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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Reiter im Dorfe gefuttert hatten, in der Richtung von Straus-
berg und Herzfelde auf. Dafür, daß alle 2000 Reiter Cunersdorf
passirten, scheint allerdings der Umstand zu sprechen, daß, nach
einer noch fortlebenden Erinnerung, an jenem einen Vormittage
17 Wispel Hafer verfuttert wurden.

Das Jahr 1813 brachte noch einen andern Gast nach Schloß
Cunersdorf und mit seinem Besuche schließen wir, wie mit einem
kleinen Idyll. Dieser Gast war Chamisso.

Chamisso, bekanntlich in Folge der französischen Revolu-
tion aus Frankreich (Schloß Boncourt in der Champagne) emi-
grirt, *) hatte als preußischer Offizier die unglückliche Campagne
von 1806 und speciell die Kapitulation von Hameln mit durchge-
macht. Seitdem lebte er ausschließlich den Wissenschaften, besonders
dem Studium der Botanik. Im Frühjahr 1813 waren seine Mit-
tel erschöpft und Professor Lichtenstein, dem Itzenplitz'schen
Hause befreundet, empfahl den jungen Botaniker (eben unsern
Chamisso) nach Cunersdorf hin, wo er, nach bald erfolgtem
Eintreffen, die Anlegung einer großen Pflanzensammlung unter-
nahm, eines Herbariums, das einerseits die ganze Flora des Oder-
bruchs, andererseits alle Garten- und Treibhauspflanzen des
Schlosses selbst enthalten sollte. Chamisso verweilte einen Som-
mer lang in dieser ländlichen Zurückgezogenheit, und unterzog sich

*) Zwei ältere Brüder Adalberts von Chamisso (Hippolyt
und Karl) waren Leibpagen im Dienste Ludwigs XVI. und Karl
war unausgesetzt um die Person des unglücklichen Monarchen in dessen
bedrängtesten Lagen, namentlich am 10. August 1792. Bei einem Auflauf
zerschlagen und verwundet, wurde Karl von Chamisso nur mit Mühe
gerettet. Der König verkannte das Verdienst nicht, das sich der Page um
ihn erworben hatte und fand Gelegenheit, ihm einen Degen zuzustecken,
den er, der König, in glücklicheren Jahren getragen hatte. Zu gleicher Zeit
schrieb er auf einem nur etwa thalergroßen Zettelchen: "Ich empfehle
Herrn von Chamisso, einen meiner treuen Diener, meinen Brüdern.
Er hat mehrere Male sein Leben für mich auf das Spiel gesetzt. Lud-
wig
." Dies Zettelchen und der Degen befinden sich bis diesen Tag in
Händen der Familie; der älteste Sohn (preußischer Offizier) Adalbert
von Chamissos
besitzt Beides.

Reiter im Dorfe gefuttert hatten, in der Richtung von Straus-
berg und Herzfelde auf. Dafür, daß alle 2000 Reiter Cunersdorf
paſſirten, ſcheint allerdings der Umſtand zu ſprechen, daß, nach
einer noch fortlebenden Erinnerung, an jenem einen Vormittage
17 Wispel Hafer verfuttert wurden.

Das Jahr 1813 brachte noch einen andern Gaſt nach Schloß
Cunersdorf und mit ſeinem Beſuche ſchließen wir, wie mit einem
kleinen Idyll. Dieſer Gaſt war Chamiſſo.

Chamiſſo, bekanntlich in Folge der franzöſiſchen Revolu-
tion aus Frankreich (Schloß Boncourt in der Champagne) emi-
grirt, *) hatte als preußiſcher Offizier die unglückliche Campagne
von 1806 und ſpeciell die Kapitulation von Hameln mit durchge-
macht. Seitdem lebte er ausſchließlich den Wiſſenſchaften, beſonders
dem Studium der Botanik. Im Frühjahr 1813 waren ſeine Mit-
tel erſchöpft und Profeſſor Lichtenſtein, dem Itzenplitz’ſchen
Hauſe befreundet, empfahl den jungen Botaniker (eben unſern
Chamiſſo) nach Cunersdorf hin, wo er, nach bald erfolgtem
Eintreffen, die Anlegung einer großen Pflanzenſammlung unter-
nahm, eines Herbariums, das einerſeits die ganze Flora des Oder-
bruchs, andererſeits alle Garten- und Treibhauspflanzen des
Schloſſes ſelbſt enthalten ſollte. Chamiſſo verweilte einen Som-
mer lang in dieſer ländlichen Zurückgezogenheit, und unterzog ſich

