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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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machen würden, den ehemaligen Umfang des alten Schlosses, die
theilweise Grundform desselben, ganz besonders aber den Ort zu
bestimmen, wo das alte Burgthor war. Die Einfahrt in das letz-
tere, fälschlich als Kellereingang gedeutet (weil sich die Phantasie
der Kiezer am liebsten mit Kellergewölben und den Trampeschen
Fässern beschäftigt), ist noch in aller Bestimmtheit erkennbar.

Wir maßen die Ueberbleibsel der alten Umfassungsmauer aus,
setzten uns dann, einen Strauch als Lehne, auf die Trümmer-
wand, und blickten in die Schlucht nieder, aus der Laubholz und
Birkengebüsch so dicht, so still, so schwellend heraufzusteigen schie-
nen, wie Blätter aus einem Korbe quellen, in den sie zuvor ge-
preßt wurden. Ein Gefühl überkam mich, als wüchsen die Wipfel
langsam aber unaufhaltsam wie eine steigende Fluth zu uns her-
auf. Unten in der Tiefe klang es wie ein Quell, der über Kiesel
fällt. Ich fragte: "ist da ein Wasser unten?" Ja. "Wie heißt
es?" Das klingende Fließ. Sonst war alles ruhig. Der Füh-
rer, längst gesprächig geworden, fing an zu erzählen von Pfingst-
und Maiennächten, wenn unten in Thal und Schlucht die Rehe
schrein, und hoch über dem Berg (als wäre es der Kyffhäuser)
die Dohlen kreisen; aber es war nicht Mai, nicht Pfingsten mehr,
kein Reh schrie durch die Nacht, selbst der Hundeblaff in der
Mühle schwieg, nur das klingende Fließ klang nach wie vor wie
ein Silberton zu uns herauf.

So fanden wir den Schloßberg; wir verlassen ihn jetzt, um
uns nunmehr der Frage zuzuwenden, was erzählt uns die Ge-
schichte
(sie, die jede Auskunft über den Schloßberg so be-
harrlich verweigert), was erzählt uns die Geschichte von den Uch-
tenhagens selbst.

Die historische Zeit der Uchtenhagen umfaßt einen Zeitraum
von etwa drittehalb Jahrhunderten. 1367 wird ihrer zum ersten
Male urkundlich erwähnt, und 1618 erlischt das Geschlecht. Die
Schicksale der beiden letzten Uchtenhagen (und zwar in historisch
verbürgter Treue und Bestimmtheit) waren all' die Zeit über,
vom Ausgange des Geschlechts bis auf diesen Tag, in der Erin-

machen würden, den ehemaligen Umfang des alten Schloſſes, die
theilweiſe Grundform deſſelben, ganz beſonders aber den Ort zu
beſtimmen, wo das alte Burgthor war. Die Einfahrt in das letz-
tere, fälſchlich als Kellereingang gedeutet (weil ſich die Phantaſie
der Kiezer am liebſten mit Kellergewölben und den Trampeſchen
Fäſſern beſchäftigt), iſt noch in aller Beſtimmtheit erkennbar.

Wir maßen die Ueberbleibſel der alten Umfaſſungsmauer aus,
ſetzten uns dann, einen Strauch als Lehne, auf die Trümmer-
wand, und blickten in die Schlucht nieder, aus der Laubholz und
Birkengebüſch ſo dicht, ſo ſtill, ſo ſchwellend heraufzuſteigen ſchie-
nen, wie Blätter aus einem Korbe quellen, in den ſie zuvor ge-
preßt wurden. Ein Gefühl überkam mich, als wüchſen die Wipfel
langſam aber unaufhaltſam wie eine ſteigende Fluth zu uns her-
auf. Unten in der Tiefe klang es wie ein Quell, der über Kieſel
fällt. Ich fragte: „iſt da ein Waſſer unten?“ Ja. „Wie heißt
es?“ Das klingende Fließ. Sonſt war alles ruhig. Der Füh-
rer, längſt geſprächig geworden, fing an zu erzählen von Pfingſt-
und Maiennächten, wenn unten in Thal und Schlucht die Rehe
ſchrein, und hoch über dem Berg (als wäre es der Kyffhäuſer)
die Dohlen kreiſen; aber es war nicht Mai, nicht Pfingſten mehr,
kein Reh ſchrie durch die Nacht, ſelbſt der Hundeblaff in der
Mühle ſchwieg, nur das klingende Fließ klang nach wie vor wie
ein Silberton zu uns herauf.

