dert Jahren immer dieselbe) aufbewahrt werden. Die dörfliche Tra- dition spricht auch von einem Faß mit Wein, das man damals gefunden habe, ein Faß, dessen Dauben bei der Berührung in Staub zerfielen, während der Wein in der topasfarbenen Wein- steinkruste, die sich seit den Tagen Markgraf Waldemars gebildet hatte, wie in einer Krystall-Bowle unverschüttet stehen blieb.
Das eigentliche Schloß Werbellin lag an der Südwestspitze des Werbelliner See's höchst wahrscheinlich (denn das Terrain ist verändert) auf einer Landzunge, die durch einen Durchstich und ein weites, vor diesem Durchstich gelegenes (übrigens noch vor- handenes) Sumpfland zu einer schwer zugänglichen Insel gemacht wurde. Markgraf Johann I., der Städte-Erbauer unter den As- kaniern, baute dies Schloß um 1247, und es scheint, daß es unter allen markgräflichen Schlössern jener Epoche das größte, und wohl auch ein bevorzugter Aufenthalt mehrerer unter den Aska- niern war. Hier wurden die obenerwähnten Urkunden ausgestellt, und wohl viele andre mit ihnen. Von Schloß Werbellin aus schickte Markgraf Waldemar seinen Kanzler Nikolaus von Buch an den Rhein, als, nach Kaiser Heinrichs VII. Tode, ein neuer Kaiser gewählt werden sollte, und gab ihm, wie wir heute sagen würden, charte blanche zu wählen nach seinem Ermessen. Nikolaus von Buch gab seine Stimme an Ludwig den Baier, an den einzigen, an den er sie (nach dem stillen Wunsche Waldemars) nicht ge- ben sollte. Der empörte Markgraf, so geht die Sage, ließ den zu- zückkehrenden Kanzler nach dem nach gelegenen Schloß Grim- nitz*) bringen, ihn dort in den Kerker werfen und verhungern.
*) Schloß Grimnitz, in unmittelbarer Nähe des "Werbellin" am Grimnitz-See gelegen und fast als ein drittes der Werbellin-Schlösser an- zusehen, war ebenso der bevorzugte Aufenthalt Otto's IV., des sogenannten Markgrafen mit dem Pfeil, wie Schloß Breden und Schloß Werbellin die bevorzugten Plätze Markgraf Waldemars waren. "Hier war es wohl, so erzählt F. Brunold, wo Markgraf Otto mit seiner kühnen Gemahlin Heilwig von Holstein am Schachbrett saß, von Spielleuten umgeben, wie es uns ein Bild in der Manessischen Sammlung der Minnesänger noch heute zeigt." -- 1529 wurde auf Schloß Grimnitz ein Friede zwischen
dert Jahren immer dieſelbe) aufbewahrt werden. Die dörfliche Tra- dition ſpricht auch von einem Faß mit Wein, das man damals gefunden habe, ein Faß, deſſen Dauben bei der Berührung in Staub zerfielen, während der Wein in der topasfarbenen Wein- ſteinkruſte, die ſich ſeit den Tagen Markgraf Waldemars gebildet hatte, wie in einer Kryſtall-Bowle unverſchüttet ſtehen blieb.
Das eigentliche Schloß Werbellin lag an der Südweſtſpitze des Werbelliner See’s höchſt wahrſcheinlich (denn das Terrain iſt verändert) auf einer Landzunge, die durch einen Durchſtich und ein weites, vor dieſem Durchſtich gelegenes (übrigens noch vor- handenes) Sumpfland zu einer ſchwer zugänglichen Inſel gemacht wurde. Markgraf Johann I., der Städte-Erbauer unter den As- kaniern, baute dies Schloß um 1247, und es ſcheint, daß es unter allen markgräflichen Schlöſſern jener Epoche das größte, und wohl auch ein bevorzugter Aufenthalt mehrerer unter den Aska- niern war. Hier wurden die obenerwähnten Urkunden ausgeſtellt, und wohl viele andre mit ihnen. Von Schloß Werbellin aus ſchickte Markgraf Waldemar ſeinen Kanzler Nikolaus von Buch an den Rhein, als, nach Kaiſer Heinrichs VII. Tode, ein neuer Kaiſer gewählt werden ſollte, und gab ihm, wie wir heute ſagen würden, charte blanche zu wählen nach ſeinem Ermeſſen. Nikolaus von Buch gab ſeine Stimme an Ludwig den Baier, an den einzigen, an den er ſie (nach dem ſtillen Wunſche Waldemars) nicht ge- ben ſollte. Der empörte Markgraf, ſo geht die Sage, ließ den zu- zückkehrenden Kanzler nach dem nach gelegenen Schloß Grim- nitz*) bringen, ihn dort in den Kerker werfen und verhungern.
