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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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rer Untergebenen in ihr. Wo sie sich sehen ließ, und das war den
ganzen Tag bald hier bald dort, redete sie freundlich mit ihnen,
und den Leuten leuchtete die Freude aus den Augen. Aber gehor-
chen mußte Alles. Sie war aber nicht bloß eine Landwirthin,
sondern eine höchst geistreiche und in allen Dingen unterrichtete
Frau. Ich schulde ihr sehr viel; sie hatte mir, als ich Frieders-
dorf übernahm, die nöthigen Wirthschaftsbeamten verschafft und
die Rechnungsbücher einrichten lassen."

So weit Marwitz über Frau von Friedland. Sehr ähn-
lich, aber noch lebhafter, wärmer, begeisterter, äußert sich Thaer
über dieselbe, der sie im Sommer 1801 (nachdem er schon 1799
ihre erste Bekanntschaft gemacht hatte) bei seinem zweiten Besuch
in der Mark näher kennen lernte. Er schreibt: "auf der Grenze
ihrer Herrschaft kam uns Frau von Friedland, eine der merk-
würdigsten Frauen, die je existirt haben, in vollem Trabe entge-
gen, sprang vom Pferde, und setzte sich zu uns in den Wagen.
Nun ging es in vollem Galopp über Dämme und Gräben weg.
Wir fuhren vier volle Stunden von einem Orte zum andern.
Fünf bis sechs Verwalter, Schreiber u. s. w. waren immer neben
und hinter dem Wagen, und mußten bald eine Heerde Kühe, bald
eine Heerde Schafe oder Schweine herbei holen. Da indessen einige
der Gesellschaft nicht länger verhehlen konnten, daß ihnen nach
einem Imbiß verlange, sagte Frau von Friedland: "wir sind
sehr bald zu Hause; wollen Sie aber im Freien essen, kann ich
Ihnen sogleich etwas schaffen." Als wir letzteres versicherten, ging
es sofort in einen prächtigen Wald hinein, einen steilen Berg hin-
auf, wo wir erst ein Feuer, und bald darauf eine gedeckte Tafel
erblickten, auf einem Platze, wo wir im Vordergrunde dichte Wal-
dung, zur Seite einen großen See und in der Ferne eine weite
Aussicht in das herrliche Oderbruch hatten. Eine Menge von
Schüsseln, die schönsten Weine, und ein Dessert von Ananas,
Weintrauben u. s. w. ward aufgetragen. Aber sie ließ uns zum
Essen und Trinken nicht eben viel Zeit. Es ging bald wieder fort,
von einer Feldflur zur andern, und so waren wir gewiß 15 Mei-

rer Untergebenen in ihr. Wo ſie ſich ſehen ließ, und das war den
ganzen Tag bald hier bald dort, redete ſie freundlich mit ihnen,
und den Leuten leuchtete die Freude aus den Augen. Aber gehor-
chen mußte Alles. Sie war aber nicht bloß eine Landwirthin,
ſondern eine höchſt geiſtreiche und in allen Dingen unterrichtete
Frau. Ich ſchulde ihr ſehr viel; ſie hatte mir, als ich Frieders-
dorf übernahm, die nöthigen Wirthſchaftsbeamten verſchafft und
die Rechnungsbücher einrichten laſſen.“

