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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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Kloster Lindow ist schöner gelegen, vielleicht auch malerischer
in sich selbst, als Kloster Friedland, aber dies letztere ist besser er-
halten, und die Umfassungsmauer z. B., ferner das Haus des
Probstes, ein Stück Kreuzgang, vor allem das Refektorium, zeigen
sich zum Theil in noch gutem Zustand.

Das Refektorium, jetzt als Malzplatz benutzt, läßt sich in
seinen baulichen Einzelheiten noch genau verfolgen. Es scheint der
Styl früherer Gothik und der Bau, wie er da ist, dürfte der
ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts angehören. Das alte Klo-
ster, das 1300 großentheils durch Feuer zerstört wurde, war
zweifellos ein romanischer Bau*). Der Neubau aber, der nun an
die Stelle des niedergebrannten trat, wurde höchst wahrscheinlicher-
weise in demselben Style aufgeführt, in dem wir bis diesen
Augenblick noch das Refektorium erblicken. Vielleicht ist dies Re-
fektorium auch derjenige Theil des Gebäudes, der das Feuer vom
Jahre 1300 überdauerte. Die gewölbte Decke desselben wird von
drei Säulenpfeilern getragen. Zwei dieser Pfeiler sind rund, der
dritte (mittelste) 4 oder 6eckig. Die Gewölbe, die auf den Pfei-
lern stehen, sind vielgeribbt, so daß immer 16 Ribben auf einem
Pfeiler ruhen, oder aus demselben palmenhaft aufwachsen. Der
Raum zwischen den Pfeilern ist verschieden, und von oben nach
unten zu abgeschritten, bemerkt man, daß der Zwischenraum von
Pfeiler zu Pfeiler immer von 1 bis 2 Fuß kleiner wird. Es stehe
dahin, ob dies Absicht oder Zufall ist.


*) Die größte unter den Filial-Kirchen des Klosters war die zu
Ringenwalde, eine alte, im romanischen Style aufgeführte Feldstein-
kirche, die sich bis diesen Tag trefflich erhalten hat und -- wie sie muth-
maßlich uns veranschaulicht, wie die alte Klosterkirche zu Friedland war
-- zugleich als Muster dafür dienen kann, wie vor 600 Jahren von den
Christenthum und Cultur bringenden Cisterziensern, märkische Dorfkirchen
gebaut wurden. Alles zeigt noch durchaus den Charakter der "geistlichen
Burg": hoch hinaufgehende Feldsteinmauern, dann, ziemlich dicht un-
term Dach, kleine, rundgewölbte Fenster, mit Oeffnungen wie Schieß-
scharten.

Kloſter Lindow iſt ſchöner gelegen, vielleicht auch maleriſcher
in ſich ſelbſt, als Kloſter Friedland, aber dies letztere iſt beſſer er-
halten, und die Umfaſſungsmauer z. B., ferner das Haus des
Probſtes, ein Stück Kreuzgang, vor allem das Refektorium, zeigen
ſich zum Theil in noch gutem Zuſtand.

Das Refektorium, jetzt als Malzplatz benutzt, läßt ſich in
ſeinen baulichen Einzelheiten noch genau verfolgen. Es ſcheint der
Styl früherer Gothik und der Bau, wie er da iſt, dürfte der
erſten Hälfte des 14. Jahrhunderts angehören. Das alte Klo-
ſter, das 1300 großentheils durch Feuer zerſtört wurde, war
zweifellos ein romaniſcher Bau*). Der Neubau aber, der nun an
die Stelle des niedergebrannten trat, wurde höchſt wahrſcheinlicher-
weiſe in demſelben Style aufgeführt, in dem wir bis dieſen
Augenblick noch das Refektorium erblicken. Vielleicht iſt dies Re-
fektorium auch derjenige Theil des Gebäudes, der das Feuer vom
Jahre 1300 überdauerte. Die gewölbte Decke deſſelben wird von
drei Säulenpfeilern getragen. Zwei dieſer Pfeiler ſind rund, der
dritte (mittelſte) 4 oder 6eckig. Die Gewölbe, die auf den Pfei-
lern ſtehen, ſind vielgeribbt, ſo daß immer 16 Ribben auf einem
Pfeiler ruhen, oder aus demſelben palmenhaft aufwachſen. Der
Raum zwiſchen den Pfeilern iſt verſchieden, und von oben nach
unten zu abgeſchritten, bemerkt man, daß der Zwiſchenraum von
Pfeiler zu Pfeiler immer von 1 bis 2 Fuß kleiner wird. Es ſtehe
dahin, ob dies Abſicht oder Zufall iſt.