So fanden wir den Schloßberg; wir verlaſſen ihn jetzt, um
uns nunmehr der Frage zuzuwenden, was erzählt uns die Ge-
ſchichte
(ſie, die jede Auskunft über den Schloßberg ſo be-
harrlich verweigert), was erzählt uns die Geſchichte von den Uch-
tenhagens ſelbſt.

Die hiſtoriſche Zeit der Uchtenhagen umfaßt einen Zeitraum
von etwa drittehalb Jahrhunderten. 1367 wird ihrer zum erſten
Male urkundlich erwähnt, und 1618 erliſcht das Geſchlecht. Die
Schickſale der beiden letzten Uchtenhagen (und zwar in hiſtoriſch
verbürgter Treue und Beſtimmtheit) waren all’ die Zeit über,
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[314/0326] machen würden, den ehemaligen Umfang des alten Schloſſes, die theilweiſe Grundform deſſelben, ganz beſonders aber den Ort zu beſtimmen, wo das alte Burgthor war. Die Einfahrt in das letz- tere, fälſchlich als Kellereingang gedeutet (weil ſich die Phantaſie der Kiezer am liebſten mit Kellergewölben und den Trampeſchen Fäſſern beſchäftigt), iſt noch in aller Beſtimmtheit erkennbar. Wir maßen die Ueberbleibſel der alten Umfaſſungsmauer aus, ſetzten uns dann, einen Strauch als Lehne, auf die Trümmer- wand, und blickten in die Schlucht nieder, aus der Laubholz und Birkengebüſch ſo dicht, ſo ſtill, ſo ſchwellend heraufzuſteigen ſchie- nen, wie Blätter aus einem Korbe quellen, in den ſie zuvor ge- preßt wurden. Ein Gefühl überkam mich, als wüchſen die Wipfel langſam aber unaufhaltſam wie eine ſteigende Fluth zu uns her- auf. Unten in der Tiefe klang es wie ein Quell, der über Kieſel fällt. Ich fragte: „iſt da ein Waſſer unten?“ Ja. „Wie heißt es?“ Das klingende Fließ. Sonſt war alles ruhig. Der Füh- rer, längſt geſprächig geworden, fing an zu erzählen von Pfingſt- und Maiennächten, wenn unten in Thal und Schlucht die Rehe ſchrein, und hoch über dem Berg (als wäre es der Kyffhäuſer) die Dohlen kreiſen; aber es war nicht Mai, nicht Pfingſten mehr, kein Reh ſchrie durch die Nacht, ſelbſt der Hundeblaff in der Mühle ſchwieg, nur das klingende Fließ klang nach wie vor wie ein Silberton zu uns herauf. So fanden wir den Schloßberg; wir verlaſſen ihn jetzt, um uns nunmehr der Frage zuzuwenden, was erzählt uns die Ge- ſchichte (ſie, die jede Auskunft über den Schloßberg ſo be- harrlich verweigert), was erzählt uns die Geſchichte von den Uch- tenhagens ſelbſt. Die hiſtoriſche Zeit der Uchtenhagen umfaßt einen Zeitraum von etwa drittehalb Jahrhunderten. 1367 wird ihrer zum erſten Male urkundlich erwähnt, und 1618 erliſcht das Geſchlecht. Die Schickſale der beiden letzten Uchtenhagen (und zwar in hiſtoriſch verbürgter Treue und Beſtimmtheit) waren all’ die Zeit über, vom Ausgange des Geſchlechts bis auf dieſen Tag, in der Erin-

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/326>, abgerufen am 22.11.2024.