Blumenvase und Topf nur nothdürftig die Mitte hält. Der Effekt ist überaus komisch und man begreift den pausbackigen Amorin durchaus, der über die Brust der Najade hinweg, lächelnd in den Topf und auf das fließende Wasser blickt. Das Ganze ist vielleicht ein Unicum heitrer Naivetät und während es, in Form und Ge- genstand, die Antike zu copiren meint, erinnert es doch, dem Geiste nach, der es schuf, durchaus an den Humor des Mittelalters, viel- leicht zumeist an die bekannte kleine Brunnenfigur in Brüssel.
Der Reiz dieser Baulichkeiten, aller dieser Werke der Skulp- tur und Architektur, ist nicht groß, und wenn es doch einen Zau- ber hat, in dieses Brunnenthal einzukehren, so muß es ein andres sein, was an dieser Stelle erquickt und labt. Ich glaube zu wis- sen, was es ist. Es ist das Gefühl eines vollen Geschützt- und Geborgenseins, es ist die Stille dieses Thales, vor allem seine Herbstes-Stille.
Gewiß, daß es hier auch schön ist, wenn die Saison auf ih- rer Höhe steht, wenn die Brunnenmusik ihre Märsche spielt, wenn die Toiletten einheimischer und fremder Damen ihr Bestes thun, wenn die jungen Paare kichern und die alten Herren ihre eigenen Anekdoten so laut belachen, daß selbst die Blechinstrumente auf Augenblicke dagegen verstummen. Aber wie schön es immer in den Tagen der Saison an dieser Stelle sein mag, wenn die Najade, die sprudelnde Wirthin dieses Thales, umworbener ist als alle ihre Gäste, die jüngsten und reizendsten nicht ausgenommen, -- die eigentlichste Zeit dieses Thales ist doch die, wenn der stille Herbst hier einzieht, wenn die letzte Sommerrose hinüber ist und selbst die Malve blaß wird und der Aster das Feld räumt.
Ein solcher Herbsttag ist heute. Hoch in der Luft, über die Berge hin, zieht der Herbstwind; mitunter ist es, als kläng' er bis in's Thal hernieder, aber wir hören nur den Lüftestreit hoch oben, die Luft unten steht unbewegt. Die Vögel singen nicht mehr oder sind schon fort, nur noch das Sonnenlicht hüpft in den
Blumenvaſe und Topf nur nothdürftig die Mitte hält. Der Effekt iſt überaus komiſch und man begreift den pausbackigen Amorin durchaus, der über die Bruſt der Najade hinweg, lächelnd in den Topf und auf das fließende Waſſer blickt. Das Ganze iſt vielleicht ein Unicum heitrer Naivetät und während es, in Form und Ge- genſtand, die Antike zu copiren meint, erinnert es doch, dem Geiſte nach, der es ſchuf, durchaus an den Humor des Mittelalters, viel- leicht zumeiſt an die bekannte kleine Brunnenfigur in Brüſſel.
Der Reiz dieſer Baulichkeiten, aller dieſer Werke der Skulp- tur und Architektur, iſt nicht groß, und wenn es doch einen Zau- ber hat, in dieſes Brunnenthal einzukehren, ſo muß es ein andres ſein, was an dieſer Stelle erquickt und labt. Ich glaube zu wiſ- ſen, was es iſt. Es iſt das Gefühl eines vollen Geſchützt- und Geborgenſeins, es iſt die Stille dieſes Thales, vor allem ſeine Herbſtes-Stille.
Gewiß, daß es hier auch ſchön iſt, wenn die Saiſon auf ih- rer Höhe ſteht, wenn die Brunnenmuſik ihre Märſche ſpielt, wenn die Toiletten einheimiſcher und fremder Damen ihr Beſtes thun, wenn die jungen Paare kichern und die alten Herren ihre eigenen Anekdoten ſo laut belachen, daß ſelbſt die Blechinſtrumente auf Augenblicke dagegen verſtummen. Aber wie ſchön es immer in den Tagen der Saiſon an dieſer Stelle ſein mag, wenn die Najade, die ſprudelnde Wirthin dieſes Thales, umworbener iſt als alle ihre Gäſte, die jüngſten und reizendſten nicht ausgenommen, — die eigentlichſte Zeit dieſes Thales iſt doch die, wenn der ſtille Herbſt hier einzieht, wenn die letzte Sommerroſe hinüber iſt und ſelbſt die Malve blaß wird und der Aſter das Feld räumt.
