Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

Aber wir verweilen nicht bei Beschreibung dieses alten Schlos-
ses und seiner sehenswerthen Kapelle, sondern treten vielmehr
dort ein, wo die alte Zeit der Uchtenhagens in Bild und Wort
am vernehmlichsten zu uns spricht; ich meine die alte Kirche
in Freienwalde. Die Uchtenhagens haben sie gebaut, und sie ist
das eigentliche und das beste Monument des heimgegangenen Ge-
schlechts. Bis vor wenigen Jahren lagen verschiedene Grabsteine,
darunter auch die Grabsteine der beiden letzten, vor den Stufen
des Altars, unter dem, in gewölbter Gruft, sie selber ruhten; --
nun sind die Grabsteine fort und die Gruft ist verschüttet. Aber
andres ist geblieben. Ueber der niedrigen Sakristei-Thür, zur Lin-
ken des Altars, befindet sich das beinah lebensgroße Bildniß
(ganze Figur) Kaspars von Uchtenhagen, desselben, von dem die
Sage erzählt, daß Bosheit ihn vergiftet habe. Das Bild ist, mit
Rücksicht auf die Zeit, in der es entstand, eine vorzügliche Arbeit.
Beschreib ich es. Ein Tischchen steht zur Seite, mit einer rothen
Decke darüber; auf dem Tische liegt die hohe Sammetmütze des
Knaben, in Form und Farbe den Otterfellmützen nicht unähnlich,
denen man noch jetzt in den Oderbruchgegenden begegnet; vor
dem Tisch aber steht der Knabe selbst, blaß, durchsichtig, mit schma-
len Lippen und rothblondem Haar, ein feines Köpfchen, klug,

ist. Es besteht aus einem Christus am Kreuze, zu dem zwei Heilige auf-
blicken; dies Hauptstück des Bildes ruht aber auf einer Art Fries, in
dessen Feldern wir die symbolischen Figuren des Hahns, des Greifen, des
Pelikans und des Wiedehopfs erblicken. Ich habe diese Beschreibung in
verhältnißmäßiger Ausführlichkeit gegeben, um (ganz abgesehen von den
Uchtenhagens) die Aufmerksamkeit auf ein Kunstwerk zu lenken, das, ohne
dem Urtheil von Kennern vorgreifen zu wollen, wenigstens in der Mittel-
mark leicht als ein Unicum befunden werden dürfte. -- In der Kirche zu
Neuenhagen befindet sich noch ein gut erhaltener Grabstein aus der Uchten-
hagener Zeit. Seine Inschrift lautet: "Das Blut Jesu Christi reiniget
uns von allen unsren Sünden. Johannes 3. Anno Domini 1592 den
13. Dezember. Hier ruhet ... die viel tugendreiche Hippolyta von Uch-
tenhagen in Gott seliglich entschlafen." Hippolyta, dem Bilde nach etwa
40 Jahr, war eine ledig gebliebene Schwester von Hans von Uchtenhagen.

Aber wir verweilen nicht bei Beſchreibung dieſes alten Schloſ-
ſes und ſeiner ſehenswerthen Kapelle, ſondern treten vielmehr
dort ein, wo die alte Zeit der Uchtenhagens in Bild und Wort
am vernehmlichſten zu uns ſpricht; ich meine die alte Kirche
in Freienwalde. Die Uchtenhagens haben ſie gebaut, und ſie iſt
das eigentliche und das beſte Monument des heimgegangenen Ge-
ſchlechts. Bis vor wenigen Jahren lagen verſchiedene Grabſteine,
darunter auch die Grabſteine der beiden letzten, vor den Stufen
des Altars, unter dem, in gewölbter Gruft, ſie ſelber ruhten; —
nun ſind die Grabſteine fort und die Gruft iſt verſchüttet. Aber
andres iſt geblieben. Ueber der niedrigen Sakriſtei-Thür, zur Lin-
ken des Altars, befindet ſich das beinah lebensgroße Bildniß
(ganze Figur) Kaspars von Uchtenhagen, deſſelben, von dem die
Sage erzählt, daß Bosheit ihn vergiftet habe. Das Bild iſt, mit
Rückſicht auf die Zeit, in der es entſtand, eine vorzügliche Arbeit.
