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Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863.

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muß und der in Nachstehendem aphoristisch enthüllt, was er an
Ort und Stelle gewissenhaft verzeichnet hat. Das Ganze ist ein
in's Religiöse hinüberklingender Naturhymnus, in dem Logik und
Grammatik, wie der Lahme und Blinde, einen wunderlichen Wett-
lauf anstellen. "Gott (so hebt die Inschrift an) ist die Seele sei-
ner Schöpfung, in der Er sich gleichsam wie in ein herrliches
Gewand hüllt." Dieser Dativ überrascht; aber Valentini bringt
alles wieder in's Gleichgewicht. "Wie ein freundlicher Talisman
(so fährt er fort) erhält uns die Religion über die Wellen im
Schiffbruch des Lebens." So vollzieht er (in seinem eignen Hym-
nus) einen Akt der Gerechtigkeit und zahlt schließlich dem Akku-
sativ die Schuld zurück, die er Anfangs bei ihm eingegangen.

Denken wir milde darüber, hat er doch selber seitdem die
letzte Schuld gezahlt. Auf "Valentini's Ruh" rasten jetzt Andere,
er selber aber ist, am Fuße des Hügels, längst eingegangen zu
dauernder Ruh.



muß und der in Nachſtehendem aphoriſtiſch enthüllt, was er an
Ort und Stelle gewiſſenhaft verzeichnet hat. Das Ganze iſt ein
in’s Religiöſe hinüberklingender Naturhymnus, in dem Logik und
Grammatik, wie der Lahme und Blinde, einen wunderlichen Wett-
lauf anſtellen. „Gott (ſo hebt die Inſchrift an) iſt die Seele ſei-
ner Schöpfung, in der Er ſich gleichſam wie in ein herrliches
Gewand hüllt.“ Dieſer Dativ überraſcht; aber Valentini bringt
alles wieder in’s Gleichgewicht. „Wie ein freundlicher Talisman
(ſo fährt er fort) erhält uns die Religion über die Wellen im
Schiffbruch des Lebens.“ So vollzieht er (in ſeinem eignen Hym-
nus) einen Akt der Gerechtigkeit und zahlt ſchließlich dem Akku-
ſativ die Schuld zurück, die er Anfangs bei ihm eingegangen.

Denken wir milde darüber, hat er doch ſelber ſeitdem die
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[261/0273] muß und der in Nachſtehendem aphoriſtiſch enthüllt, was er an Ort und Stelle gewiſſenhaft verzeichnet hat. Das Ganze iſt ein in’s Religiöſe hinüberklingender Naturhymnus, in dem Logik und Grammatik, wie der Lahme und Blinde, einen wunderlichen Wett- lauf anſtellen. „Gott (ſo hebt die Inſchrift an) iſt die Seele ſei- ner Schöpfung, in der Er ſich gleichſam wie in ein herrliches Gewand hüllt.“ Dieſer Dativ überraſcht; aber Valentini bringt alles wieder in’s Gleichgewicht. „Wie ein freundlicher Talisman (ſo fährt er fort) erhält uns die Religion über die Wellen im Schiffbruch des Lebens.“ So vollzieht er (in ſeinem eignen Hym- nus) einen Akt der Gerechtigkeit und zahlt ſchließlich dem Akku- ſativ die Schuld zurück, die er Anfangs bei ihm eingegangen. Denken wir milde darüber, hat er doch ſelber ſeitdem die letzte Schuld gezahlt. Auf „Valentini’s Ruh“ raſten jetzt Andere, er ſelber aber iſt, am Fuße des Hügels, längſt eingegangen zu dauernder Ruh.

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Zitationshilfe: Fontane, Theodor: Wanderungen durch die Mark Brandenburg. Bd. 2: Das Oderland. Berlin, 1863, S. 261. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/fontane_brandenburg02_1863/273>, abgerufen am 22.11.2024.