Ein ſolcher Herbſttag iſt heute. Hoch in der Luft, über die Berge hin, zieht der Herbſtwind; mitunter iſt es, als kläng’ er bis in’s Thal hernieder, aber wir hören nur den Lüfteſtreit hoch oben, die Luft unten ſteht unbewegt. Die Vögel ſingen nicht mehr oder ſind ſchon fort, nur noch das Sonnenlicht hüpft in den
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0300"n="288"/>
Blumenvaſe und Topf nur nothdürftig die Mitte hält. Der Effekt<lb/>
iſt überaus komiſch und man begreift den pausbackigen Amorin<lb/>
durchaus, der über die Bruſt der Najade hinweg, lächelnd in den<lb/>
Topf und auf das fließende Waſſer blickt. Das Ganze iſt vielleicht<lb/>
ein Unicum heitrer Naivetät und während es, in Form und Ge-<lb/>
genſtand, die Antike zu copiren meint, erinnert es doch, dem Geiſte<lb/>
nach, der es ſchuf, durchaus an den Humor des Mittelalters, viel-<lb/>
leicht zumeiſt an die bekannte kleine Brunnenfigur in Brüſſel.</p><lb/><p>Der Reiz dieſer Baulichkeiten, aller dieſer Werke der Skulp-<lb/>
tur und Architektur, iſt nicht groß, und wenn es doch einen Zau-<lb/>
ber hat, in dieſes Brunnenthal einzukehren, ſo muß es ein andres<lb/>ſein, was an dieſer Stelle erquickt und labt. Ich glaube zu wiſ-<lb/>ſen, was es iſt. Es iſt das Gefühl eines vollen Geſchützt- und<lb/>
Geborgenſeins, es iſt die Stille dieſes Thales, vor allem ſeine<lb/><hirendition="#g">Herbſtes</hi>-Stille.</p><lb/><p>Gewiß, daß es hier auch ſchön iſt, wenn die Saiſon auf ih-<lb/>
rer Höhe ſteht, wenn die Brunnenmuſik ihre Märſche ſpielt, wenn<lb/>
die Toiletten einheimiſcher und fremder Damen ihr Beſtes thun,<lb/>
wenn die jungen Paare kichern und die alten Herren ihre eigenen<lb/>
Anekdoten ſo laut belachen, daß ſelbſt die Blechinſtrumente auf<lb/>
Augenblicke dagegen verſtummen. Aber wie ſchön es immer in den<lb/>
Tagen der Saiſon an dieſer Stelle ſein mag, wenn die Najade,<lb/>
die ſprudelnde Wirthin dieſes Thales, umworbener iſt als alle ihre<lb/>
Gäſte, die jüngſten und reizendſten nicht ausgenommen, — die<lb/>
eigentlichſte Zeit dieſes Thales iſt doch die, wenn der ſtille Herbſt<lb/>
hier einzieht, wenn die letzte Sommerroſe hinüber iſt und ſelbſt<lb/>
die Malve blaß wird und der Aſter das Feld räumt.</p><lb/><p>Ein ſolcher Herbſttag iſt heute. Hoch in der Luft, über die<lb/>
Berge hin, zieht der Herbſtwind; mitunter iſt es, als kläng’ er<lb/>
bis in’s Thal hernieder, aber wir hören nur den Lüfteſtreit hoch<lb/>
oben, die Luft unten ſteht unbewegt. Die Vögel ſingen nicht mehr<lb/>
oder ſind ſchon fort, nur noch das Sonnenlicht hüpft in den<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[288/0300]
Blumenvaſe und Topf nur nothdürftig die Mitte hält. Der Effekt
iſt überaus komiſch und man begreift den pausbackigen Amorin
durchaus, der über die Bruſt der Najade hinweg, lächelnd in den
Topf und auf das fließende Waſſer blickt. Das Ganze iſt vielleicht
ein Unicum heitrer Naivetät und während es, in Form und Ge-
genſtand, die Antike zu copiren meint, erinnert es doch, dem Geiſte
nach, der es ſchuf, durchaus an den Humor des Mittelalters, viel-
leicht zumeiſt an die bekannte kleine Brunnenfigur in Brüſſel.
Der Reiz dieſer Baulichkeiten, aller dieſer Werke der Skulp-
tur und Architektur, iſt nicht groß, und wenn es doch einen Zau-
ber hat, in dieſes Brunnenthal einzukehren, ſo muß es ein andres
ſein, was an dieſer Stelle erquickt und labt. Ich glaube zu wiſ-
ſen, was es iſt. Es iſt das Gefühl eines vollen Geſchützt- und
Geborgenſeins, es iſt die Stille dieſes Thales, vor allem ſeine
Herbſtes-Stille.
Gewiß, daß es hier auch ſchön iſt, wenn die Saiſon auf ih-
rer Höhe ſteht, wenn die Brunnenmuſik ihre Märſche ſpielt, wenn
die Toiletten einheimiſcher und fremder Damen ihr Beſtes thun,
wenn die jungen Paare kichern und die alten Herren ihre eigenen
Anekdoten ſo laut belachen, daß ſelbſt die Blechinſtrumente auf
Augenblicke dagegen verſtummen. Aber wie ſchön es immer in den
Tagen der Saiſon an dieſer Stelle ſein mag, wenn die Najade,
die ſprudelnde Wirthin dieſes Thales, umworbener iſt als alle ihre
Gäſte, die jüngſten und reizendſten nicht ausgenommen, — die
eigentlichſte Zeit dieſes Thales iſt doch die, wenn der ſtille Herbſt
hier einzieht, wenn die letzte Sommerroſe hinüber iſt und ſelbſt
die Malve blaß wird und der Aſter das Feld räumt.
Ein ſolcher Herbſttag iſt heute. Hoch in der Luft, über die
Berge hin, zieht der Herbſtwind; mitunter iſt es, als kläng’ er
bis in’s Thal hernieder, aber wir hören nur den Lüfteſtreit hoch
oben, die Luft unten ſteht unbewegt. Die Vögel ſingen nicht mehr
oder ſind ſchon fort, nur noch das Sonnenlicht hüpft in den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Forts… [mehr]
Fontanes "Wanderungen" erschienen zuerst in Fortsetzungen in der Neuen Preußischen (Kreuz-)Zeitung 1859 bzw. im Morgenblatt für gebildete Leser (zwischen 1860 und 1864). Als Buchausgabe erschien der zweite Band "Das Oderland, Barnim, Lebus" 1863 bei W. Hertz in Berlin. In der Folge wurde der Text von Fontane mehrfach überarbeitet und erweitert. Für das DTA wurde die erste Auflage der Buchausgabe digitalisiert.
Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/300>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.