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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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stehende Thiere), sondern das Geheimniß taktischen Zusammenwir-
kens hatte sich ihnen erschlossen. Sie operirten en colonne, in
Reih und Glied und lange Chainen quer über den See ziehend,
dabei mit Hülfe ihrer Taucherkünste den See auch in seinen ver-
schiedenen Tiefen, so zu sagen in allen seinen Etagen beherrschend,
glückte es ihnen, überall da, wo sie ihren Stand nahmen, ein
lebendiges Netz durch den See zu ziehen: jede Masche ein geöff-
neter Cormoran-Schnabel.*) Die Fischer mühten sich umsonst sie
zu vertreiben; es gab damals Cormorans am Werbellin, wie Flie-
gen in einer Bauernstube; ein paar Hundert mehr oder weniger
war von gar keinem Belang. Auch der Forst litt, ähnlich wie der
See; denn in manchem Baum hatten die Cormorans 10 Nester
gebaut, und es war nicht möglich, ihrer Herr zu werden. Da
wurde endlich ein Vernichtungskrieg beschlossen; alle Förster aus
den benachbarten Revieren wurden mit herangezogen, das Garde-
Jäger-Bataillon in Potsdam schickte seine besten Schützen, -- so
rückte man in's Feld. Zuletzt waren Pulver und Blei stärker als
die Cormorans, und sie blieben entweder auf dem Platze, oder
setzten ihren Zug in friedlichere Gegenden fort. Die Cormorans
verschwanden; aber ihr Besuch hatte dem Werbellin seine Muränen
gekostet. Die Cormorans sind nicht wieder gekommen (das ließe
sich ertragen), aber -- die Muränen auch nicht.

Die Muränen sind hin wie die Schlösser, die den "Wer-
bellin" umstanden, nur der See selber ist der alte geblieben. Bei
Altenhof, unmittelbar an dem gelben Kies-Ufer, liegen ein paar
Tannenstämme aufgeschichtet, und bilden eine hohe Bank zum

*) In China oder Japan, oder vielleicht in beiden Ländern, verstehen
es die Bewohner, die Cormorans zum Fischfang abzurichten. Sie be-
dienen sich dazu der allereinfachsten Vorrichtung, indem sie dem Cormo-
ran, nachdem ihm die Flügel gestutzt wurden, einen Ring um den Hals
legen, der die Kehle des Thieres halb zuschnürt. Nun beginnt der
Cormoran, mit gewohntem Geschick, seinen Fischfang, da er aber, der
halbzugeschnürten Kehle halber, die Fische nicht herunterschlucken kann, so
wirft er sie großmüthig in neben ihm befindliche kleine Boote, wo sie die
Fischer in Empfang nehmen.

ſtehende Thiere), ſondern das Geheimniß taktiſchen Zuſammenwir-
kens hatte ſich ihnen erſchloſſen. Sie operirten en colonne, in
Reih und Glied und lange Chainen quer über den See ziehend,
dabei mit Hülfe ihrer Taucherkünſte den See auch in ſeinen ver-
ſchiedenen Tiefen, ſo zu ſagen in allen ſeinen Etagen beherrſchend,
glückte es ihnen, überall da, wo ſie ihren Stand nahmen, ein
lebendiges Netz durch den See zu ziehen: jede Maſche ein geöff-
neter Cormoran-Schnabel.*) Die Fiſcher mühten ſich umſonſt ſie
zu vertreiben; es gab damals Cormorans am Werbellin, wie Flie-
gen in einer Bauernſtube; ein paar Hundert mehr oder weniger
war von gar keinem Belang. Auch der Forſt litt, ähnlich wie der
See; denn in manchem Baum hatten die Cormorans 10 Neſter
gebaut, und es war nicht möglich, ihrer Herr zu werden. Da
wurde endlich ein Vernichtungskrieg beſchloſſen; alle Förſter aus
den benachbarten Revieren wurden mit herangezogen, das Garde-
Jäger-Bataillon in Potsdam ſchickte ſeine beſten Schützen, — ſo
rückte man in’s Feld. Zuletzt waren Pulver und Blei ſtärker als
die Cormorans, und ſie blieben entweder auf dem Platze, oder
ſetzten ihren Zug in friedlichere Gegenden fort. Die Cormorans
verſchwanden; aber ihr Beſuch hatte dem Werbellin ſeine Muränen
gekoſtet. Die Cormorans ſind nicht wieder gekommen (das ließe
ſich ertragen), aber — die Muränen auch nicht.

