Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Ofen mit höchster Auszeichnung focht und beinahe vollständig aufgerie-
ben wurde. Gleich zu Anfang, bei einem der ersten Ausfälle der
Türken, fielen der Herzog de Vecha, ein Grand von Spanien, und
Karl Freiherr von Derfflinger, jüngster Sohn des Feldmarschalls,
der, von einer Reise in Italien eben zurückkehrend, in die Astorga-
sche Volontärcompagnie eingetreten war. *)

Wir sind aber, in der Absicht den Geist zu schildern, der
damals das christliche Europa durchwehte, Schöning weit voraus
geeilt, den wir zunächst noch in Crossen, an der märkisch-schlesischen
Grenze wieder finden, wohin von Ost und West her, aus Königs-
berg und Cleve, die Truppen beordert waren, die nach dem Willen
des Kurfürsten das brandenburgische Hülfscorps bilden sollten.
Der Kurfürst selbst nahm am 17. April die Musterung ab. Ein
Augenzeuge beschreibt die Truppen wie folgt: "Die Service war
überaus kostbar und trachtete darinnen einer den andern zu über-
treffen, indem sie etliche gar von Augsburg und andern Orten
hatten bringen lassen. Die Infanterie war blau, die Artillerie
braun, die Cavallerie, sowohl Reiter als Dragoner, in lederne
Collette gekleidet. Zwei Soldaten bekamen ein Zelt und einen
Strohsack (welch ein Train!), damit sie, wenn sie an einem Ort
anlangten, nicht nach Holz oder Stroh laufen dürften. Die Unter-
offiziere und Piquenire hatten Pistolen im Gürtel und die Derff-
lingerschen Bataillone Kessel an der Seite; die Reiter und Dra-
goner führten dabei noch Dolche." So waren die achttausend

*) Der Herzog von Vecha wurde in vollem Ornat, angethan mit
dem Orden des goldenen Vließes, vor dem Zelte des Obergenerals, des
Herzogs Karl von Lothringen, zur Schau gestellt. Windlichter umstanden
den Sarg und alles drängte sich herbei, den Gefallenen zu sehen. -- Karl
von Derfflinger war derselbe, bei dessen Todesnachricht der alte Feldmar-
schall die bekannten Worte: "Warum hat sich der Narr nicht besser in
Acht genommen!" gesprochen haben soll. Wilhelm von Oranien sagte
nach der Schlacht an der Boyne, als ihm der Tod des Bischofs von Derry
gemeldet wurde: "Ganz recht, warum war er auch, wo er nicht hin gehört!"
Es ist sehr wahrscheinlich, daß diese Wendung, etwas verändert, auf Derff-
linger übertragen worden ist.

Ofen mit höchſter Auszeichnung focht und beinahe vollſtändig aufgerie-
ben wurde. Gleich zu Anfang, bei einem der erſten Ausfälle der
Türken, fielen der Herzog de Vecha, ein Grand von Spanien, und
Karl Freiherr von Derfflinger, jüngſter Sohn des Feldmarſchalls,
der, von einer Reiſe in Italien eben zurückkehrend, in die Aſtorga-
ſche Volontärcompagnie eingetreten war. *)

Wir ſind aber, in der Abſicht den Geiſt zu ſchildern, der
damals das chriſtliche Europa durchwehte, Schöning weit voraus
geeilt, den wir zunächſt noch in Croſſen, an der märkiſch-ſchleſiſchen
Grenze wieder finden, wohin von Oſt und Weſt her, aus Königs-
berg und Cleve, die Truppen beordert waren, die nach dem Willen
des Kurfürſten das brandenburgiſche Hülfscorps bilden ſollten.
Der Kurfürſt ſelbſt nahm am 17. April die Muſterung ab. Ein
Augenzeuge beſchreibt die Truppen wie folgt: „Die Service war
überaus koſtbar und trachtete darinnen einer den andern zu über-
treffen, indem ſie etliche gar von Augsburg und andern Orten
hatten bringen laſſen. Die Infanterie war blau, die Artillerie
braun, die Cavallerie, ſowohl Reiter als Dragoner, in lederne
Collette gekleidet. Zwei Soldaten bekamen ein Zelt und einen
Strohſack (welch ein Train!), damit ſie, wenn ſie an einem Ort
anlangten, nicht nach Holz oder Stroh laufen dürften. Die Unter-
offiziere und Piquenire hatten Piſtolen im Gürtel und die Derff-
lingerſchen Bataillone Keſſel an der Seite; die Reiter und Dra-
goner führten dabei noch Dolche.“ So waren die achttauſend