Beſchreib ich es. Ein Tiſchchen ſteht zur Seite, mit einer rothen
Decke darüber; auf dem Tiſche liegt die hohe Sammetmütze des
Knaben, in Form und Farbe den Otterfellmützen nicht unähnlich,
denen man noch jetzt in den Oderbruchgegenden begegnet; vor
dem Tiſch aber ſteht der Knabe ſelbſt, blaß, durchſichtig, mit ſchma-
len Lippen und rothblondem Haar, ein feines Köpfchen, klug,

iſt. Es beſteht aus einem Chriſtus am Kreuze, zu dem zwei Heilige auf-
blicken; dies Hauptſtück des Bildes ruht aber auf einer Art Fries, in
deſſen Feldern wir die ſymboliſchen Figuren des Hahns, des Greifen, des
Pelikans und des Wiedehopfs erblicken. Ich habe dieſe Beſchreibung in
verhältnißmäßiger Ausführlichkeit gegeben, um (ganz abgeſehen von den
Uchtenhagens) die Aufmerkſamkeit auf ein Kunſtwerk zu lenken, das, ohne
dem Urtheil von Kennern vorgreifen zu wollen, wenigſtens in der Mittel-
mark leicht als ein Unicum befunden werden dürfte. — In der Kirche zu
Neuenhagen befindet ſich noch ein gut erhaltener Grabſtein aus der Uchten-
hagener Zeit. Seine Inſchrift lautet: „Das Blut Jeſu Chriſti reiniget
uns von allen unſren Sünden. Johannes 3. Anno Domini 1592 den
13. Dezember. Hier ruhet … die viel tugendreiche Hippolyta von Uch-
tenhagen in Gott ſeliglich entſchlafen.“ Hippolyta, dem Bilde nach etwa
40 Jahr, war eine ledig gebliebene Schweſter von Hans von Uchtenhagen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0332" n="320"/>
        <p>Aber wir verweilen nicht bei Be&#x017F;chreibung die&#x017F;es alten Schlo&#x017F;-<lb/>
&#x017F;es und &#x017F;einer &#x017F;ehenswerthen Kapelle, &#x017F;ondern treten vielmehr<lb/>
dort ein, wo die alte Zeit der Uchtenhagens in Bild und Wort<lb/>
am vernehmlich&#x017F;ten zu uns &#x017F;pricht; ich meine die alte <hi rendition="#g">Kirche</hi><lb/>
in Freienwalde. Die Uchtenhagens haben &#x017F;ie gebaut, und &#x017F;ie i&#x017F;t<lb/>
das eigentliche und das be&#x017F;te Monument des heimgegangenen Ge-<lb/>
&#x017F;chlechts. Bis vor wenigen Jahren lagen ver&#x017F;chiedene Grab&#x017F;teine,<lb/>
darunter auch die Grab&#x017F;teine der beiden letzten, vor den Stufen<lb/>
des Altars, unter dem, in gewölbter Gruft, &#x017F;ie &#x017F;elber ruhten; &#x2014;<lb/>
nun &#x017F;ind die Grab&#x017F;teine fort und die Gruft i&#x017F;t ver&#x017F;chüttet. Aber<lb/>
andres i&#x017F;t geblieben. Ueber der niedrigen Sakri&#x017F;tei-Thür, zur Lin-<lb/>
ken des Altars, befindet &#x017F;ich das beinah lebensgroße Bildniß<lb/>
(ganze Figur) Kaspars von Uchtenhagen, de&#x017F;&#x017F;elben, von dem die<lb/>
Sage erzählt, daß Bosheit ihn vergiftet habe. Das Bild i&#x017F;t, mit<lb/>
Rück&#x017F;icht auf die Zeit, in der es ent&#x017F;tand, eine vorzügliche Arbeit.<lb/>
Be&#x017F;chreib ich es. Ein Ti&#x017F;chchen &#x017F;teht zur Seite, mit einer rothen<lb/>
Decke darüber; <hi rendition="#g">auf</hi> dem Ti&#x017F;che liegt die hohe Sammetmütze des<lb/>
Knaben, in Form und Farbe den Otterfellmützen nicht unähnlich,<lb/>
denen man noch jetzt in den Oderbruchgegenden begegnet; <hi rendition="#g">vor</hi><lb/>
dem Ti&#x017F;ch aber &#x017F;teht der Knabe &#x017F;elb&#x017F;t, blaß, durch&#x017F;ichtig, mit &#x017F;chma-<lb/>
len Lippen und rothblondem Haar, ein feines Köpfchen, klug,<lb/><note xml:id="note-0332" prev="#note-0331" place="foot" n="*)">i&#x017F;t. Es be&#x017F;teht aus einem Chri&#x017F;tus am Kreuze, zu dem zwei Heilige auf-<lb/>
blicken; dies Haupt&#x017F;tück des Bildes ruht aber auf einer Art Fries, in<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en Feldern wir die &#x017F;ymboli&#x017F;chen Figuren des Hahns, des Greifen, des<lb/>