*) Schloß Grimnitz, in unmittelbarer Nähe des „Werbellin“ am Grimnitz-See gelegen und faſt als ein drittes der Werbellin-Schlöſſer an- zuſehen, war ebenſo der bevorzugte Aufenthalt Otto’s IV., des ſogenannten Markgrafen mit dem Pfeil, wie Schloß Breden und Schloß Werbellin die bevorzugten Plätze Markgraf Waldemars waren. „Hier war es wohl, ſo erzählt F. Brunold, wo Markgraf Otto mit ſeiner kühnen Gemahlin Heilwig von Holſtein am Schachbrett ſaß, von Spielleuten umgeben, wie es uns ein Bild in der Maneſſiſchen Sammlung der Minneſänger noch heute zeigt.“ — 1529 wurde auf Schloß Grimnitz ein Friede zwiſchen
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dert Jahren immer dieſelbe) aufbewahrt werden. Die dörfliche Tra-
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gefunden habe, ein Faß, deſſen Dauben bei der Berührung in
Staub zerfielen, während der Wein in der topasfarbenen Wein-
ſteinkruſte, die ſich ſeit den Tagen Markgraf Waldemars gebildet
hatte, wie in einer Kryſtall-Bowle unverſchüttet ſtehen blieb.
Das eigentliche Schloß Werbellin lag an der Südweſtſpitze
des Werbelliner See’s höchſt wahrſcheinlich (denn das Terrain iſt
verändert) auf einer Landzunge, die durch einen Durchſtich und
ein weites, vor dieſem Durchſtich gelegenes (übrigens noch vor-
handenes) Sumpfland zu einer ſchwer zugänglichen Inſel gemacht
wurde. Markgraf Johann I., der Städte-Erbauer unter den As-
kaniern, baute dies Schloß um 1247, und es ſcheint, daß es
unter allen markgräflichen Schlöſſern jener Epoche das größte, und
wohl auch ein bevorzugter Aufenthalt mehrerer unter den Aska-
niern war. Hier wurden die obenerwähnten Urkunden ausgeſtellt,
und wohl viele andre mit ihnen. Von Schloß Werbellin aus
ſchickte Markgraf Waldemar ſeinen Kanzler Nikolaus von Buch
an den Rhein, als, nach Kaiſer Heinrichs VII. Tode, ein neuer Kaiſer
gewählt werden ſollte, und gab ihm, wie wir heute ſagen würden,
charte blanche zu wählen nach ſeinem Ermeſſen. Nikolaus von
Buch gab ſeine Stimme an Ludwig den Baier, an den einzigen,
an den er ſie (nach dem ſtillen Wunſche Waldemars) nicht ge-
ben ſollte. Der empörte Markgraf, ſo geht die Sage, ließ den zu-
zückkehrenden Kanzler nach dem nach gelegenen Schloß Grim-
nitz *) bringen, ihn dort in den Kerker werfen und verhungern.
*) Schloß Grimnitz, in unmittelbarer Nähe des „Werbellin“ am
Grimnitz-See gelegen und faſt als ein drittes der Werbellin-Schlöſſer an-
zuſehen, war ebenſo der bevorzugte Aufenthalt Otto’s IV., des ſogenannten
Markgrafen mit dem Pfeil, wie Schloß Breden und Schloß Werbellin
die bevorzugten Plätze Markgraf Waldemars waren. „Hier war es wohl,
ſo erzählt F. Brunold, wo Markgraf Otto mit ſeiner kühnen Gemahlin
Heilwig von Holſtein am Schachbrett ſaß, von Spielleuten umgeben, wie
es uns ein Bild in der Maneſſiſchen Sammlung der Minneſänger noch
heute zeigt.“ — 1529 wurde auf Schloß Grimnitz ein Friede zwiſchen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/352>, abgerufen am 23.07.2024.
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