*) Der Herzog von Vecha wurde in vollem Ornat, angethan mit
dem Orden des goldenen Vließes, vor dem Zelte des Obergenerals, des
Herzogs Karl von Lothringen, zur Schau geſtellt. Windlichter umſtanden
den Sarg und alles drängte ſich herbei, den Gefallenen zu ſehen. — Karl
von Derfflinger war derſelbe, bei deſſen Todesnachricht der alte Feldmar-
ſchall die bekannten Worte: „Warum hat ſich der Narr nicht beſſer in
Acht genommen!“ geſprochen haben ſoll. Wilhelm von Oranien ſagte
nach der Schlacht an der Boyne, als ihm der Tod des Biſchofs von Derry
gemeldet wurde: „Ganz recht, warum war er auch, wo er nicht hin gehört!“
Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß dieſe Wendung, etwas verändert, auf Derff-
linger übertragen worden iſt.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0039" n="27"/>
Ofen mit höch&#x017F;ter Auszeichnung focht und beinahe voll&#x017F;tändig aufgerie-<lb/>
ben wurde. Gleich zu Anfang, bei einem der er&#x017F;ten Ausfälle der<lb/>
Türken, fielen der Herzog de Vecha, ein Grand von Spanien, und<lb/>
Karl Freiherr von Derfflinger, jüng&#x017F;ter Sohn des Feldmar&#x017F;challs,<lb/>
der, von einer Rei&#x017F;e in Italien eben zurückkehrend, in die A&#x017F;torga-<lb/>
&#x017F;che Volontärcompagnie eingetreten war. <note place="foot" n="*)">Der Herzog von Vecha wurde in vollem Ornat, angethan mit<lb/>
dem Orden des goldenen Vließes, vor dem Zelte des Obergenerals, des<lb/>
Herzogs Karl von Lothringen, zur Schau ge&#x017F;tellt. Windlichter um&#x017F;tanden<lb/>
den Sarg und alles drängte &#x017F;ich herbei, den Gefallenen zu &#x017F;ehen. &#x2014; Karl<lb/>
von Derfflinger war der&#x017F;elbe, bei de&#x017F;&#x017F;en Todesnachricht der alte Feldmar-<lb/>
&#x017F;chall die bekannten Worte: &#x201E;Warum hat &#x017F;ich der Narr nicht be&#x017F;&#x017F;er in<lb/>
Acht genommen!&#x201C; ge&#x017F;prochen haben <hi rendition="#g">&#x017F;oll</hi>. Wilhelm von Oranien &#x017F;agte<lb/>
nach der Schlacht an der Boyne, als ihm der Tod des Bi&#x017F;chofs von Derry<lb/>
gemeldet wurde: &#x201E;Ganz recht, warum war er auch, wo er nicht hin gehört!&#x201C;<lb/>
Es i&#x017F;t &#x017F;ehr wahr&#x017F;cheinlich, daß die&#x017F;e Wendung, etwas verändert, auf Derff-<lb/>
linger übertragen worden i&#x017F;t.</note></p><lb/>
          <p>Wir &#x017F;ind aber, in der Ab&#x017F;icht den Gei&#x017F;t zu &#x017F;childern, der<lb/>
damals das chri&#x017F;tliche Europa durchwehte, Schöning weit voraus<lb/>
geeilt, den wir zunäch&#x017F;t noch in Cro&#x017F;&#x017F;en, an der märki&#x017F;ch-&#x017F;chle&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
Grenze wieder finden, wohin von O&#x017F;t und We&#x017F;t her, aus Königs-<lb/>
berg und Cleve, die Truppen beordert waren, die nach dem Willen<lb/>
des Kurfür&#x017F;ten das brandenburgi&#x017F;che Hülfscorps bilden &#x017F;ollten.<lb/>
Der Kurfür&#x017F;t &#x017F;elb&#x017F;t nahm am 17. April die Mu&#x017F;terung ab. Ein<lb/>
Augenzeuge be&#x017F;chreibt die Truppen wie folgt: &#x201E;Die Service war<lb/>
überaus ko&#x017F;tbar und trachtete darinnen einer den andern zu über-<lb/>
