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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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gen und Berichten Glauben schenken darf, die Marwitz über diesen
Gegenstand, dem er auch in späterer Zeit noch besondere Aufmerk-
samkeit widmete, hinterlassen hat, so war die Kunst des Reitens
nur in der alten Armee zu Hause und wurde in die neue Hee-
resorganisation nicht mit herüber genommen. Während des Krieges
und nach demselben saß man noch zu Pferde, aber man ritt
nicht mehr. Mit wahrer Begeisterung gedachte deshalb Marwitz
seiner Lieutenantstage, wo diese Kunst noch geblüht hatte, und er-
zählte mit Vorliebe von den Jagdspielen, die damals von Kaval-
lerieoffizieren der Berliner Garnison im Thiergarten aufgeführt
wurden. Lieutenant Rothkirch von den Gensdarmen ("ein gewalti-
ger Reiter, wie es keinen mehr giebt", setzt er hinzu) machte den
Hirsch und verbarg sich im Walde; die andern waren Jäger und
Hunde. Es wurde parforcemäßig lancirt und dann gejagt; der
Hirsch sollte gegriffen werden, was aber fast niemals gelang.

Das letzte Jahrzehnt des Jahrhunderts brachte Krieg, Mar-
witz machte 1790 den resultatlosen polnischen Feldzug, 1793--95
die Rheincampagne mit; wichtiger aber als diese Kriegsereignisse,
an denen er bei seiner Jugend keinen hervorragenden Antheil neh-
men konnte, war für ihn, besonders für seine geistige Entwicklung,
die Rückkehr des Obersten Barons von der Goltz, der eine lange
Reihe von Jahren hindurch, in Paris als preußischer Gesandter
gelebt hatte. Baron von der Goltz war ein sehr naher Verwandter
der Marwitzschen Familie, und da, während seiner beinahe dreißig-
jährigen Anwesenheit in Paris, die Reihen der Berliner Freunde
und Verwandten sehr gelichtet worden waren, so war das Mar-
witzsche Haus dasjenige, in dem er fast täglich die Abende zuzu-
bringen pflegte. Die französische Revolution und ihre Ursachen bil-
deten natürlich einen unerschöpflichen Stoff für die Unterhaltung.
Der ehemalige Gesandte, der ein Vierteljahrhundert und länger
den Ereignissen der französischen Hauptstadt gefolgt war und mit
scharfem Auge die Schwächen und Fehler des Hofes, die Machi-
nationen der politischen Gegner und die Verworfenheit, Keckheit
und dämonische Zuchtlosigkeit der Volksmassen und ihrer Führer

gen und Berichten Glauben ſchenken darf, die Marwitz über dieſen
Gegenſtand, dem er auch in ſpäterer Zeit noch beſondere Aufmerk-
ſamkeit widmete, hinterlaſſen hat, ſo war die Kunſt des Reitens
nur in der alten Armee zu Hauſe und wurde in die neue Hee-
resorganiſation nicht mit herüber genommen. Während des Krieges
und nach demſelben ſaß man noch zu Pferde, aber man ritt
nicht mehr. Mit wahrer Begeiſterung gedachte deshalb Marwitz
ſeiner Lieutenantstage, wo dieſe Kunſt noch geblüht hatte, und er-
zählte mit Vorliebe von den Jagdſpielen, die damals von Kaval-
lerieoffizieren der Berliner Garniſon im Thiergarten aufgeführt
wurden. Lieutenant Rothkirch von den Gensdarmen („ein gewalti-
ger Reiter, wie es keinen mehr giebt“, ſetzt er hinzu) machte den
Hirſch und verbarg ſich im Walde; die andern waren Jäger und
Hunde. Es wurde parforcemäßig lancirt und dann gejagt; der
Hirſch ſollte gegriffen werden, was aber faſt niemals gelang.

