bienenconvent tagt nicht mehr inmitten des Dorfs, und der Schulzenhof, der es ſonſt bis auf 99 Körbe brachte, begnügt ſich jetzt mit 9. Der gewonnene Honig hat längſt aufgehört ein Han- delsartikel und eine beſondere Einnahme zu ſein, er ſpielt nur noch die Rolle eines Surrogats. Er vertritt den Zucker und die Butter, welche letztere in einem armen Sand- und Haidedorf, das ſeinen Viehſtand ſchwer über eine Schafheerde hinaus bringt, be- greiflicherweiſe zu den Luxusartikeln zählt. Das alte Wahrzeichen Kienbaum’s iſt hin und ſeine Bienen- herrlichkeit nicht minder, aber an die letztre erinnert doch noch vie- les. Die Lokalität, die ich oben zu beſchreiben ſuchte, iſt eben im Weſentlichen dieſelbe geblieben. Noch ſteht der Wald, noch blüht das Haidekraut roth über die Haide hin, noch ſchlängelt ſich die Loecknitz durch das grüne Wieſenband hindurch, und die größte *) *) Park- und Gartenland neben ſich her, zu deſſen beiden Seiten der Wald wie eine Terraſſe langſam anſteigt. Immer dieſelben Requiſiten, wenig Wechſel im Material und doch, wer hier am ſpäten Nachmittag an der Grenzlinie zwiſchen Wald und Wieſe hinfährt, dem eröffnet ſich eine Reihe der reizendſten Landſchaftsbilder. Hier dringt der Wald von beiden Sei- ten hervor und ſchafft eine Schmälung, hier tritt er zurück und der ſchmale Wieſenſtreifen dehnt ſich entweder zu einer Waldwieſe aus oder das Flüß- chen ſelber wird zu einem Teich, auf dem im Schimmer der untergehen- den Sonne die ſtillen Nymphaeen ſchwimmen. Dann und wann eine Sägemühle, ein rauſchendes Wehr, dazwiſchen Brücken, die den bequemen Wald- und Wieſenweg bald vom rechten auf’s linke und wieder vom linken auf’s rechte Ufer führen. Selbſt die Ortsnamen werden poetiſch: Liebenberg und Alt-Buchhorſt, Klein-Wall und Gottesbrück, daneben der Werl- und Möllen-See. Unmittelbar dahinter beginnt ſchon wieder die Proſa und der nächſte See heißt beiſpielsweiſe „der Dämeritz“. Freilich auch „Loecknitz“ ſelber könnte wohlklingender ſein, aber freuen wir uns wenigſtens des ck und adoptiren wir nie die Ausſprache der Anwohner des Fluſſes, die breit und häßlich „die Loeknitz“ ſprechen. 32*

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/511>, abgerufen am 22.11.2024.