Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.stehende Thiere), sondern das Geheimniß taktischen Zusammenwir- Die Muränen sind hin wie die Schlösser, die den "Wer- *) In China oder Japan, oder vielleicht in beiden Ländern, verstehen
es die Bewohner, die Cormorans zum Fischfang abzurichten. Sie be- dienen sich dazu der allereinfachsten Vorrichtung, indem sie dem Cormo- ran, nachdem ihm die Flügel gestutzt wurden, einen Ring um den Hals legen, der die Kehle des Thieres halb zuschnürt. Nun beginnt der Cormoran, mit gewohntem Geschick, seinen Fischfang, da er aber, der halbzugeschnürten Kehle halber, die Fische nicht herunterschlucken kann, so wirft er sie großmüthig in neben ihm befindliche kleine Boote, wo sie die Fischer in Empfang nehmen. ſtehende Thiere), ſondern das Geheimniß taktiſchen Zuſammenwir- Die Muränen ſind hin wie die Schlöſſer, die den „Wer- *) In China oder Japan, oder vielleicht in beiden Ländern, verſtehen
es die Bewohner, die Cormorans zum Fiſchfang abzurichten. Sie be- dienen ſich dazu der allereinfachſten Vorrichtung, indem ſie dem Cormo- ran, nachdem ihm die Flügel geſtutzt wurden, einen Ring um den Hals legen, der die Kehle des Thieres halb zuſchnürt. Nun beginnt der Cormoran, mit gewohntem Geſchick, ſeinen Fiſchfang, da er aber, der halbzugeſchnürten Kehle halber, die Fiſche nicht herunterſchlucken kann, ſo wirft er ſie großmüthig in neben ihm befindliche kleine Boote, wo ſie die Fiſcher in Empfang nehmen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0357" n="345"/> ſtehende Thiere), ſondern das Geheimniß taktiſchen Zuſammenwir-<lb/> kens hatte ſich ihnen erſchloſſen. Sie operirten <hi rendition="#aq">en colonne,</hi> in<lb/> Reih und Glied und lange Chainen quer über den See ziehend,<lb/> dabei mit Hülfe ihrer Taucherkünſte den See auch in ſeinen ver-<lb/> ſchiedenen Tiefen, ſo zu ſagen in allen ſeinen Etagen beherrſchend,<lb/> glückte es ihnen, überall da, wo ſie ihren Stand nahmen, ein<lb/> lebendiges Netz durch den See zu ziehen: jede Maſche ein geöff-<lb/> neter Cormoran-Schnabel.<note place="foot" n="*)">In China oder Japan, oder vielleicht in beiden Ländern, verſtehen<lb/> es die Bewohner, die Cormorans zum <hi rendition="#g">Fiſchfang</hi> abzurichten. Sie be-<lb/> dienen ſich dazu der allereinfachſten Vorrichtung, indem ſie dem Cormo-<lb/> ran, nachdem ihm die Flügel geſtutzt wurden, einen Ring um den Hals<lb/> legen, der die Kehle des Thieres <hi rendition="#g">halb zuſchnürt</hi>. Nun beginnt der<lb/> Cormoran, mit gewohntem Geſchick, ſeinen Fiſchfang, da er aber, der<lb/> halbzugeſchnürten Kehle halber, die Fiſche nicht herunterſchlucken kann, ſo<lb/> wirft er ſie großmüthig in neben ihm befindliche kleine Boote, wo ſie die<lb/> Fiſcher in Empfang nehmen.