Das letzte Jahrzehnt des Jahrhunderts brachte Krieg, Mar-
witz machte 1790 den reſultatloſen polniſchen Feldzug, 1793—95
die Rheincampagne mit; wichtiger aber als dieſe Kriegsereigniſſe,
an denen er bei ſeiner Jugend keinen hervorragenden Antheil neh-
men konnte, war für ihn, beſonders für ſeine geiſtige Entwicklung,
die Rückkehr des Oberſten Barons von der Goltz, der eine lange
Reihe von Jahren hindurch, in Paris als preußiſcher Geſandter
gelebt hatte. Baron von der Goltz war ein ſehr naher Verwandter
der Marwitzſchen Familie, und da, während ſeiner beinahe dreißig-
jährigen Anweſenheit in Paris, die Reihen der Berliner Freunde
und Verwandten ſehr gelichtet worden waren, ſo war das Mar-
witzſche Haus dasjenige, in dem er faſt täglich die Abende zuzu-
bringen pflegte. Die franzöſiſche Revolution und ihre Urſachen bil-
deten natürlich einen unerſchöpflichen Stoff für die Unterhaltung.
Der ehemalige Geſandte, der ein Vierteljahrhundert und länger
den Ereigniſſen der franzöſiſchen Hauptſtadt gefolgt war und mit
ſcharfem Auge die Schwächen und Fehler des Hofes, die Machi-
nationen der politiſchen Gegner und die Verworfenheit, Keckheit
und dämoniſche Zuchtloſigkeit der Volksmaſſen und ihrer Führer

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[365/0377] gen und Berichten Glauben ſchenken darf, die Marwitz über dieſen Gegenſtand, dem er auch in ſpäterer Zeit noch beſondere Aufmerk- ſamkeit widmete, hinterlaſſen hat, ſo war die Kunſt des Reitens nur in der alten Armee zu Hauſe und wurde in die neue Hee- resorganiſation nicht mit herüber genommen. Während des Krieges und nach demſelben ſaß man noch zu Pferde, aber man ritt nicht mehr. Mit wahrer Begeiſterung gedachte deshalb Marwitz ſeiner Lieutenantstage, wo dieſe Kunſt noch geblüht hatte, und er- zählte mit Vorliebe von den Jagdſpielen, die damals von Kaval- lerieoffizieren der Berliner Garniſon im Thiergarten aufgeführt wurden. Lieutenant Rothkirch von den Gensdarmen („ein gewalti- ger Reiter, wie es keinen mehr giebt“, ſetzt er hinzu) machte den Hirſch und verbarg ſich im Walde; die andern waren Jäger und Hunde. Es wurde parforcemäßig lancirt und dann gejagt; der Hirſch ſollte gegriffen werden, was aber faſt niemals gelang. Das letzte Jahrzehnt des Jahrhunderts brachte Krieg, Mar- witz machte 1790 den reſultatloſen polniſchen Feldzug, 1793—95 die Rheincampagne mit; wichtiger aber als dieſe Kriegsereigniſſe, an denen er bei ſeiner Jugend keinen hervorragenden Antheil neh- men konnte, war für ihn, beſonders für ſeine geiſtige Entwicklung, die Rückkehr des Oberſten Barons von der Goltz, der eine lange Reihe von Jahren hindurch, in Paris als preußiſcher Geſandter gelebt hatte. Baron von der Goltz war ein ſehr naher Verwandter der Marwitzſchen Familie, und da, während ſeiner beinahe dreißig- jährigen Anweſenheit in Paris, die Reihen der Berliner Freunde und Verwandten ſehr gelichtet worden waren, ſo war das Mar- witzſche Haus dasjenige, in dem er faſt täglich die Abende zuzu- bringen pflegte. Die franzöſiſche Revolution und ihre Urſachen bil- deten natürlich einen unerſchöpflichen Stoff für die Unterhaltung. Der ehemalige Geſandte, der ein Vierteljahrhundert und länger den Ereigniſſen der franzöſiſchen Hauptſtadt gefolgt war und mit ſcharfem Auge die Schwächen und Fehler des Hofes, die Machi- nationen der politiſchen Gegner und die Verworfenheit, Keckheit und dämoniſche Zuchtloſigkeit der Volksmaſſen und ihrer Führer

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/377>, abgerufen am 25.11.2024.