treffen, indem &#x017F;ie etliche gar von Augsburg und andern Orten<lb/>
hatten bringen la&#x017F;&#x017F;en. Die Infanterie war blau, die Artillerie<lb/>
braun, die Cavallerie, &#x017F;owohl Reiter als Dragoner, in lederne<lb/>
Collette gekleidet. Zwei Soldaten bekamen ein Zelt und einen<lb/>
Stroh&#x017F;ack (welch ein Train!), damit &#x017F;ie, wenn &#x017F;ie an einem Ort<lb/>
anlangten, nicht nach Holz oder Stroh laufen dürften. Die Unter-<lb/>
offiziere und Piquenire hatten Pi&#x017F;tolen im Gürtel und die Derff-<lb/>
linger&#x017F;chen Bataillone Ke&#x017F;&#x017F;el an der Seite; die Reiter und Dra-<lb/>
goner führten dabei noch Dolche.&#x201C; So waren die achttau&#x017F;end<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[27/0039] Ofen mit höchſter Auszeichnung focht und beinahe vollſtändig aufgerie- ben wurde. Gleich zu Anfang, bei einem der erſten Ausfälle der Türken, fielen der Herzog de Vecha, ein Grand von Spanien, und Karl Freiherr von Derfflinger, jüngſter Sohn des Feldmarſchalls, der, von einer Reiſe in Italien eben zurückkehrend, in die Aſtorga- ſche Volontärcompagnie eingetreten war. *) Wir ſind aber, in der Abſicht den Geiſt zu ſchildern, der damals das chriſtliche Europa durchwehte, Schöning weit voraus geeilt, den wir zunächſt noch in Croſſen, an der märkiſch-ſchleſiſchen Grenze wieder finden, wohin von Oſt und Weſt her, aus Königs- berg und Cleve, die Truppen beordert waren, die nach dem Willen des Kurfürſten das brandenburgiſche Hülfscorps bilden ſollten. Der Kurfürſt ſelbſt nahm am 17. April die Muſterung ab. Ein Augenzeuge beſchreibt die Truppen wie folgt: „Die Service war überaus koſtbar und trachtete darinnen einer den andern zu über- treffen, indem ſie etliche gar von Augsburg und andern Orten hatten bringen laſſen. Die Infanterie war blau, die Artillerie braun, die Cavallerie, ſowohl Reiter als Dragoner, in lederne Collette gekleidet. Zwei Soldaten bekamen ein Zelt und einen Strohſack (welch ein Train!), damit ſie, wenn ſie an einem Ort anlangten, nicht nach Holz oder Stroh laufen dürften. Die Unter- offiziere und Piquenire hatten Piſtolen im Gürtel und die Derff- lingerſchen Bataillone Keſſel an der Seite; die Reiter und Dra- goner führten dabei noch Dolche.“ So waren die achttauſend *) Der Herzog von Vecha wurde in vollem Ornat, angethan mit dem Orden des goldenen Vließes, vor dem Zelte des Obergenerals, des Herzogs Karl von Lothringen, zur Schau geſtellt. Windlichter umſtanden den Sarg und alles drängte ſich herbei, den Gefallenen zu ſehen. — Karl von Derfflinger war derſelbe, bei deſſen Todesnachricht der alte Feldmar- ſchall die bekannten Worte: „Warum hat ſich der Narr nicht beſſer in Acht genommen!“ geſprochen haben ſoll. Wilhelm von Oranien ſagte nach der Schlacht an der Boyne, als ihm der Tod des Biſchofs von Derry gemeldet wurde: „Ganz recht, warum war er auch, wo er nicht hin gehört!“ Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß dieſe Wendung, etwas verändert, auf Derff- linger übertragen worden iſt.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/39
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/39>, abgerufen am 27.04.2024.