*) Zwei ältere Brüder Adalberts von Chamiſſo (Hippolyt
und Karl) waren Leibpagen im Dienſte Ludwigs XVI. und Karl
war unausgeſetzt um die Perſon des unglücklichen Monarchen in deſſen
bedrängteſten Lagen, namentlich am 10. Auguſt 1792. Bei einem Auflauf
zerſchlagen und verwundet, wurde Karl von Chamiſſo nur mit Mühe
gerettet. Der König verkannte das Verdienſt nicht, das ſich der Page um
ihn erworben hatte und fand Gelegenheit, ihm einen Degen zuzuſtecken,
den er, der König, in glücklicheren Jahren getragen hatte. Zu gleicher Zeit
ſchrieb er auf einem nur etwa thalergroßen Zettelchen: „Ich empfehle
Herrn von Chamiſſo, einen meiner treuen Diener, meinen Brüdern.
Er hat mehrere Male ſein Leben für mich auf das Spiel geſetzt. Lud-
wig
.“ Dies Zettelchen und der Degen befinden ſich bis dieſen Tag in
Händen der Familie; der älteſte Sohn (preußiſcher Offizier) Adalbert
von Chamiſſos
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[469/0481] Reiter im Dorfe gefuttert hatten, in der Richtung von Straus- berg und Herzfelde auf. Dafür, daß alle 2000 Reiter Cunersdorf paſſirten, ſcheint allerdings der Umſtand zu ſprechen, daß, nach einer noch fortlebenden Erinnerung, an jenem einen Vormittage 17 Wispel Hafer verfuttert wurden. Das Jahr 1813 brachte noch einen andern Gaſt nach Schloß Cunersdorf und mit ſeinem Beſuche ſchließen wir, wie mit einem kleinen Idyll. Dieſer Gaſt war Chamiſſo. Chamiſſo, bekanntlich in Folge der franzöſiſchen Revolu- tion aus Frankreich (Schloß Boncourt in der Champagne) emi- grirt, *) hatte als preußiſcher Offizier die unglückliche Campagne von 1806 und ſpeciell die Kapitulation von Hameln mit durchge- macht. Seitdem lebte er ausſchließlich den Wiſſenſchaften, beſonders dem Studium der Botanik. Im Frühjahr 1813 waren ſeine Mit- tel erſchöpft und Profeſſor Lichtenſtein, dem Itzenplitz’ſchen Hauſe befreundet, empfahl den jungen Botaniker (eben unſern Chamiſſo) nach Cunersdorf hin, wo er, nach bald erfolgtem Eintreffen, die Anlegung einer großen Pflanzenſammlung unter- nahm, eines Herbariums, das einerſeits die ganze Flora des Oder- bruchs, andererſeits alle Garten- und Treibhauspflanzen des Schloſſes ſelbſt enthalten ſollte. Chamiſſo verweilte einen Som- mer lang in dieſer ländlichen Zurückgezogenheit, und unterzog ſich *) Zwei ältere Brüder Adalberts von Chamiſſo (Hippolyt und Karl) waren Leibpagen im Dienſte Ludwigs XVI. und Karl war unausgeſetzt um die Perſon des unglücklichen Monarchen in deſſen bedrängteſten Lagen, namentlich am 10. Auguſt 1792. Bei einem Auflauf zerſchlagen und verwundet, wurde Karl von Chamiſſo nur mit Mühe gerettet. Der König verkannte das Verdienſt nicht, das ſich der Page um ihn erworben hatte und fand Gelegenheit, ihm einen Degen zuzuſtecken, den er, der König, in glücklicheren Jahren getragen hatte. Zu gleicher Zeit ſchrieb er auf einem nur etwa thalergroßen Zettelchen: „Ich empfehle Herrn von Chamiſſo, einen meiner treuen Diener, meinen Brüdern. Er hat mehrere Male ſein Leben für mich auf das Spiel geſetzt. Lud- wig.“ Dies Zettelchen und der Degen befinden ſich bis dieſen Tag in Händen der Familie; der älteſte Sohn (preußiſcher Offizier) Adalbert von Chamiſſos beſitzt Beides.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 469. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/481>, abgerufen am 24.11.2024.