</note> Die Fiſcher mühten ſich umſonſt ſie<lb/> zu vertreiben; es gab damals Cormorans am Werbellin, wie Flie-<lb/> gen in einer Bauernſtube; ein paar Hundert mehr oder weniger<lb/> war von gar keinem Belang. Auch der Forſt litt, ähnlich wie der<lb/> See; denn in manchem Baum hatten die Cormorans 10 Neſter<lb/> gebaut, und es war nicht möglich, ihrer Herr zu werden. Da<lb/> wurde endlich ein Vernichtungskrieg beſchloſſen; alle Förſter aus<lb/> den benachbarten Revieren wurden mit herangezogen, das Garde-<lb/> Jäger-Bataillon in Potsdam ſchickte ſeine beſten Schützen, — ſo<lb/> rückte man in’s Feld. Zuletzt waren Pulver und Blei ſtärker als<lb/> die Cormorans, und ſie blieben entweder auf dem Platze, oder<lb/> ſetzten ihren Zug in friedlichere Gegenden fort. Die Cormorans<lb/> verſchwanden; aber ihr Beſuch hatte dem Werbellin ſeine Muränen<lb/> gekoſtet. Die Cormorans ſind nicht wieder gekommen (das ließe<lb/> ſich ertragen), aber — die Muränen auch nicht.</p><lb/> <p>Die Muränen ſind hin wie die Schlöſſer, die den „Wer-<lb/> bellin“ umſtanden, nur der See ſelber iſt der alte geblieben. Bei<lb/> Altenhof, unmittelbar an dem gelben Kies-Ufer, liegen ein paar<lb/> Tannenſtämme aufgeſchichtet, und bilden eine hohe Bank zum<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [345/0357]
ſtehende Thiere), ſondern das Geheimniß taktiſchen Zuſammenwir-
kens hatte ſich ihnen erſchloſſen. Sie operirten en colonne, in
Reih und Glied und lange Chainen quer über den See ziehend,
dabei mit Hülfe ihrer Taucherkünſte den See auch in ſeinen ver-
ſchiedenen Tiefen, ſo zu ſagen in allen ſeinen Etagen beherrſchend,
glückte es ihnen, überall da, wo ſie ihren Stand nahmen, ein
lebendiges Netz durch den See zu ziehen: jede Maſche ein geöff-
neter Cormoran-Schnabel. *) Die Fiſcher mühten ſich umſonſt ſie
zu vertreiben; es gab damals Cormorans am Werbellin, wie Flie-
gen in einer Bauernſtube; ein paar Hundert mehr oder weniger
war von gar keinem Belang. Auch der Forſt litt, ähnlich wie der
See; denn in manchem Baum hatten die Cormorans 10 Neſter
gebaut, und es war nicht möglich, ihrer Herr zu werden. Da
wurde endlich ein Vernichtungskrieg beſchloſſen; alle Förſter aus
den benachbarten Revieren wurden mit herangezogen, das Garde-
Jäger-Bataillon in Potsdam ſchickte ſeine beſten Schützen, — ſo
rückte man in’s Feld. Zuletzt waren Pulver und Blei ſtärker als
die Cormorans, und ſie blieben entweder auf dem Platze, oder
ſetzten ihren Zug in friedlichere Gegenden fort. Die Cormorans
verſchwanden; aber ihr Beſuch hatte dem Werbellin ſeine Muränen
gekoſtet. Die Cormorans ſind nicht wieder gekommen (das ließe
ſich ertragen), aber — die Muränen auch nicht.
Die Muränen ſind hin wie die Schlöſſer, die den „Wer-
bellin“ umſtanden, nur der See ſelber iſt der alte geblieben. Bei
Altenhof, unmittelbar an dem gelben Kies-Ufer, liegen ein paar
Tannenſtämme aufgeſchichtet, und bilden eine hohe Bank zum
*) In China oder Japan, oder vielleicht in beiden Ländern, verſtehen
es die Bewohner, die Cormorans zum Fiſchfang abzurichten. Sie be-
dienen ſich dazu der allereinfachſten Vorrichtung, indem ſie dem Cormo-
ran, nachdem ihm die Flügel geſtutzt wurden, einen Ring um den Hals
legen, der die Kehle des Thieres halb zuſchnürt. Nun beginnt der
Cormoran, mit gewohntem Geſchick, ſeinen Fiſchfang, da er aber, der
halbzugeſchnürten Kehle halber, die Fiſche nicht herunterſchlucken kann, ſo
wirft er ſie großmüthig in neben ihm befindliche kleine Boote, wo ſie die
Fiſcher in Empfang nehmen.
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