Die Muränen ſind hin wie die Schlöſſer, die den „Wer-
bellin“ umſtanden, nur der See ſelber iſt der alte geblieben. Bei
Altenhof, unmittelbar an dem gelben Kies-Ufer, liegen ein paar
Tannenſtämme aufgeſchichtet, und bilden eine hohe Bank zum

*) In China oder Japan, oder vielleicht in beiden Ländern, verſtehen
es die Bewohner, die Cormorans zum Fiſchfang abzurichten. Sie be-
dienen ſich dazu der allereinfachſten Vorrichtung, indem ſie dem Cormo-
ran, nachdem ihm die Flügel geſtutzt wurden, einen Ring um den Hals
legen, der die Kehle des Thieres halb zuſchnürt. Nun beginnt der
Cormoran, mit gewohntem Geſchick, ſeinen Fiſchfang, da er aber, der
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Fiſcher in Empfang nehmen.
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[345/0357] ſtehende Thiere), ſondern das Geheimniß taktiſchen Zuſammenwir- kens hatte ſich ihnen erſchloſſen. Sie operirten en colonne, in Reih und Glied und lange Chainen quer über den See ziehend, dabei mit Hülfe ihrer Taucherkünſte den See auch in ſeinen ver- ſchiedenen Tiefen, ſo zu ſagen in allen ſeinen Etagen beherrſchend, glückte es ihnen, überall da, wo ſie ihren Stand nahmen, ein lebendiges Netz durch den See zu ziehen: jede Maſche ein geöff- neter Cormoran-Schnabel. *) Die Fiſcher mühten ſich umſonſt ſie zu vertreiben; es gab damals Cormorans am Werbellin, wie Flie- gen in einer Bauernſtube; ein paar Hundert mehr oder weniger war von gar keinem Belang. Auch der Forſt litt, ähnlich wie der See; denn in manchem Baum hatten die Cormorans 10 Neſter gebaut, und es war nicht möglich, ihrer Herr zu werden. Da wurde endlich ein Vernichtungskrieg beſchloſſen; alle Förſter aus den benachbarten Revieren wurden mit herangezogen, das Garde- Jäger-Bataillon in Potsdam ſchickte ſeine beſten Schützen, — ſo rückte man in’s Feld. Zuletzt waren Pulver und Blei ſtärker als die Cormorans, und ſie blieben entweder auf dem Platze, oder ſetzten ihren Zug in friedlichere Gegenden fort. Die Cormorans verſchwanden; aber ihr Beſuch hatte dem Werbellin ſeine Muränen gekoſtet. Die Cormorans ſind nicht wieder gekommen (das ließe ſich ertragen), aber — die Muränen auch nicht. Die Muränen ſind hin wie die Schlöſſer, die den „Wer- bellin“ umſtanden, nur der See ſelber iſt der alte geblieben. Bei Altenhof, unmittelbar an dem gelben Kies-Ufer, liegen ein paar Tannenſtämme aufgeſchichtet, und bilden eine hohe Bank zum *) In China oder Japan, oder vielleicht in beiden Ländern, verſtehen es die Bewohner, die Cormorans zum Fiſchfang abzurichten. Sie be- dienen ſich dazu der allereinfachſten Vorrichtung, indem ſie dem Cormo- ran, nachdem ihm die Flügel geſtutzt wurden, einen Ring um den Hals legen, der die Kehle des Thieres halb zuſchnürt. Nun beginnt der Cormoran, mit gewohntem Geſchick, ſeinen Fiſchfang, da er aber, der halbzugeſchnürten Kehle halber, die Fiſche nicht herunterſchlucken kann, ſo wirft er ſie großmüthig in neben ihm befindliche kleine Boote, wo ſie die Fiſcher in Empfang nehmen.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/357>, abgerufen am 22.11.2024.