Pelikans und des Wiedehopfs erblicken. Ich habe die&#x017F;e Be&#x017F;chreibung in<lb/>
verhältnißmäßiger Ausführlichkeit gegeben, um (ganz abge&#x017F;ehen von den<lb/>
Uchtenhagens) die Aufmerk&#x017F;amkeit auf ein Kun&#x017F;twerk zu lenken, das, ohne<lb/>
dem Urtheil von Kennern vorgreifen zu wollen, wenig&#x017F;tens in der Mittel-<lb/>
mark leicht als ein Unicum befunden werden dürfte. &#x2014; In der Kirche zu<lb/>
Neuenhagen befindet &#x017F;ich noch ein gut erhaltener Grab&#x017F;tein aus der Uchten-<lb/>
hagener Zeit. Seine In&#x017F;chrift lautet: &#x201E;Das Blut Je&#x017F;u Chri&#x017F;ti reiniget<lb/>
uns von allen un&#x017F;ren Sünden. Johannes 3. <hi rendition="#aq">Anno Domini</hi> 1592 den<lb/>
13. Dezember. Hier ruhet &#x2026; die viel tugendreiche Hippolyta von Uch-<lb/>
tenhagen in Gott &#x017F;eliglich ent&#x017F;chlafen.&#x201C; Hippolyta, dem Bilde nach etwa<lb/>
40 Jahr, war eine ledig gebliebene Schwe&#x017F;ter von Hans von Uchtenhagen.</note><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[320/0332] Aber wir verweilen nicht bei Beſchreibung dieſes alten Schloſ- ſes und ſeiner ſehenswerthen Kapelle, ſondern treten vielmehr dort ein, wo die alte Zeit der Uchtenhagens in Bild und Wort am vernehmlichſten zu uns ſpricht; ich meine die alte Kirche in Freienwalde. Die Uchtenhagens haben ſie gebaut, und ſie iſt das eigentliche und das beſte Monument des heimgegangenen Ge- ſchlechts. Bis vor wenigen Jahren lagen verſchiedene Grabſteine, darunter auch die Grabſteine der beiden letzten, vor den Stufen des Altars, unter dem, in gewölbter Gruft, ſie ſelber ruhten; — nun ſind die Grabſteine fort und die Gruft iſt verſchüttet. Aber andres iſt geblieben. Ueber der niedrigen Sakriſtei-Thür, zur Lin- ken des Altars, befindet ſich das beinah lebensgroße Bildniß (ganze Figur) Kaspars von Uchtenhagen, deſſelben, von dem die Sage erzählt, daß Bosheit ihn vergiftet habe. Das Bild iſt, mit Rückſicht auf die Zeit, in der es entſtand, eine vorzügliche Arbeit. Beſchreib ich es. Ein Tiſchchen ſteht zur Seite, mit einer rothen Decke darüber; auf dem Tiſche liegt die hohe Sammetmütze des Knaben, in Form und Farbe den Otterfellmützen nicht unähnlich, denen man noch jetzt in den Oderbruchgegenden begegnet; vor dem Tiſch aber ſteht der Knabe ſelbſt, blaß, durchſichtig, mit ſchma- len Lippen und rothblondem Haar, ein feines Köpfchen, klug, *) *) iſt. Es beſteht aus einem Chriſtus am Kreuze, zu dem zwei Heilige auf- blicken; dies Hauptſtück des Bildes ruht aber auf einer Art Fries, in deſſen Feldern wir die ſymboliſchen Figuren des Hahns, des Greifen, des Pelikans und des Wiedehopfs erblicken. Ich habe dieſe Beſchreibung in verhältnißmäßiger Ausführlichkeit gegeben, um (ganz abgeſehen von den Uchtenhagens) die Aufmerkſamkeit auf ein Kunſtwerk zu lenken, das, ohne dem Urtheil von Kennern vorgreifen zu wollen, wenigſtens in der Mittel- mark leicht als ein Unicum befunden werden dürfte. — In der Kirche zu Neuenhagen befindet ſich noch ein gut erhaltener Grabſtein aus der Uchten- hagener Zeit. Seine Inſchrift lautet: „Das Blut Jeſu Chriſti reiniget uns von allen unſren Sünden. Johannes 3. Anno Domini 1592 den 13. Dezember. Hier ruhet … die viel tugendreiche Hippolyta von Uch- tenhagen in Gott ſeliglich entſchlafen.“ Hippolyta, dem Bilde nach etwa 40 Jahr, war eine ledig gebliebene Schweſter von Hans von Uchtenhagen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/332
Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 320. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/332>, abgerufen am 12.05.2024.