So weit Marwitz über Frau von Friedland. Sehr ähn-
lich, aber noch lebhafter, wärmer, begeiſterter, äußert ſich Thaer
über dieſelbe, der ſie im Sommer 1801 (nachdem er ſchon 1799
ihre erſte Bekanntſchaft gemacht hatte) bei ſeinem zweiten Beſuch
in der Mark näher kennen lernte. Er ſchreibt: „auf der Grenze
ihrer Herrſchaft kam uns Frau von Friedland, eine der merk-
würdigſten Frauen, die je exiſtirt haben, in vollem Trabe entge-
gen, ſprang vom Pferde, und ſetzte ſich zu uns in den Wagen.
Nun ging es in vollem Galopp über Dämme und Gräben weg.
Wir fuhren vier volle Stunden von einem Orte zum andern.
Fünf bis ſechs Verwalter, Schreiber u. ſ. w. waren immer neben
und hinter dem Wagen, und mußten bald eine Heerde Kühe, bald
eine Heerde Schafe oder Schweine herbei holen. Da indeſſen einige
der Geſellſchaft nicht länger verhehlen konnten, daß ihnen nach
einem Imbiß verlange, ſagte Frau von Friedland: „wir ſind
ſehr bald zu Hauſe; wollen Sie aber im Freien eſſen, kann ich
Ihnen ſogleich etwas ſchaffen.“ Als wir letzteres verſicherten, ging
es ſofort in einen prächtigen Wald hinein, einen ſteilen Berg hin-
auf, wo wir erſt ein Feuer, und bald darauf eine gedeckte Tafel
erblickten, auf einem Platze, wo wir im Vordergrunde dichte Wal-
dung, zur Seite einen großen See und in der Ferne eine weite
Ausſicht in das herrliche Oderbruch hatten. Eine Menge von
Schüſſeln, die ſchönſten Weine, und ein Deſſert von Ananas,
Weintrauben u. ſ. w. ward aufgetragen. Aber ſie ließ uns zum
Eſſen und Trinken nicht eben viel Zeit. Es ging bald wieder fort,
von einer Feldflur zur andern, und ſo waren wir gewiß 15 Mei-

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[458/0470] rer Untergebenen in ihr. Wo ſie ſich ſehen ließ, und das war den ganzen Tag bald hier bald dort, redete ſie freundlich mit ihnen, und den Leuten leuchtete die Freude aus den Augen. Aber gehor- chen mußte Alles. Sie war aber nicht bloß eine Landwirthin, ſondern eine höchſt geiſtreiche und in allen Dingen unterrichtete Frau. Ich ſchulde ihr ſehr viel; ſie hatte mir, als ich Frieders- dorf übernahm, die nöthigen Wirthſchaftsbeamten verſchafft und die Rechnungsbücher einrichten laſſen.“ So weit Marwitz über Frau von Friedland. Sehr ähn- lich, aber noch lebhafter, wärmer, begeiſterter, äußert ſich Thaer über dieſelbe, der ſie im Sommer 1801 (nachdem er ſchon 1799 ihre erſte Bekanntſchaft gemacht hatte) bei ſeinem zweiten Beſuch in der Mark näher kennen lernte. Er ſchreibt: „auf der Grenze ihrer Herrſchaft kam uns Frau von Friedland, eine der merk- würdigſten Frauen, die je exiſtirt haben, in vollem Trabe entge- gen, ſprang vom Pferde, und ſetzte ſich zu uns in den Wagen. Nun ging es in vollem Galopp über Dämme und Gräben weg. Wir fuhren vier volle Stunden von einem Orte zum andern. Fünf bis ſechs Verwalter, Schreiber u. ſ. w. waren immer neben und hinter dem Wagen, und mußten bald eine Heerde Kühe, bald eine Heerde Schafe oder Schweine herbei holen. Da indeſſen einige der Geſellſchaft nicht länger verhehlen konnten, daß ihnen nach einem Imbiß verlange, ſagte Frau von Friedland: „wir ſind ſehr bald zu Hauſe; wollen Sie aber im Freien eſſen, kann ich Ihnen ſogleich etwas ſchaffen.“ Als wir letzteres verſicherten, ging es ſofort in einen prächtigen Wald hinein, einen ſteilen Berg hin- auf, wo wir erſt ein Feuer, und bald darauf eine gedeckte Tafel erblickten, auf einem Platze, wo wir im Vordergrunde dichte Wal- dung, zur Seite einen großen See und in der Ferne eine weite Ausſicht in das herrliche Oderbruch hatten. Eine Menge von Schüſſeln, die ſchönſten Weine, und ein Deſſert von Ananas, Weintrauben u. ſ. w. ward aufgetragen. Aber ſie ließ uns zum Eſſen und Trinken nicht eben viel Zeit. Es ging bald wieder fort, von einer Feldflur zur andern, und ſo waren wir gewiß 15 Mei-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/470>, abgerufen am 24.11.2024.