*) Die größte unter den Filial-Kirchen des Kloſters war die zu
Ringenwalde, eine alte, im romaniſchen Style aufgeführte Feldſtein-
kirche, die ſich bis dieſen Tag trefflich erhalten hat und — wie ſie muth-
maßlich uns veranſchaulicht, wie die alte Kloſterkirche zu Friedland war
— zugleich als Muſter dafür dienen kann, wie vor 600 Jahren von den
Chriſtenthum und Cultur bringenden Ciſterzienſern, märkiſche Dorfkirchen
gebaut wurden. Alles zeigt noch durchaus den Charakter der „geiſtlichen
Burg“: hoch hinaufgehende Feldſteinmauern, dann, ziemlich dicht un-
term Dach, kleine, rundgewölbte Fenſter, mit Oeffnungen wie Schieß-
ſcharten.
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[447/0459] Kloſter Lindow iſt ſchöner gelegen, vielleicht auch maleriſcher in ſich ſelbſt, als Kloſter Friedland, aber dies letztere iſt beſſer er- halten, und die Umfaſſungsmauer z. B., ferner das Haus des Probſtes, ein Stück Kreuzgang, vor allem das Refektorium, zeigen ſich zum Theil in noch gutem Zuſtand. Das Refektorium, jetzt als Malzplatz benutzt, läßt ſich in ſeinen baulichen Einzelheiten noch genau verfolgen. Es ſcheint der Styl früherer Gothik und der Bau, wie er da iſt, dürfte der erſten Hälfte des 14. Jahrhunderts angehören. Das alte Klo- ſter, das 1300 großentheils durch Feuer zerſtört wurde, war zweifellos ein romaniſcher Bau *). Der Neubau aber, der nun an die Stelle des niedergebrannten trat, wurde höchſt wahrſcheinlicher- weiſe in demſelben Style aufgeführt, in dem wir bis dieſen Augenblick noch das Refektorium erblicken. Vielleicht iſt dies Re- fektorium auch derjenige Theil des Gebäudes, der das Feuer vom Jahre 1300 überdauerte. Die gewölbte Decke deſſelben wird von drei Säulenpfeilern getragen. Zwei dieſer Pfeiler ſind rund, der dritte (mittelſte) 4 oder 6eckig. Die Gewölbe, die auf den Pfei- lern ſtehen, ſind vielgeribbt, ſo daß immer 16 Ribben auf einem Pfeiler ruhen, oder aus demſelben palmenhaft aufwachſen. Der Raum zwiſchen den Pfeilern iſt verſchieden, und von oben nach unten zu abgeſchritten, bemerkt man, daß der Zwiſchenraum von Pfeiler zu Pfeiler immer von 1 bis 2 Fuß kleiner wird. Es ſtehe dahin, ob dies Abſicht oder Zufall iſt. *) Die größte unter den Filial-Kirchen des Kloſters war die zu Ringenwalde, eine alte, im romaniſchen Style aufgeführte Feldſtein- kirche, die ſich bis dieſen Tag trefflich erhalten hat und — wie ſie muth- maßlich uns veranſchaulicht, wie die alte Kloſterkirche zu Friedland war — zugleich als Muſter dafür dienen kann, wie vor 600 Jahren von den Chriſtenthum und Cultur bringenden Ciſterzienſern, märkiſche Dorfkirchen gebaut wurden. Alles zeigt noch durchaus den Charakter der „geiſtlichen Burg“: hoch hinaufgehende Feldſteinmauern, dann, ziemlich dicht un- term Dach, kleine, rundgewölbte Fenſter, mit Oeffnungen wie Schieß- ſcharten.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 447. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/459>, abgerufen am 12.05.2024.